1 00:00:02,000 --> 00:00:04,999 JK: Lena, woher kannst du die russische Sprache? 2 00:00:05,000 --> 00:00:05,999 IV: Ich bin Russin. 3 00:00:06,000 --> 00:00:07,999 JK: Russin? Warst du auch im Lager? {lächt} 4 00:00:08,000 --> 00:00:11,999 IV: Nein. 5 00:00:12,000 --> 00:00:19,999 IV: Nein. Ich komme aus Moskau. 6 00:00:20,000 --> 00:00:21,999 Sie haben gesagt, Sie haben in den Steinbrüchen gearbeitet. 7 00:00:22,000 --> 00:00:23,999 JK: Ja 8 00:00:24,000 --> 00:00:25,999 IV: …und in der Fabrik … 9 00:00:26,000 --> 00:00:34,999 JK: Und in der Fabrik haben wir gearbeitet... Ich habe als Schlosser gearbeitet, dann wurde ich Dreher - ich wurde einem Meister zugeteilt, und ich habe dort ... 10 00:00:35,000 --> 00:00:40,999 So... Mehr Ausschuss gemacht als Nutzen gebracht. 11 00:00:41,000 --> 00:00:42,999 IV: Und wo befanden sich diese Steinbrüche? 12 00:00:43,000 --> 00:00:49,999 JK: Wie? Nein, da haben wir schon nur in der Fabrik gearbeitet. {gestikuliert} Dort war schon speziell ein Lager aufgebaut. 13 00:00:50,000 --> 00:00:57,999 Aus der Fabrik führte ein Korridor {gestikuliert} - wir wurden da durch geführt, und am Morgen früh wieder zur Fabrik. 14 00:00:58,000 --> 00:01:32,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 15 00:01:33,000 --> 00:01:36,999 IV: Hatten Sie Kontakte mit irgendeiner lokalen Bevölkerung? Mit irgendwelchen anderen Arbeitern? 16 00:01:37,000 --> 00:01:38,999 JK: Nein, nein. {schüttelt den Kopf} 17 00:01:39,000 --> 00:01:44,999 JK: Es gab welche in der Fabrik. Ein Meister hat mit mir gearbeitet, wir haben mit ihm gesprochen. 18 00:01:45,000 --> 00:01:54,999 Manchmal hat er das Brot gebracht, manchmal hat er eine Zigarette zu rauchen gegeben, und so war es nicht mit anderen, nur mit dem Meister, dem ich zugeteilt wurde. 19 00:01:55,000 --> 00:02:03,999 JK: Er hat auf mich schon aufgepasst. SS-Leute sind gekommen um zu überprüfen, haben ihn gefragt, wie der Russe arbeitet, so war es… 20 00:02:04,000 --> 00:02:47,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 21 00:02:48,000 --> 00:02:51,999 IV: Sie sind wahrscheinlich vom Lager zur Arbeit zu Fuß gegangen? 22 00:02:52,000 --> 00:02:52,999 JK: Zu Fuß {nickt} 23 00:02:53,000 --> 00:02:55,999 IV: Gab es irgendwelche..? Haben Sie die lokale Bevölkerung gesehen, konnten Sie sie sehen? 24 00:02:56,000 --> 00:02:57,999 JK: Nein, nein. {schüttelt mit dem Kopf} 25 00:02:58,000 --> 00:02:59,999 IV: Haben Sie überhaupt keine gesehen? Sind Sie den Weg gegangen {unverständlich}? 26 00:03:00,000 --> 00:03:00,999 JK: Nein, nein. {schüttelt den Kopf}, es gab keine, nein. 27 00:03:01,000 --> 00:03:10,999 JK: Sie waren dort im Steinbruch, auch die Meister waren dort, die Deutschen, so, und ansonsten hatten wir keine Kontakte mit ihnen. 28 00:03:11,000 --> 00:03:13,999 Ich sage doch, das war nur bei der Arbeit hier, in der Fabrik. 29 00:03:14,000 --> 00:03:23,999 Einige Meister waren sehr gut. Sie haben damals schon selber daran geglaubt, dass Hitler kaputt ist, bereits 1945 ... 