1 00:00:00,433 --> 00:00:14,532 Ich habe bereits betont, dass wir dieses Brot und die Konservendosen bekommen haben, wodurch viele Menschen gestorben sind. 2 00:00:14,533 --> 00:00:25,732 Die Priester haben sich sehr für die Rettung der Kranken engagiert. Ich erinnere mich an die Kohle, die sie wie Medizin verteilt haben. 3 00:00:25,733 --> 00:00:42,932 Am zweiten Tag ist bereits eine sanitäre Einheit eingetroffen, die Spritzen gegen Typhus verordnete. Nach dieser Spritze war ich noch zwei Tage lang bei Bewußtsein. 4 00:00:42,933 --> 00:00:56,566 Nach zwei Tagen erkrankte ich an Typhus und wurde ohnmächtig. Ich kann nicht mehr sagen, aber plötzlich fand ich mich im Krankenhaus, auf dem sogenannten Revier in Dachau wieder. 5 00:00:56,567 --> 00:01:06,932 Es war Flecktyphus, es war auf jeden Fall Typhus. Ich habe das Bewußtsein verloren und es war das Ende. 6 00:01:06,933 --> 00:01:24,032 Im Revier verbrachte ich etwa zwei Wochen. Sie haben mich geheilt und eines Tages musste ich mich nackt ausziehen. 7 00:01:24,033 --> 00:01:36,432 Vor dem Revier, vor diesem Krankenhaus stand ein großes Fahrzeug mit Duschen, es war eine Art Felddusche. 8 00:01:36,433 --> 00:01:49,866 Wir mussten da reingehen und uns waschen. Danach haben wir Soldatenunterwäsche bekommen. Ich habe ein Foto mit dieser Kleidung. 9 00:01:49,867 --> 00:02:03,566 Ich habe eine Uniform, eine Hose und Filzschuhe bekommen. Ich kann mich erinnern, wie Fahrzeuge angefahren kamen. 10 00:02:03,567 --> 00:02:17,999 Wir mussten in die Fahrzeuge einsteigen und fuhren weiter nach Freimann, eine Ortschaft bei München. 11 00:02:18,000 --> 00:02:33,632 Dort befand sich eine sehr große Kaserne, in der die Amerikaner ein polnisches Lager errichteten. Dort machten sie ein polnisches Lager. Es waren viele Menschen dort. 12 00:02:33,633 --> 00:02:46,199 Ich blieb dort bis August, vielleicht bis zum 12. oder dem 13. August, ich kann mich nicht so genau erinnern. Ich meldete mich gleich für den ersten Transport nach Polen. 13 00:02:46,200 --> 00:03:03,299 Während des Aufenthaltes in Freimann wurden wir ernährungsmäßig von den Amerikanern nicht besonders verwöhnt. Wir hatten ständig Hunger. Was sollten wir da machen? 14 00:03:03,300 --> 00:03:05,266 IV: Haben die Amerikaner dieses Lager geführt? 15 00:03:05,267 --> 00:03:07,066 RD: Ja, es war das Militär, das dieses Lager führte. 16 00:03:07,067 --> 00:03:08,366 IV: War es nur für die Polen? 17 00:03:08,367 --> 00:03:18,932 RD: Ja, es war nur für die Polen. Ich muss aber auch betoten, dass dort auch Priester und die zivile Verwaltung war. Wir junge Männer wurden dort etwas geschult. 18 00:03:18,933 --> 00:03:29,232 Dort erlebte ich meine Firmung durch Bischof Gawlina, der ein Militärbischof der polnischen Armee im Westen war. 19 00:03:29,233 --> 00:03:30,632 IV: Wie viele Menschen gab es in diesem Lager? 20 00:03:30,633 --> 00:03:32,999 RD: Es waren einige Tausend. 21 00:03:33,000 --> 00:03:33,532 IV: Einige Tausend. 22 00:03:33,533 --> 00:03:44,366 RD: Es war ein großes, sechsstöckiges Gebäude, von dem man die verschneiten Alpen sehen konnte. Es war sehr groß und dort wohnten Tausende Menschen. 23 00:03:44,367 --> 00:03:58,766 Wir wurden patriotisch betreut. Ich kann mich erinnern, wie am 01. August, zum ersten Jahrestag des Warschauer Aufstandes, ein Lagerfeuer veranstaltet wurde. 