1 00:00:00,367 --> 00:00:10,799 ZS: Ich komme aus Warschau, wo ich geboren wurde und bis dato lebe. Was meine Familie anbelangt, soll ich das auch erzählen? 2 00:00:10,800 --> 00:00:21,499 Meine Familie... meine Mutter lebte nur noch einen Monat nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstandes. Alle waren in diesem Kalenderjahr 1944... 3 00:00:21,500 --> 00:00:30,599 Es kam so, dass wir alle infolge der Umwälzungen nach dem Warschauer Aufstand voneinander getrennt wurden. Meine Mutter war woanders, mein Vater woanders. 4 00:00:30,600 --> 00:00:39,399 Nach einer zufälligen Razzia wurde ich in ein Konzentrationslager deportiert. Es passierte gleich am ersten Tag des Aufstandes, als wir dort unterwegs waren. 5 00:00:39,400 --> 00:00:51,499 Wir waren auf dem Weg zu einem Treffpunkt, um uns dem entstehenden Aufstand anzuschließen. Ich und einige Kollegen gingen jeweils zu zweit, um nicht gleich aufzufliegen. 6 00:00:51,500 --> 00:01:03,432 Es kam aber so, dass wir in der Nähe von der Kierbedź-Brücke, auf der rechten Weichselseite, im Stadtteil Praga, von deutschen Soldaten gefasst worden sind. 7 00:01:03,433 --> 00:01:12,066 Als wir uns der Brücke näherten, wurden wir von Deutschen umschlossen. Es passierte eine Stunde vor dem Ausbruch des Aufstandes. 8 00:01:12,067 --> 00:01:24,499 Der Aufstand begann um 17.00 Uhr. Wir versuchten eine Stunde vor dem geplanten Aufstandsausbruch, gegen 15.50 Uhr, dort durchzukommen. Wir waren weder bewaffnet noch uniformiert. 9 00:01:24,500 --> 00:01:31,632 Wir waren alle noch Jungs, die in den Strukturen der polnischen Pfadfinderorganisation "Szare Szeregi" am Aufstand teilnehmen wollten. 10 00:01:31,633 --> 00:01:44,832 Wir wollten daran aktiv mitwirken. Dort wurden wir festgenommen. Ich und noch ein paar Andere, ungefähr 20 junge Männer wurden damals von der Polizei verhaftet. 11 00:01:44,833 --> 00:01:51,332 Wir wurden zunächst vorübergehend in ein Gefängnis eingeliefert, dann ins Konzentrationslager deportiert. Es änderte sich ständig etwas. 12 00:01:51,333 --> 00:01:58,966 Je nach der Situation an der Ostfront, mit dem Vorankommen der sowjetischen Armee, wurden wir von einem Standort zu einem anderen deportiert. 13 00:01:58,967 --> 00:02:11,132 Das erste Lager, in das ich kam, war Groß-Rosen, dann kam ich nach Leitmeritz, auf Tschechisch Litoměřice. 14 00:02:11,133 --> 00:02:19,599 Die nächste Station war Schmiedeberg. Als wir von einem KZ ins andere überstellt wurden, merkten wir schon, dass die Front näher rückt. 15 00:02:19,600 --> 00:02:24,699 Wir konnten schon Schüsse hören, so dass wir wussten, dass die Front nicht mehr weit weg ist. 16 00:02:24,700 --> 00:02:32,799 Am Befreiungstag wurde das Lager von der deutschen Besatzung verlassen. Es war nur ein kleines Kommando. 17 00:02:32,800 --> 00:02:42,332 Keine Wachleute oder deutsche Aufseher waren in Sicht. Die Häftlinge haben nach und nach durch die Öffnungen die Flucht ergriffen. 18 00:02:42,333 --> 00:02:52,566 Von nun an war ich, sozusagen, außerhalb des Geländes und jenseits der deutschen Aufsicht. Was war weiter... 19 00:02:52,567 --> 00:04:15,899 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 20 00:04:15,900 --> 00:04:23,366 IV: Erzählen Sie jetzt bitte etwas detaillierter. Wohin kamen Sie von Warschau aus als Nächstes? Nach Groß-Rosen? 