30 00:03:24,000 --> 00:03:29,999 Ende 1944 - 1945. Sie haben daran geglaubt, besonders nach der Schlacht von Stalingrad. 31 00:03:30,000 --> 00:03:38,999 Die Stimmung der Deutschen {schüttelt den Kopf} mmm ... der freien Arbeiter war sehr trübselig. 32 00:03:39,000 --> 00:03:45,999 Sie sahen das Heranrücken der Zerschlagung der Hitler-Armee. 33 00:03:46,000 --> 00:03:51,999 Wir haben nur mit dem Meister gesprochen. Nun, manchmal haben wir anderen Meistern zugehört. 34 00:03:52,000 --> 00:03:53,999 Sie haben gesagt, dass sie in letzter Zeit unzufrieden waren. 35 00:03:54,000 --> 00:04:00,999 Sie haben geglaubt, dass es schon bald kaputt sein wird. 36 00:04:01,000 --> 00:04:35,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 37 00:04:36,000 --> 00:04:38,999 IV: Gab es Fluchtversuche aus dem Lager? 38 00:04:39,000 --> 00:04:39,999 JK: Es gab welche. 39 00:04:40,000 --> 00:04:40,999 IV: Haben Sie über solche Versuche etwas gehört? 40 00:04:41,000 --> 00:04:42,999 JK: Es gab welche. 41 00:04:43,000 --> 00:04:45,999 IV: Hat jemand versucht zu streiken, einen Widerstand zu leisten? 42 00:04:46,000 --> 00:04:57,999 JK: Nein. Die Deutschen, bei ihnen wurden auch operative Maßnahmen durchgeführt. Sie wussten, wer etwas versucht, welche Gerüchte es gibt. 43 00:04:58,000 --> 00:05:09,999 Falls es ihnen bekannt wurde, dass eine Flucht geplant wird, haben sie das aufgeklärt {gestikuliert}. Und ca. zehn Menschen wurden gleich hier im Lager, vor allem in der Fabrik, sofort vor uns erschossen. 44 00:05:10,000 --> 00:05:14,999 Und man schreibt äh... «Für die Flucht», «Für die Flucht». 45 00:05:15,000 --> 00:05:17,999 IV: Schon bevor die Flucht begangen wurde? 46 00:05:18,000 --> 00:05:24,999 JK: Ja. Ja, weil entweder manche viel geplaudert haben, {räuspert sich} einige Gefangenen. 47 00:05:25,000 --> 00:05:29,999 Oder einige hatten diese Pläne, eine Flucht zu begehen. 48 00:05:30,000 --> 00:05:34,999 So. Ich muss sagen, dass es die Fluchten gab. Es gab sie. 49 00:05:35,000 --> 00:05:35,999 IV: Und wem ist es gelungen zu fliehen? 50 00:05:36,000 --> 00:05:36,999 JK: Äh? 51 00:05:37,000 --> 00:05:37,999 IV: Hat es geklappt? 52 00:05:38,000 --> 00:05:40,999 JK: Es hat geklappt, aber sie wurden gefangen. 53 00:05:41,000 --> 00:05:45,999 Sie wurden ins Lager zurück gebracht und sie wurden sofort entweder erschossen oder aufgehängt {zeigt eine Leine mit den Gesten}. 54 00:05:46,000 --> 00:06:26,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 55 00:06:27,000 --> 00:06:34,999 IV: Wenn Sie sich an Ihre Zeit im Lager in Flossenbürg erinnern, was war das Schrecklichste, das Ihnen in Erinnerung kommt, was hier passierte? 56 00:06:35,000 --> 00:06:42,999 Oder vielleicht andere Ereignisse, an die Sie sich am häufigsten erinnern? Schrecklich oder weniger schrecklich... Was ist für Sie … 57 00:06:43,000 --> 00:06:51,999 JK: In Flossenbürg, ja... So, ich erinnere mich an die schrecklichen..., die hier waren... mmm ... 58 00:06:52,000 --> 00:07:04,999 Die Gefangenen haben in der Küche gearbeitet. So, und wahrscheinlich haben sie über die Vorbereitung einer Flucht miteinander gesprochen. 