24 00:03:58,767 --> 00:04:04,399 Wir hatten allerdings großen Hunger und gruben die Kartoffeln auf dem Feld aus. 25 00:04:04,400 --> 00:04:06,899 IV: Gab es Zeitungen oder Ähnliches? 26 00:04:06,900 --> 00:04:06,932 RD: Nein, wir hatten nichts. 27 00:04:06,933 --> 00:04:08,266 IV: Es gab nichts. 28 00:04:08,267 --> 00:04:17,632 RD: Es war nur eine persönliche Betreuung, Schulung. Wir hatten einen Lesekreis und es gab musikalische Auftritte. 29 00:04:17,633 --> 00:04:20,866 IV: Was war die alltägliche Beschäftigung im Lager? 30 00:04:20,867 --> 00:04:26,866 RD: Wir warteten vom Frühstück auf's Mittagessen und vom Mittagessen auf's Abendessen. In der Zwischenzeit hatten wir eben diese Beschäftigung. 31 00:04:26,867 --> 00:04:41,632 Wir junge Menschen wurden in unterschiedlichen Gruppen geschult und aufgeklärt. Man klärte uns auf, dass der Krieg zu Ende ist. 32 00:04:41,633 --> 00:04:54,499 Es gab aber auch eine gewaltige Propaganda, nicht nach Polen zurückzukehren. Es wurde gewarnt, dass die Russen ins Unbekannte deportieren. 33 00:04:54,500 --> 00:04:55,432 IV. Wer hat das erzählt? 34 00:04:55,433 --> 00:05:06,366 RD. Es war eine Propaganda, es waren gewisse Menschen, die das erzählten, aber ich weiß nicht, wer sie waren. Jemand hat das verbreitet. 35 00:05:06,367 --> 00:05:18,066 Es war eine Warnung, nicht nach Polen zurückzukehren. Ich habe ein Angebot bekommen. Ich erzähle, was ich in Freimann gemacht habe. 36 00:05:18,067 --> 00:05:27,132 Dort gab es Militär und es unterhielt ein Lager. Als ich Hunger hatte, schlich ich mich unter die Soldatenreihen. 37 00:05:27,133 --> 00:05:35,199 Da ich bereits vor dem Aufstand militärisch geschult wurde, kannte ich mich in diesen Sachen aus und sie fanden Gefallen an mir. 38 00:05:35,200 --> 00:05:49,266 Ich bekam von ihnen etwas zum Essen und sie wollten mich zu ihrem Bataillon-Kind machen und nach Amerika mitnehmen. Ich erhielt dieses Angebot, aber entschied mich, nach Polen zurückzugehen. 39 00:05:49,267 --> 00:05:50,866 IV: Warum haben Sie das Angebot abgelehnt? 40 00:05:50,867 --> 00:06:10,166 RD: Ich habe bereits am Anfang erwähnt, dass ich sieben Jahre alt war, als mein Vater starb. Das Leben hat mir beigebracht, zu denken. Ich hatte kein leichtes Leben. 41 00:06:10,167 --> 00:06:24,266 Ich habe versucht, realistisch die Lage einzuschätzen. Ich konnte die Sprache nicht, gar nichts. Ich musste nach Hause zurückkehren, wobei eine patriotische Note auch eine wichtige Rolle spielte. 42 00:06:24,267 --> 00:06:31,666 Den Patriotismus sog ich mit auf, als ich in den Szare Szeregi tätig war. 43 00:06:31,667 --> 00:06:46,066 Ich habe vorher nicht erzählt, dass es bei der Schulbildung große Einschränkungen gab und man durfte nur das lernen, was die Deutschen erlaubten. 44 00:06:46,067 --> 00:06:56,832 Es gab eine Aktion, die "geheimes Lernen" hieß. In Privathäusern lernten wir in erster Linie polnische Geschichte und polnische Literatur. 45 00:06:56,833 --> 00:07:09,999 Ich kann mich erinnern, dass wir "Trilogie", "Die Kreuzritter" gelesen haben. Es war für uns eine historische Bombe. 46 00:07:10,000 --> 00:07:26,332 Ich war vom Patriotismus und vom Polentum durchdrungen und ich sah mich nicht in Amerika. Zwei ältere Jungen aus Warschau sind tatsächlich nach Amerika mitgekommen. 47 00:07:26,333 --> 00:07:35,499 Ich habe über sie erst nach der Rückkehr erfahren. Ich hatte nur noch den Gedanken, nach Hause zurückzugehen. 48 00:07:35,500 --> 00:07:37,199 IV: Wie lange waren Sie in diesem Lager? 