21 00:04:23,367 --> 00:04:33,132 ZS: Ja. In der ersten Phase, in den ersten Tagen des Transports… ich habe versucht, zu entfliehen, abzuhauen, wie man es so sagt. 22 00:04:33,133 --> 00:04:39,066 Aber ich wurde gefasst und so landete ich in einem Gefängnis in Breslau, heutzutage Wrocław. 23 00:04:39,067 --> 00:04:42,299 IV: Das heißt, auf dem Weg nach Groß-Rosen wurden Sie....(???) 24 00:04:42,300 --> 00:04:53,432 ZS: Es war noch bevor ich nach Groß-Rosen kam. Es war erst später, als eine Gruppe festgenommen wurde. Es waren einige Personen, die sich dort befanden. 25 00:04:53,433 --> 00:05:04,432 Von dort aus wurde ich schon nach Groß-Rosen, ins KZ eingeliefert. Von nun an war das, worüber ich bereits gesprochen habe. 26 00:05:04,433 --> 00:05:07,432 IV: Erzählen Sie es von Anfang an (???) 27 00:05:07,433 --> 00:05:08,499 ZS: Wie das war? 28 00:05:08,500 --> 00:05:09,466 IV: Hmh. 29 00:05:09,467 --> 00:05:21,966 ZS: Bei der ersten Verhaftung, bei der ersten Festnahme durch die Deutschen, floh ich in eine Ortschaft, die damals Schneidemühl hieß, heute Piła. 30 00:05:21,967 --> 00:05:38,966 Von da aus floh ich.. Entschuldigung...mit dem Zug kam ich nach Wrocław... das heißt, ich fuhr auf dem Untergestell des Personenzuges. 31 00:05:38,967 --> 00:05:48,566 Es war ein Personenzug mit höherem Standard. Die Balken unter den Waggons waren aus Holz und unbedeckt. Mit diesem Zug kam ich nach Wrocław. 32 00:05:48,567 --> 00:06:00,532 Ich war wahrscheinlich von den Strapazen des Transportes so erschüttert, dass ich versuchte, mich aus diesem Zug zu entfernen. 33 00:06:00,533 --> 00:06:10,799 Dabei wurde ich von einer deutschen Polizei-Patrouille erwischt und verhaftet. Wrocław, Breslau hieß es damals, war eine große Stadt und strengstens überwacht. 34 00:06:10,800 --> 00:06:18,632 Ich wurde verhaftet und ins Gefängnis in Wrocław gebracht. Dort saß ich etwa fünf oder sechs Wochen. 35 00:06:18,633 --> 00:06:30,366 Dann wurde eine Gruppe aus restlichen "guten" Verbrechern zusammengestellt, wie die Deutschen sie nannten, und ich kam ins KZ Groß-Rosen. 36 00:06:30,367 --> 00:06:35,266 IV: Erzählen Sie bitte über den ersten Tag im KZ, über die Ankunft im Lager. 37 00:06:35,267 --> 00:06:43,599 ZS. Wann war denn das? Wissen Sie.. Es war noch 1944. Ich glaube, ich war damals in Wrocław. Ich erinnere mich nicht. 38 00:06:43,600 --> 00:06:53,032 In diesem Gefängnis saß ich entweder sechs Wochen oder etwas länger. Der Aufstand (???) Der Aufstand war im August, nicht wahr. 39 00:06:53,033 --> 00:07:00,932 Im KZ Groß-Rosen kam ich vermutlich in den ersten Dezembertagen an. 40 00:07:00,933 --> 00:07:05,232 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 41 00:07:05,233 --> 00:07:11,432 ZS: Das heißt, aus dem Gefängnis in Wrocław. Ich war dort etwa acht Wochen oder so ungefähr (???). 42 00:07:11,433 --> 00:07:12,299 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 43 00:07:12,300 --> 00:08:18,032 ZS: {Reibt sich die Nase} 44 00:08:18,033 --> 00:08:28,932 ZS: Soll ich noch über die Besatzungszeit erzählen und wie ich bei "Szare Szeregi" war? Über die Zeit, als ich ein aktives Mitglied der Armia Krajowa war? 45 00:08:28,933 --> 00:08:30,832 IV: Gleich, gleich. zuerst...(???) 46 00:08:30,833 --> 00:08:31,466 ZS: Ja? Aha. 47 00:08:31,467 --> 00:08:32,532 IV: (???) 