59 00:07:05,000 --> 00:07:11,999 Und einer dieser Gefangenen hat die Deutschen darüber informiert. 60 00:07:12,000 --> 00:07:26,999 Und diese 12 Menschen, fast alle Arbeiter dieser Küche, wurden sofort vor unseren Augen, alle wurden erschossen. 61 00:07:27,000 --> 00:07:38,999 Daran erinnere ich mich. Dann, ich erinnere mich noch ... Besonders mmm... in diesem... in Dora. 62 00:07:39,000 --> 00:07:47,999 Dort war die Arbeit auch sehr schwer... Und schlechtes Essen. Und etwa zwei Tage wurde uns gar kein Essen gegeben. 63 00:07:48,000 --> 00:08:02,999 So, die Gefangenen begannen, ihre Unzufriedenheit zu zeigen. Und dort hat man auch 20 Menschen sofort erschossen. 64 00:08:03,000 --> 00:08:09,999 So, solche Schrecken gab es. Und ich kann mich an keine guten Sachen erinnern {schüttelt den Kopf}. 65 00:08:10,000 --> 00:08:24,999 Gut war es in keinem Lager. Es war wahrscheinlich speziell eine solche Politik von Hitler und seinen Anhängern, all diese Gefangenen zu zerstören. 66 00:08:25,000 --> 00:08:38,999 Essen brauchen sie nicht. Und durch den Hunger, durch die harte physische Arbeit, durch die Erschöpfung haben sie die Vernichtung und den Tod von Gefangenen erreicht. 67 00:08:39,000 --> 00:08:41,999 Das ist, was man dazu sagen kann. 68 00:08:42,000 --> 00:09:29,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 69 00:09:30,000 --> 00:09:38,999 IV: Viele Menschen starben während des Lebens im Lager, starben an Krankheiten, an der Arbeit und so weiter. 70 00:09:39,000 --> 00:09:42,999 Und was denken Sie, warum Sie... Wie haben Sie überlebt, wie haben Sie das geschafft zu überleben? Was...? 71 00:09:43,000 --> 00:10:04,999 JK: Verstehen Sie, warum... ich ... äh ... In Russland bin ich ohne Vater gewachsen, ohne Mutter, in einem Waisenhaus, deswegen hatte ich dort ein sehr schwieriges, hartes Leben. 72 00:10:05,000 --> 00:10:15,999 So. Und ich musste sehr viel nach Momenten suchen, um irgendwie mein Leben zu retten, 73 00:10:16,000 --> 00:10:20,999 mich auf große Schwierigkeiten vorzubereiten. Das hat mich gezwungen. 74 00:10:21,000 --> 00:10:30,999 Und hier. Es gab hier einige Gefangene, die Zigarettenstummel aufgeklaubt haben, wenn SS-Leite sie weggeworfen haben. 75 00:10:31,000 --> 00:10:38,999 Und dann kamen sie in die Baracke und haben ihre Brotscheibe verkauft {zieht den Finger} – uns hat man so wenig gegeben – 76 00:10:39,000 --> 00:10:42,999 und sie haben das verkauft, um diese Zigarettenstummelchen zu nehmen und zu rauchen. 77 00:10:43,000 --> 00:11:00,999 Ich habe es mir nicht erlaubt... Das habe ich nicht getan. Alles, was mir gegeben wurde, und manchmal habe ich irgendwo was gestohlen, um ein bisschen meine Gier so ... äh ... zu beruhigen. 78 00:11:01,000 --> 00:11:11,999 Das hat mir gegeben… mmm ... die Willenskraft doch zu überleben. Überleben … 79 00:11:12,000 --> 00:11:22,999 Und ich habe nie gesessen, nie gelegen, ich hab auch hier meine Morgengymnastik gemacht, dort in der Fabrik, das heißt, äh ... 