49 00:07:37,200 --> 00:07:38,199 RD: In welchem? 50 00:07:38,200 --> 00:07:39,666 IV: In Freimann. 51 00:07:39,667 --> 00:07:43,932 RD: Ich war dort von Mai bis August, von Mai bis August. 52 00:07:43,933 --> 00:07:47,632 IV: War dort eine Schule eingerichtet? 53 00:07:47,633 --> 00:08:01,999 RD: Nein, es gab keine Schule, aber es gab verschiedene Kurse, patriotische oder historische Gesprächsrunden. Wie ich schon sagte, am 01. August hatten wir ein schönes Lagerfeuer mit Auftritten. 54 00:08:02,000 --> 00:08:15,699 Die Priester bereiteten mich auf die Firmung vor. Ich habe mir einen Firmnamen ausgesucht: Antoni. Es gab dort mehrere Veranstaltungen. 55 00:08:15,700 --> 00:08:28,832 Auf der deutschen Seite endete meine Rückkehr in Koźle. 56 00:08:28,833 --> 00:08:41,432 In Freimann wurden Viehwaggons gestellt. In den Viehwaggons waren spezielle Matratzen, wie bei der Armee, und es gab viel zum Essen. 57 00:08:41,433 --> 00:08:52,966 Ich kann mich nicht erinnern, wie lange wir gefahren sind, es war mehr als ein Tag. Wir fuhren nach Koźle, es waren deutsche Gebiete. 58 00:08:52,967 --> 00:08:56,266 IV: Wie wurden Sie in Polen begrüßt? 59 00:08:56,267 --> 00:09:06,099 RD: Jedesmal, wenn ich hierher komme, erinnere ich mich an die Durchfahrt durch Prag. Wir kamen zuerst nach Prag. 60 00:09:06,100 --> 00:09:16,932 Ich erblickte in Prag wunderbare Gebäude am Hang. Es war nichts zerstört in der Stadt. Es war für mich eine Sensation und ich war von der Schönheit der Stadt beeindruckt. 61 00:09:16,933 --> 00:09:26,132 Wir standen dort ziemlich lange. Tschechen kamen zu uns und brachten uns etwas zum Essen und zum Trinken, Brot und Tee. 62 00:09:26,133 --> 00:09:34,699 Sie wollten nicht glauben, dass wir aus einem Konzentrationslager zurückkehren. Sie hatten dieses Bewußtsein über das Lager gar nicht. 63 00:09:34,700 --> 00:09:48,166 In Koźle haben wir eine Repatriierungskarte mit einem Foto bekommen. Daran kann ich mich erinnern. 64 00:09:48,167 --> 00:10:06,566 Ich hatte sogar eine Uniform an. Wir haben jeweils 100 Złoty und gleichzeitig eine freie Fahrt in Polen unabhängig von der Entfernung und des Transportes bekommen. 65 00:10:06,567 --> 00:10:21,899 Ich kam am Hauptbahnhof in der Towarowa Straße an. Ich habe erfahren, dass in Leszno alles zerstört und niedergebrannt wurde. 66 00:10:21,900 --> 00:10:37,632 Ich bin zu meiner Großmutter und Tante gefahren. Ich fuhr abends mit einem speziellen Militärfahrzeug, alles wurde organisert. 67 00:10:37,633 --> 00:10:49,266 In Gruppen stiegen wir in diese Fahrzeuge und fuhren in verschiedene Richtungen los. Diese Fahrzeuge brachten die Leute an ihre Orte. 68 00:10:49,267 --> 00:10:58,366 Ich bin zur Großmutter und Tante gefahren, weil ihr Haus noch gestanden hat. Meine Mutter kehrte schon zurück, ein Bruder ebenfalls. 69 00:10:58,367 --> 00:11:03,332 Der jüngere Bruder wollte nicht so schnell zurückkehren, aber nach ein paar Tagen ist er auch aus Essen angekommen. 70 00:11:03,333 --> 00:11:05,966 IV: Wusste Ihre Familie, wo Sie sich befinden? 71 00:11:05,967 --> 00:11:11,499 RD: Nein, wir haben nichts voneinander gewusst. 72 00:11:11,500 --> 00:11:13,666 IV: Wie war die Reaktion, als sie Sie plötzlich gesehen haben? 73 00:11:13,667 --> 00:11:27,332 RD: Die Großmutter und die Tante haben sich sehr gefreut, als sie mich gesehen haben. Die Freude war grenzenlos, dass ich überlebt habe. 74 00:11:27,333 --> 00:11:34,699 Es war August und man musste zur Wirklichkeit zurückkehren. Alles ringsherum war niedergebrannt und zerstört. 