48 00:08:32,533 --> 00:08:35,532 ZS: Nein, es war noch früher, es war noch vor dem Aufstand. 49 00:08:35,533 --> 00:08:55,366 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 50 00:08:55,367 --> 00:08:59,699 IV: Gut... Wenn Sie jetzt darüber erzählen wollen...(???) 51 00:08:59,700 --> 00:09:01,666 ZS: Nein, nein, ich erinnere mich jetzt erst daran, sagen wir mal.. 52 00:09:01,667 --> 00:09:07,599 IV: Es ist gut, wenn Sie sich daran erinnern. Erzählen Sie bitte die Geschichte vor der Verhaftung. 53 00:09:07,600 --> 00:09:18,266 ZS: Nach einer Rücksprache mit ein paar Freunden wurde ich 1942 Mitglied bei den sogenannten "Szare Szeregi". 54 00:09:18,267 --> 00:09:28,532 Ich war in dieser Einheit und ein ziemlich schlauer Junge.. Jetzt bin ich aber, sagen wir mal, ein blasser Opa. 55 00:09:28,533 --> 00:09:37,266 Dies war eine Aufklärungseinheit. Wir waren Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. 56 00:09:37,267 --> 00:09:45,866 Dem Aussehen nach waren wir weder auffällig noch sehr männlich, wir waren eben wie Jugendliche. 57 00:09:45,867 --> 00:09:52,832 Ich war in der Aufklärungseinheit, die den Wileński-Bahnhof und den Ost-Bahnhof in Warschau beaufsichtigte. 58 00:09:52,833 --> 00:10:04,199 Ich war der stellvertretende Kommandant dieser Einheit und fast bei jedem Einsatz dabei. 59 00:10:04,200 --> 00:10:12,066 Wir hatten unseren besonderen Einsatz am Wileński-Bahnhof, denn dieser wurde den Deutschen für militärische Zwecke genutzt. 60 00:10:12,067 --> 00:10:17,699 Von dort aus... Es war schon die Zeit, als die Deutschen begannen, Krieg gegen die Sowjets zu führen. 61 00:10:17,700 --> 00:10:28,232 Es war die Zeit, als viele Transporte gerade über diesen Bahnhof abgewickelt wurden. Unsere primäre Aufgabe war die Aufklärung. 62 00:10:28,233 --> 00:10:39,532 Wir gaben Aufklärungsberichte über die Art, Zusammensetzung und Anzahl der deutschen Militärtransporte ab. In erster Linie war das Aufklärung. 63 00:10:39,533 --> 00:10:50,999 Die Berichte leiteten wir an unsere Führung weiter, zum Beispiel: Welche Kräfte gegen unsere russischen Freunde eingesetzt wurden. {Lacht}. In Kürze sah es so aus. 64 00:10:51,000 --> 00:10:59,432 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 65 00:10:59,433 --> 00:11:22,799 ZS: {kratzt sich am Hals und Nacken und reibt sich am Gesicht}. 66 00:11:22,800 --> 00:11:53,232 ZS: Kann ich so sitzen bleiben, ja? Ich darf nicht sprechen. Entschuldigung. 67 00:11:53,233 --> 00:11:54,166 IV: Jetzt bitte... 68 00:11:54,167 --> 00:12:02,566 ZS: Es war also eine der wichtigsten Aufgaben unserer Einheit. Darüber habe ich gerade gesprochen. 69 00:12:02,567 --> 00:12:14,332 Andere Teilbereiche waren z. B. Werbung, Straßenarbeit, vorsätzliche Schädigung des Besatzers, Beeinträchtigung der Besatzerpolitik. 70 00:12:14,333 --> 00:12:28,466 Es gab verschiedene Methoden, die Transportmöglichkeiten der Besatzer zu beeinträchtigen oder Ähnliches. 71 00:12:28,467 --> 00:12:37,232 Wir fügten unterschiedliche Schäden zu, zum Beispiel: die Demontage der Eisenbahnschienen, oder Ähnliches. 72 00:12:37,233 --> 00:12:46,966 Unsere Tätigkeit hatte auch einen Werbungscharakter. Wir wurden eingesetzt, wo Aufklärungsaufgaben fällig waren. 73 00:12:46,967 --> 00:12:57,966 Meistens waren das Aufklärungseinsätze in der Nähe der deutschen Wehrmacht-Einheit. Wir sollten die Situation beobachten und gegebenfalls darüber berichten. 74 00:12:57,967 --> 00:13:10,999 Wir waren sehr jung, noch mit Rotznasen. Entschuldigung für den Ausdruck. Wir waren so unbeholfen. Ich schließe jetzt aber damit ab. 75 00:13:11,000 --> 00:13:18,732 Zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns, das heißt, die Hälfte von uns war nicht mehr am Leben.. Die Deutschen nahmen sie fest. 76 00:13:18,733 --> 00:13:25,499 Auf verschiedene Weise wurden sie ermordet. Die meisten, diese anderen Gruppen wurden erschossen. 77 00:13:25,500 --> 00:14:13,099 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 78 00:14:13,100 --> 00:14:14,299 ZS: Soll ich noch etwas sagen? 79 00:14:14,300 --> 00:14:20,232 IV: Nein, nein. Nicht mehr. Erzählen Sie bitte, wie Sie nach Groß-Rosen gekommen sind. Über den ersten Tag.. Welche..(???) 80 00:14:20,233 --> 00:14:30,032 ZS: Ich fuhr ins KZ Groß-Rosen in einem stark bewachten Transport. Wir hatten Handschellen an. 81 00:14:30,033 --> 00:14:42,866 Das heißt, von Wrocław aus fuhren wir aneinandergekettet in, in einem Zug, in einem offenen Kohle-Wagen. 82 00:14:42,867 --> 00:14:53,032 Vom Bahnhof in Groß-Rosen gingen wir zu Fuß in einer dichten Kolonne zum KZ. 83 00:14:53,033 --> 00:15:05,132 Die SS-Männer bewachten uns sehr stark mit unterschiedlichen Waffen und passten darauf auf, dass niemand entkommt. So gelangten wir zum Eingangstor. 84 00:15:05,133 --> 00:15:16,766 Dieses Tor wurde sozusagen "Begrüßungstor" genannt. Dort mussten wir uns schon sehr schnell bewegen. So war die Situation. 85 00:15:16,767 --> 00:15:34,032 Es gab schon körperliche Mißhandlung, Hiebe, Schläge usw. Es begann eine Serie von Folterungen und Einschüchterungen der Häftlinge. 86 00:15:34,033 --> 00:15:43,466 Diese Maßnahmen hatten zum Ziel, die Moral der Häftlinge zu brechen, sie zu zwingen, sich selbst aufzugeben und alles zu erlauben, was ihnen angetan wurde. 87 00:15:43,467 --> 00:16:39,766 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 88 00:16:39,767 --> 00:16:51,366 MA: (???) Wie es konkret war, ob sie verhört worden sind zu ihren Aktivitäten, ob sie Zwangsarbeit leisten mussten… Wie die Unterbringung war, die Verpflegung, der Umgang, der Tagesablauf? 89 00:16:51,367 --> 00:17:02,766 ZS: Damit hat ja, sozusagen, die Lageratmosphäre angefangen. Die Behandlung der Häftlinge war unter jedem Niveau – physisch gewaltsam und psychisch demütigend. 90 00:17:02,767 --> 00:17:15,332 Die SS- und Wachmänner waren mit verlängerten Schlagstöcken ausgerüstet und haben wild um sich geschlagen. Bei der Bildung der Kolonnen wurden wir mit Gewalt zur Gehorsamkeit gedrillt. 91 00:17:15,333 --> 00:17:23,332 Wenn etwas nicht gepasst hat, wurden wir gleich auf den Kopf geschlagen. Viele brachen in diesem Moment komplett zusammen. 92 00:17:23,333 --> 00:17:35,932 Viele haben die Hoffnung auf das Überleben verloren. In dieser Anfangsphase sind etliche ums Leben gekommen. 93 00:17:35,933 --> 00:17:44,732 Nach einem Schlag starben sie sofort. Es war, so kann man es bezeichnen, die erste Selektion der Arbeits- und Überlebensfähigen, wo viele ausgelöscht wurden. 94 00:17:44,733 --> 00:17:54,632 Dieses Vorgehen hatte zum Ziel, bei den Häftlingen jeden Fluchtgedanken bzw. Widerstandswillen auszurotten. 95 00:17:54,633 --> 00:18:02,166 Es war eine gezielt gewaltsame Behandlung zur Vernichtung. 