75 00:11:34,700 --> 00:11:47,166 Die Großmutter und die Tante waren da und der Onkel kehrte auch zurück, der die ganze Kriegszeit in Sachsenhausen inhaftiert war. Er wurde schon im Dezember verhaftet, aber er kam zurück. 76 00:11:47,167 --> 00:11:55,166 Es war ein großer Aufruhr. Allerdings hatten wir wenig Platz, denn die Wohnung meiner Tante war klein. Trotzdem haben wir irgendwie gelebt. 77 00:11:55,167 --> 00:12:10,132 Es begann die Zeit des sogenannten freien Polens. Das freie Polen war allerdings nicht frei. Es war die nächste Besatzung. 78 00:12:10,133 --> 00:12:21,399 IV: Wie hat Ihre Familie die Besatzung überlebt? Wo waren Ihre Mutter, Ihre Brüder. Waren sie in Warschau? 79 00:12:21,400 --> 00:12:28,366 RD: Ja, sie waren die ganze Zeit in Warschau. Ich sagte schon, der Vater war 33 jahre alt. Wir waren drei Geschwister. 80 00:12:28,367 --> 00:12:40,732 Unsere Mutter hatte eine Strickmaschine zur Herstellung von Socken, Strümpfen und Strumpfhosen aus Wolle. Wir haben davon gelebt. Wir haben davon gelebt. 81 00:12:40,733 --> 00:12:49,532 Ich musste meine Schulbildung abbrechen, weil wir uns diese nicht leisten konnten. Ich war schon im Gymnasium. 82 00:12:49,533 --> 00:13:02,199 Erst nach dem Aufstand konnte ich es weitermachen. Die Besatzung haben wir überlebt, da wir unserer Mutter bei der Arbeit an der Strickmaschine geholfen haben. 83 00:13:02,200 --> 00:13:13,599 Wir haben die Strickwaren selbst verkauft, gingen zum Verkaufen. So waren unsere Verdienstmöglichkeiten. Wir haben uns bemüht. Aber es gab eine große Armut. 84 00:13:13,600 --> 00:13:33,166 Es war Weihnachten, wir hatten kein Geld, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Auf den Verkaufsplätzen haben wir Tannenzweige gesammelt. Es war unser Weihnachtsbaum. 85 00:13:33,167 --> 00:13:52,132 Ich hatte kein leichtes Leben, im Gegenteil. Wir alle haben entschieden, dass ich als einziger von den Geschwistern aufs Gymnasium gehen soll. Ich war dafür am besten geeignet. 86 00:13:52,133 --> 00:14:01,166 Mein älterer Bruder fing die Arbeit in einer Schreinerei an und Jurek ging noch zur Volksschule. 87 00:14:01,167 --> 00:14:10,632 Ich begann die Berufsschule, um so schnell wie möglich eine Ausbildung zum Schlosser zu absolvieren und das kleine Abitur zu machen. 88 00:14:10,633 --> 00:14:21,732 Nach diesen vier Jahren begann ich 1949 das Abendstudium und arbeitete gleichzeitig. 89 00:14:21,733 --> 00:14:26,266 Es gab dort ein Büro. Ich möchte jetzt darüber erzählen. 90 00:14:26,267 --> 00:14:39,799 Ich habe das Gymnasium beendet. Mein Onkel, der in Sachsenhausen war, bekam eine Stelle beim Militär als Leiter im Transport. 91 00:14:39,800 --> 00:14:51,032 Dort waren KFZ-Werkstätten. Ender der 1940 hatte ich bereits ein kleines Abitur und war so etwas wie ein Geselle. Für die damaligen Zeiten war es schon was. 92 00:14:51,033 --> 00:15:07,666 Auf Empfehlung von meinem Onkel meldete ich mich dort. Ich konnte die Arbeit schon am nächsten Tag beginnen. Aber die Wirklichkeit im sogenannten freien Polen war anders. 93 00:15:07,667 --> 00:15:19,066 Ich musste einen Antrag ausfüllen. Ich war mir dessen nicht bewußt und naiv und trug ein, dass ich Mitglied bei der AK, bei den Szare Szeregi, war. 94 00:15:19,067 --> 00:15:32,599 Es gab damals schon Personalabteilungen. Ich habe mich gewundert, wie die Sachbearbeiterin auf den ausgefüllten Antrag reagierte. Sie las darin von der AK. Die AK war der Systemfeind. 