96 00:18:02,167 --> 00:18:29,532 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 97 00:18:29,533 --> 00:18:33,832 ZS: Ich versuche, wenn ich mich daran erinnere, die Ereignisse zu rekonstruieren. 98 00:18:33,833 --> 00:18:43,532 IV: Sagen Sie bitte... (???) Wurden Sie verhört, wurden sie mißhandelt oder gefoltert? Wie sah Ihr Lageralltag aus? 99 00:18:43,533 --> 00:18:53,899 ZS: Auf dem Lagergelände, im Lager wurden wir in einzelne Einheiten auf- und zum Arbeitseinsatz eingeteilt. Alle wurden fast gleich behandelt. 100 00:18:53,900 --> 00:19:06,432 Von Fall zu Fall wurden wir in diversen Kommandos unterschiedlich behandelt. Je nachdem, wo man eingesetzt wurde, im Steinbruch oder in einem anderen Kommando. 101 00:19:06,433 --> 00:19:18,132 Es gab unterschiedliche Leute. Es gab welche, die früher da waren. Es waren auch welche, die mit uns kamen. Sie sind körperlich wie geistig zusammengebrochen. 102 00:19:18,133 --> 00:19:27,099 Sie verloren jede Kontrolle über ihre Handlungen. Es passierte manchmal, dass man von einem zufälligen Stockhieb erwischt worden ist. Sie bewachten uns immer mit ihren Hunden. 103 00:19:27,100 --> 00:19:40,066 In einem Moment waren wir verzweifelt. Der Körper wie die Psyche haben aufgegeben. Es ist uns schwer gefallen, uns an die vorgefundenen Umstände zu gewöhnen. 104 00:19:40,067 --> 00:19:52,799 Halbbewusst haben wir vor uns hin gelebt und Befehle verfolgt. Jedesmal, wenn die Gruppe zum Steinbruch ging, 105 00:19:52,800 --> 00:19:58,332 jedesmal, wenn wir gingen, kam 20 Prozent der Häftlinge nicht mehr lebend zurück. 106 00:19:58,333 --> 00:20:05,866 Die Arbeitsbedingungen im Steinbruch waren schrecklich. Die SS-Männer haben sich ungeheuerlich verhalten. 107 00:20:05,867 --> 00:20:17,566 Ich weiß es nicht. Sie haben nach Lust und Laune über das Leben und den Tod der Häftlinge entschieden. Aus Vergnügen haben sie getötet. 108 00:20:17,567 --> 00:20:28,632 Den getöteten Häftling sammelten wir auf und trugen ihn zum Lager, damit auch er gezählt wird. 109 00:20:28,633 --> 00:20:37,832 Die Behandlung in Groß-Rosen war im Durchschnitt sehr streng. Das heißt, es hing davon ab, wo jemand eingesetzt wurde. Ich sage nicht, dass..(???) 110 00:20:37,833 --> 00:20:46,266 Die Bestrafung war auch so, sozusagen eine Arbeitsbestrafung, dass von der Gruppe 20 Prozent der Häftlinge nicht mehr lebend zurück kam. 111 00:20:46,267 --> 00:20:55,066 Gerade diese kamen nicht zurück, die im Steinbruch arbeiteten. Auf Grund von schweren Arbeitsbedingungen, körperlicher Erschöpfung. Es mangelte an Essen. 112 00:20:55,067 --> 00:21:04,399 Der Tod war allgegenwärtig, jeden Tag, jede Woche. Als ich aus Deutschland zurückkehrte.. 113 00:21:04,400 --> 00:21:14,899 Nach der Lagerbefreiung – zwei Tage nach dem Kriegsende wog ich gerade 23 Kilo. Mit 16 Jahren war ich nur noch Haut und Knochen. 114 00:21:14,900 --> 00:22:35,766 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 115 00:22:35,767 --> 00:22:41,166 IV: Könnten Sie uns sagen, ob Sie von Groß-Rosen direkt nach Leitmeritz gekommen sind? Oder.. 116 00:22:41,167 --> 00:22:50,532 ZS: Aus Groß-Rosen wurde ich direkt nach Leitmeritz gebracht. Auf Tschechisch Litoměřice. 117 00:22:50,533 --> 00:23:00,532 Es war ein kleines Kommando. Es war kein KZ wie Groß-Rosen, mit seinen Verbrennungen und anderen Vernichtungsmethoden. 