95 00:15:32,600 --> 00:15:43,332 Ich sollte nach zwei Tagen wieder kommen, wobei ich eigentlich schon am nächsten Tag die Arbeit beginnen sollte. Auch nach zwei Tagen gab es keine Entscheidung. 96 00:15:43,333 --> 00:15:56,132 Wieder: "Komm in zwei Tagen". Ich bin wieder gekommen, erneut ohne Antwort. Ich wohnte damals mit der Tante und dem Onkel. Die Tante fragte schließlich: "Es gibt Arbeit, dann gibt es nicht"? 97 00:15:56,133 --> 00:16:08,832 Mein Onkel ging zur Personalabteilung und fragte nach. Am Abend kam er zurück und fragte mich, "warum hast du von den Szare Szeregi, von der AK geschrieben? Es gibt keine Arbeit". 98 00:16:08,833 --> 00:16:27,032 Es war die erste Belohnung dafür, dass ich im Aufstand meinen Kopf riskiert habe. Hören Sie, ich war damals jung, ich war gerade 19, 20 Jahre alt. 99 00:16:27,033 --> 00:16:43,266 Später habe ich mir geschworen, dass ich nie Mitglied in einer Partei werden würde. Und ich war nie ein Parteimitglied. Dann ging ich zum Büro vom Werkzeugmaschinenbau. 100 00:16:43,267 --> 00:16:52,799 Herr Mirecki war dort Direktor. Ich kam zu ihm und sagte: "Herr Direktor, ich möchte bei Ihnen arbeiten, ich haben das und jenes abgeschlossen." 101 00:16:52,800 --> 00:17:08,732 "Aber ich war Mitglied bei der AK". Daraufhin antwortete er: "Das interessiert mich nicht". Es hat geklappt und ich arbeitete dort 10 Jahre. Ich studierte und bekam einen Absschluss als Ingenieur. 102 00:17:08,733 --> 00:17:22,732 1957 habe ich meinen privaten Betrieb gegründet. Frau Beata, es war nicht so einfach in der kommunistischen Zeit unter diesen Bedingungen. 103 00:17:22,733 --> 00:17:36,832 Für die Selbständigen war die Zeit nicht einfach. Aber das Leben hat mir viel beigebracht, so dass ich in meinem Leben viel gemeistert habe. 104 00:17:36,833 --> 00:17:50,099 Trotz der großen Hetze auf die Selbständigen konnte ich unter diesen Bedingungen bestehen. Ich habe meinen Betrieb erfolgreich über 40 Jahre geführt. 105 00:17:50,100 --> 00:18:05,066 Nach der Berufsschule habe ich 1952 anschließend geheiratet und arbeitete fast ein Jahr bei CBKM. 106 00:18:05,067 --> 00:18:15,632 Nach einem Jahr kam die erste Tochter zur Welt, nach sieben Jahren die zweite Tochter und wieder nach sieben Jahren die dritte. Wir haben drei Töchter. 107 00:18:15,633 --> 00:18:25,166 Es war nicht einfach, aber anscheinend lenkte mich Gottes Hand, da ich erfolgreich meinen Betrieb führen konnte. Ich bekam dafür viel Anerkennung. 108 00:18:25,167 --> 00:18:39,099 Ich konnte ein Vermögen aus diesem Betrieb anhäufen. Das Leben im Lager lehrte mich, in Wahrheit zu leben. 109 00:18:39,100 --> 00:18:50,199 In dieser späteren Wirklichkeit versuchte ich so zu agieren, um nicht zu betrügen. Ich konnte vielleicht mal weniger, mal mehr verdienen, aber nicht betrügen. 110 00:18:50,200 --> 00:19:04,732 Trotz der Hetze gegen uns Selbständigen konnte ich die ganze Geschichte überstehen. Heutzutage habe ich aus dieser Arbeit ein gewisses Vermögen. 111 00:19:04,733 --> 00:19:25,032 Die Vergangenheit, die Okkupation und die Inhaftierung im Lager waren mir eine große Lehre, in der Wahrheit zu leben und nicht zu betrügen. 112 00:19:25,033 --> 00:19:34,599 Aus diesem Grund komme ich hierher. Ich bin zwar nicht von Anfang an dabei, weil ich mit meinem Betrieb beschäftigt war. 113 00:19:34,600 --> 00:19:42,866 Ich habe sehr viel in die sozialistischen Länder exportiert. Meine Produktion hatte einen beträchtlichen Umfang. 114 00:19:42,867 --> 00:19:58,732 Als ich aber meine Selbständigkeit zu Ende brachte, meldete ich mich im Flossenbürger-Kreis, beim Vorsitzenden Szatanowski und teilte ihm meine Bereitschaft zur Teilnahme mit. 115 00:19:58,733 --> 00:20:12,099 Er hat sich sehr darüber gefreut, weil ich vorher nur meine Mitgliedsbeiträge bezahlte und wieder ging. In meinen Ausführungen möchte ich noch etwas erwähnen. 116 00:20:12,100 --> 00:20:23,166 ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Tätigkeit hier, Frau Beata, dass Sie hier so aktiv sind. 117 00:20:23,167 --> 00:20:37,566 Ich bin sehr dankbar Jörg, dass er in all diesen Jahren eine hervorragende Leistung in der Gedenkstätte vollbringt. Es ist nicht nur so dahingesagt, das sieht man wirklich. 118 00:20:37,567 --> 00:20:54,466 Ich bin Christina dankbar, die uns immer mit großer Herzlichkeit empfängt. Ich denke, dass wir die gleiche Sprache sprechen, dass wir Gefühle füreinander und eine besondere Beziehung haben. 119 00:20:54,467 --> 00:21:05,866 Im Oktober werde ich 80 Jahre alt, so dass ich sagen kann, dass ich schon etwas erlebte. Ich habe den Eindruck, dass es immer gut ist, wenn beide Seiten es gut miteinander meinen. 120 00:21:05,867 --> 00:21:10,266 Es ist so wie im Wirtschaftsleben: Wenn beide Gutes wollen, dann wird es immer gut. Auch hier ist es so. 121 00:21:10,267 --> 00:21:23,866 In meinem Interview hier möchte ich dem gesamten Team und Ihnen, Frau Beata, meinen herzlichen Dank aussprechen, dass Sie hier alles so wunderbar führen, dass sich alles so gut entwickelt. 122 00:21:23,867 --> 00:21:37,599 Ich möchte noch etwas erwähnen: Für mich als einen alten Menschen ist es besonders wichtig, sich mit der Jugend zu treffen. 123 00:21:37,600 --> 00:21:50,366 Mein Interview möchte ich mit diesem Aspekt beenden: Mit der Jugend. Jedes Jahr haben wir Begegnungen mit den Jugendlichen und wir sprechen miteinander. 124 00:21:50,367 --> 00:22:06,599 Meiner Meinung nach ist es eine sehr kluge Vorgehensweise. Ich weiß, dass es ein nicht nur finanzieller Aufwand ist, aber ich denke, dass die Jugend bei diesen Begegnungen viel erfährt. 125 00:22:06,600 --> 00:22:19,866 Aus meinen Erfahrungen und Beobachtungen kann ich auch sagen, dass die Jugend uns mit großem Interesse zuhört. 126 00:22:19,867 --> 00:22:34,066 Das große Interesse führe ich auf die gestellten Fragen und das aufmerksame Zuhören zurück. 127 00:22:34,067 --> 00:22:52,066 Diese Fragen sind oft unter verschiedenen Aspekten interessant, wie zum Beispiel die Frage, warum ich ins Lager kam. 128 00:22:52,067 --> 00:23:05,899 Ich erzählte, dass die Deutschen 1939 Polen überfallen haben, dass wir besetzt wurden und davon befreit werden wollten. 129 00:23:05,900 --> 00:23:18,766 Aufgrund der politsichen und militärischen Überlegungen der Armia Krajowa kam es zu einem Aufstand. Dieser Aufstand wird unterschiedlich bewertet. 130 00:23:18,767 --> 00:23:27,799 Ich habe daran teilgenommen, deshalb kam ich ins KZ. Einer der Jugendlichen sagte mir darauf: "Sie haben auf meinen Landsmann geschossen." 131 00:23:27,800 --> 00:23:37,799 Ich habe nicht geschossen, weil es nicht meine Aufgabe war. Ich war nur für die Verbindung und andere Aufgaben zuständig, aber ich habe nicht geschossen. 