118 00:23:00,533 --> 00:23:10,699 Es war ein Kommando mit einem Arbeitseinsatz unter anderem in einem Steinbruch. 119 00:23:10,700 --> 00:23:22,766 Wir wurden milder behandelt, dass heißt, es gab nicht so viele Todesopfer. Vielleicht wurden sie nicht direkt körperlich vernichtet. 120 00:23:22,767 --> 00:23:30,099 Bei dieser Rückkehr... Es gab dort ein kleines Bergwerk. Ich war aber nicht in diesem Bergwerk. 121 00:23:30,100 --> 00:23:37,132 Ich wurde in einem Innenkommando zu Aufräumarbeiten eingesetzt. 122 00:23:37,133 --> 00:23:50,366 Ich war ein schmächtiger Junge, sehr klein. Vielleicht deswegen war ich für einen SS-Mann nicht interessant, denn er zeigte gerne seine Macht. 123 00:23:50,367 --> 00:24:02,032 Er zeigte seine Macht und alles. Einige Male habe ich viele Schläge einstecken müssen. Auch ich musste auf allen Vieren zur Pritsche kriechen. 124 00:24:02,033 --> 00:24:13,132 Also in Groß-Rosen war ich in einem Innenkommando, 125 00:24:13,133 --> 00:24:23,266 das das Lagergelände nicht verlassen hat. Es gab keine Produktionsbetriebe außerhalb des Lagers. Es gab Gruppen, die das Lagergelände verließen. 126 00:24:23,267 --> 00:24:33,099 Auch hier sind manchmal einige Häftlinge beim Arbeitseinsatz ums Leben gekommen. Es gab eine hohe Sterblichkeit dort. 127 00:24:33,100 --> 00:24:43,999 Zu einer bestimmten Zeit war in Groß-Rosen der Tod an der Tagesordnung. Anders als in anderen KZs. Aber ich weiß es nicht. Ich war nicht dort. 128 00:24:44,000 --> 00:24:59,166 Ich habe gehört, dass die Bedingungen in Groß-Rosen im Vergleich zu anderen Lagern schon sehr schwer waren, was die Vernichtung und die Demütigung der Häftlinge angeht. 129 00:24:59,167 --> 00:25:58,066 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 130 00:25:58,067 --> 00:26:32,499 ZS: {reibt sich im Gesicht} 131 00:26:32,500 --> 00:26:37,899 IV: Wenn Sie noch etwas über Leitmeritz erzählen könnten. Es gibt nämlich wenig Berichte darüber. 132 00:26:37,900 --> 00:26:44,566 Welche Bedingungen herrschten dort? Wo haben Sie geschlafen, wie war die Verpflegung? 133 00:26:44,567 --> 00:26:58,799 ZS: Die Ernährungssituation war sehr schlecht. Essen gab es manchmal nur einmal am Tag. Was die Unterbringung angeht: Ich hatte, ich war.. 134 00:26:58,800 --> 00:27:10,632 Dort, wo ich war, haben wir in dreistöckigen Ziegelgebäuden geschlafen. Zu welchem Zweck diese Bauten früher genutzt wurden, kann ich nicht sagen. 135 00:27:10,633 --> 00:27:20,532 Provisorische Bettgestelle waren aus Holz gemacht und übereinander auf drei Etagen errichtet worden. Wir lagen dicht nebeneinander. 136 00:27:20,533 --> 00:27:30,032 Die Bauten waren gemauert und umzäunt. Fenster gab es kaum. Früher waren dort vielleicht Depots. 137 00:27:30,033 --> 00:27:39,632 Vielleicht gab es ein Fenster am Anfang und eins am Ende des Gebäudes. Und dort fanden nach der Arbeit Appelle statt. 138 00:27:39,633 --> 00:27:50,832 Nach der Arbeit wurden beim sogenannten Appell Häftlinge gezählt. Sie wurden zusammengerechnet. 139 00:27:50,833 --> 00:28:04,299 Dabei gab es einen Unterschied, wieviele gestorben sind und so weiter. Es war ein abgeschlossenes Gelände, das von deutschen Wachmännern bewacht wurde. 140 00:28:04,300 --> 00:28:11,666 Das Lager war von den Abendstunden bis morgens früh nicht zugänglich. Ich spreche vom Regelfall. 