132 00:23:37,800 --> 00:23:46,166 "Aber ihr Kamerad hat geschossen." Ich sagte darauf: "Ja, er hat geschossen, weil dein Landsmann auf meinen Landsmann geschossen hat." 133 00:23:46,167 --> 00:24:02,532 Er wollte sich nicht überzeugen lassen und blieb dabei, dass ich seinen Landsmann tötete. Ein Mädchen stellte die Frage: "Sie haben all dies erlebt, aber Sie haben eine Entschädigung bekommen." 134 00:24:02,533 --> 00:24:22,766 Ich wurde sprachlos. Ich antwortete ihr: "Mädchen, verstehst du die Bedeutung des Wortes: Entschädigung? Das ist Leid und Tragödie, die wir überlebt haben. Dafür gibt es keinen Preis." 135 00:24:22,767 --> 00:24:34,232 Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf und ich fragte sie: "Wie viel verdient dein Vater?" Dabei habe ich umgerechnet drei Monatsgehälter als Entschädigung für diese neun Monate bekommen.. 136 00:24:34,233 --> 00:24:41,532 "Dann mach dir Gedanken, was sollen die Häftlinge sagen, die vier Jahre oder noch länger inhaftiert waren? Sie haben das Gleiche bekommen wie ich." 137 00:24:41,533 --> 00:24:50,099 "Deshalb benutze dieses Wort nicht, dass wir eine Wiedergutmachung bekommen haben." 138 00:24:50,100 --> 00:25:02,499 Dann gab es eine weitere interessante Frage, die mich sehr überraschte. "Ich verstehe eine Sache nicht." "Was verstehst du nicht"? 139 00:25:02,500 --> 00:25:17,899 "Sie haben in diesem Lager sehr schwer bei der Produktion für umsonst gearbeitet. Wieso war die Sterblichkeit so hoch, wieso vernichteten die Deutschen die Häftlinge?" 140 00:25:17,900 --> 00:25:25,532 Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich sagen soll. Aber ich antwortete: "Du hast eine sehr logische Frage gestellt." 141 00:25:25,533 --> 00:25:41,499 "Ich erkläre dir das, worum es ging. Für Hitler gab es überhaupt kein Problem, immer wieder neue Gruppen von Polen zu holen. 142 00:25:41,500 --> 00:25:55,832 Ich erkläre dir auch noch, was eine Razzia ist." Ich habe beschrieben, wie die Fahrzeuge ankamen und die Menschen aufluden und ins Lager brachten. 143 00:25:55,833 --> 00:26:09,066 Ein zweiter Aspekt war die Annahme, es war nicht die Annahme der Deutschen. Es ist nicht wichtig, welche Nation es ist, ob es das polnische oder deutsche Volk ist. Jedes Volk ist, wie es ist. 144 00:26:09,067 --> 00:26:19,032 "Ihr hattet dieses Unglück, dass zu dieser Zeit Hitler herrschte. Nicht das Volk hat das Ganze veranstaltet, in gewisser Weise ja, aber er hat das entfacht. Er hat es verursacht." 145 00:26:19,033 --> 00:26:31,832 Ich sage deshalb, sie wollten die Slawen ausrotten. So war die Annahme Hitlers, dass wir zum Volk der Sklaven oder zu einem schuftenden Volk werden sollten. 146 00:26:31,833 --> 00:26:39,666 Die hohe Sterblichkeit rührte auch daher, dass die Produktion so wenig wie möglich Kosten verursachen sollte. 147 00:26:39,667 --> 00:26:56,766 Es gab da noch eine Frage, die ich leider vergessen habe. Es gibt noch etwas, das ich zusammenfassen möchte. 148 00:26:56,767 --> 00:27:12,832 Die Begegnungen mit der Jugend sind sehr notwendig und sollten so lange wie möglich stattfinden. Nicht nur hier, aber auch in Polen interessiert sich die Jugend nicht besonders für Geschichte. 149 00:27:12,833 --> 00:27:21,632 Sie haben heute ein anderes Leben und leben anders als wir in unserer Jugend. Ich habe mir noch etwas bei den Begegnungen überlegt. 150 00:27:21,633 --> 00:27:33,332 Ich versuche, das alles zu erfassen und zu analysieren. Einmal kam es mir in den Sinn, wie ich den Jugendlichen die Thematik näher bringen sollte. 151 00:27:33,333 --> 00:27:42,066 Deshalb sage ich ihnen immer, wie alt ich war, als ich hier inhaftiert war. Ich war so alt, wie die Jugendlichen bei den Gesprächen. 152 00:27:42,067 --> 00:27:55,832 Und ich muss zugeben, dass es auf sie einen Eindruck macht. Ich sage zu ihnen: "Stell dir vor, du bist an meiner Stelle und erleidest das, was ich erlitten habe." 153 00:27:55,833 --> 00:28:08,332 Es war eine praktische und psychologische Erfahrung, mit dieser Jugend so zu sprechen. 154 00:28:08,333 --> 00:28:21,866 Ich sage Ihnen, Beata, ich bin sehr dankbar für alles und so lange ich es kann, so lange ich Kraft habe und bei Gesundheit bin, werde ich kommen. 155 00:28:21,867 --> 00:28:37,732 Ich werde kommen, damit wir uns treffen können und uns an das Vergangene erinnern. Ich bedanke mich sehr dafür. Wenn Sie noch Fragen haben, dann bitte. 156 00:28:37,733 --> 00:28:46,999 IV: Haben Sie mit ihrer Familie über die Lagererfahrungen gesprochen? Haben Sie mit Ihrer Frau oder den Kindern darüber geredet? 157 00:28:47,000 --> 00:29:01,866 RD: Mit meiner Frau habe ich viel geredet. Ich muss aber auch zugeben, dass in den ersten fünfzehn Jahren nach Kriegsende, 158 00:29:01,867 --> 00:29:13,099 in den ersten Jahren haben wir wenig über den Aufstand gesprochen, denn es war ein Tabuthema. Es hat sozusagen auch zu Hause nicht existiert. 159 00:29:13,100 --> 00:29:28,432 Als ich dann geheiratet habe, habe ich mit meiner Frau darüber gesprochen, weil sie sich dafür interessierte. Meine Kinder wissen mehr oder weniger, aber sie haben ihr Leben. 160 00:29:28,433 --> 00:29:42,432 Sie haben ihre Interessen. Manchmal überlege ich mir, da ich mit meinen Kindern darüber spreche, und wenn ich sie anschaue, 161 00:29:42,433 --> 00:29:57,899 dann denke ich mir, dass sie mir das Erzählte nicht glauben. Zwar sagen sie nicht offen, dass es nicht so war, aber sie versuchen es zu relativieren. Sie haben jetzt ihr Leben. 162 00:29:57,900 --> 00:30:12,299 Wenn Sie mich danach fragen, dann rede ich nicht viel mit ihnen. Vielleicht jetzt, wo sie alle erwachsen sind und ihre Kinder haben, meine Enkelkinder, 163 00:30:12,300 --> 00:30:23,566 vielleicht gibt es dann mehr Gespräche, aber wir tauschen uns wenig aus. 164 00:30:23,567 --> 00:30:41,866 Eins ist für mich Prinzipsache: Zu Hause darf man kein, auch nicht ein altes, Brot wegwerfen. Ich sammle es oder so, aber ich werfe es nicht weg. Brot ist für mich von großem Wert. 165 00:30:41,867 --> 00:30:50,132 Zum Schluss habe ich noch einen Gedanken, Frau Dorota. Wenn ich hierherkomme und diese Erde und den Appellplatz sehe, dann ist es für mich wie ein Heiligtum. 166 00:30:50,133 --> 00:31:00,366 Mir kommt es vor, als würde ich in einen Tempel kommen, zu etwas, was ich überlebte und was ich wiedersehe. 167 00:31:00,367 --> 00:31:07,499 Eines Tages habe ich hier auf diesem Weg drei Pilze gefunden. 168 00:31:07,500 --> 00:31:23,466 Einmal sind wir mit der Ola an den Badeweiher hinuntergefahren. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich dort baden würde. Das heißt, dass es Veränderungen gibt und die Jahre vergehen. 169 00:31:23,467 --> 00:31:36,099 Für mich ist es eine große Ehre, hierherzukommen, es zu erleben. Ich werde wiederkommen. Soll ich noch etwas erzählen? 170 00:31:36,100 --> 00:31:39,999 IV: Ich danke Ihnen für das Interview. 171 00:31:40,000 --> 00:31:47,567 CM: Danke schön.