141 00:28:11,667 --> 00:28:17,632 Das Lager war abgeschlossen, es sei denn, eine außergewöhniche Situation trat ein. 142 00:28:17,633 --> 00:28:24,699 Es passierte manchmal, dass wir stundenlang bis Mitternacht auf dem Appellplatz standen. 143 00:28:24,700 --> 00:28:42,366 Es waren gezielte Maßnahmen, um unsere Ausdauerkraft auf die Probe zu stellen. 144 00:28:42,367 --> 00:29:54,699 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 145 00:29:54,700 --> 00:30:04,899 MA: Ist er überhaupt jemals nach Flossenbürg gekommen oder waren sie bis zum Kriegsende in Leitmeritz? Oder haben sie von daher weitere Stationen durchgemacht? Wo wurden sie befreit? 146 00:30:04,900 --> 00:30:08,966 IV: Sind sie in Leitmeritz bis zum Kriegsende geblieben? Oder sind Sie nach Flossenbürg gekommen? 147 00:30:08,967 --> 00:30:18,399 ZS: Nein. Die Sowjetische Armee war bereits in Bewegung. 148 00:30:18,400 --> 00:30:30,399 Wir wurden aus Leitmeritz evakuiert, als wir bereits Schüsse hörten. 149 00:30:30,400 --> 00:30:39,166 Wir hörten Kanonenschüsse, die signalisierten, dass sich die Front vielleicht 20 oder 50 Kilometer von uns entfernt befindet. 150 00:30:39,167 --> 00:30:48,199 Die Sowjetische Armee bewegte sich und wir wurden nach Schmiedeberg evakuiert. 151 00:30:48,200 --> 00:30:54,399 Ich weiß nicht, wie es danach geheißen hat, es war ein deutscher Ortsname. 152 00:30:54,400 --> 00:31:00,666 Es war nicht mehr weit, aber das war bereits auf deutschem Gebiet, ich bin mir nicht sicher. 153 00:31:00,667 --> 00:31:11,232 Es gab dort eine Grenze und wir gingen fünf oder sechs Tage zu Fuß. Ja. Ja. 154 00:31:11,233 --> 00:31:19,166 Dann war dieses Schmiedeberg... 155 00:31:19,167 --> 00:31:34,099 Die Bewachung war nicht mehr so streng. Wir wurden von älteren deutschen Volkssturm-Soldaten bewacht. Sie waren zwar bewaffnet, aber es kam daraf an, an wen man kam. 156 00:31:34,100 --> 00:31:44,932 Sie hatten es nicht vor, die Häftlinge vorsätzlich umzubringen, zu foltern oder zu schlagen. 157 00:31:44,933 --> 00:31:53,899 Aber der „Spaziergang“, wie wir ihn nannten, zog sich über einige Tage hinweg. 158 00:31:53,900 --> 00:32:00,932 Was die Rahmenbedingungen angeht, sind Essensrationen knapp geworden, weil es keinen Nachschub mehr gab. 159 00:32:00,933 --> 00:32:08,299 Einige sind auf dem Weg vor Erschöpfung, Unterernährung gestorben. Es waren eben vier oder fünf Tage. 160 00:32:08,300 --> 00:32:17,399 Es gab kein Wasser. Ich kann mich wie heute erinnern, wie wir auf ein offenes Gelände geführt wurden. 161 00:32:17,400 --> 00:32:30,566 Wir hielten an einem Moor und tranken das Wasser direkt aus dem Boden. Wir drückten mit den Füßen den Torf weg, 162 00:32:30,567 --> 00:32:41,966 machten ein größeres Loch, um dieses Wasser zu trinken. 163 00:32:41,967 --> 00:32:50,799 Die Flüssigkeit war dick, aber der Körper hatte sonst nichts bekommen. Es hat den Mund ausgetrocknet. 164 00:32:50,800 --> 00:33:03,932 In diesen fünf oder mehr Tagen starben viele an Hunger und körperlicher Erschöpfung. 165 00:33:03,933 --> 00:33:13,899 Auch eine KZ-Inhaftierung hinterlässt im Körper Spuren. Vieles wurde geschädigt. Was Schmiedeberg betrifft.. ich denke, ich spreche es nicht richtig aus. 166 00:33:13,900 --> 00:33:25,267 Es wurde auf Deutsch ausgesprochen. Ich denke, es war ein Übergangs.... würde ich sagen...