80 00:11:23,000 --> 00:11:32,999 Meine Gedanken haben so gearbeitet – auch unter diesen Bedingungen ist es notwendig zu überleben. Wir müssen nach Hause zurückkehren. 81 00:11:33,000 --> 00:11:39,999 Wir müssen alles machen, um äh... da waren alle noch jung, um noch ein wenig zu leben. 82 00:11:40,000 --> 00:11:57,999 Wahrscheinend waren diese Willenskraft und dieses Streben, unter allen Bedingungen, Schwierigkeiten zu überleben irgendwie mmm... gut ... gut ... gnädig zu meinem Schicksal, zu meinem Leben. 83 00:11:58,000 --> 00:12:06,999 Sie haben mich behütet. So, vermutlich. Nur das letzte Mal haben sie mich nicht geschützt, als ich erschossen wurde, aber auch dann habe ich überlebt {lächelt}. 84 00:12:07,000 --> 00:12:14,999 Wie gesagt, keine Kugel, nichts hat mich getroffen, weil ich leben wollte. Ich wollte wirklich leben. 85 00:12:15,000 --> 00:12:24,999 Vielleicht ist es so ein innerer Wunsch, alles zu ertragen und zu überleben. Zu überleben, zurückzukehren. 86 00:12:25,000 --> 00:12:35,999 Nach Hause. Es war sehr schwer ohne Heimat. So. Was kann ich noch sagen? {lacht}. 87 00:12:36,000 --> 00:13:35,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 88 00:13:36,000 --> 00:13:40,999 IV: Welche Verhältnisse hatten Sie mit anderen… 89 00:13:41,000 --> 00:13:41,999 JK: Häftlingen? 90 00:13:42,000 --> 00:13:44,999 IV: Häftlingen, ja. Sie {unverständlich} Freundschaft oder war es… 91 00:13:45,000 --> 00:13:46,999 JK: Nein. 92 00:13:47,000 --> 00:13:47,999 IV: Ein Kampf ums Dasein … 93 00:13:48,000 --> 00:13:52,999 JK: Nein, es gab kein Gezerre zwischen den Gefangenen. Es gab kein. 94 00:13:53,000 --> 00:14:00,999 Naja, vielleicht hat jemand etwas Essen gestohlen, jemand hat etwas ... So ... Das Leben hat uns gezwungen das zu machen. 95 00:14:01,000 --> 00:14:11,999 Aber, eine äh... körperliche Gewalt der Gefangene gegen Gefangene – so etwas gab es nicht, außer mit den Deutschen, die äh ... 96 00:14:12,000 --> 00:14:19,999 die Deutschen, die als Barackenälteste eingesetzt waren, diese Kapos - diese haben die Gefangenen misshandelt. 97 00:14:20,000 --> 00:14:29,999 Ansonsten waren alle gleich, weil hier sowohl Franzosen als auch Polen und Italiener und Rumänen und Jugoslawen und Russland 98 00:14:30,000 --> 00:14:34,999 und die Ukraine und viele andere waren, auch Engländer gab es. 99 00:14:35,000 --> 00:14:44,999 Und wir haben uns irgendwie gegenseitig respektiert, weil die Bedingungen gleich sind, so, 100 00:14:45,000 --> 00:14:55,999 die Bestrebungen aller Gefangenen waren, wie gesagt, bis zum Sieg am Leben zu bleiben, nach Hause zurückzukehren. So. 101 00:14:56,000 --> 00:15:45,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 102 00:15:46,000 --> 00:15:50,999 IV: Können Sie sich daran erinnern, als Sie im Lager Flossenbürg angekommen sind.. 103 00:15:51,000 --> 00:15:55,999 Wie wurden Sie hier aufgenommen, wie wurden Sie auf die Baracken verteilt? Wie ist das alles passiert? 104 00:15:56,000 --> 00:15:57,999 JK: Ich erinnere mich daran, ich erinnere. {nickt mit dem Kopf} 105 00:15:58,000 --> 00:15:58,999 IV: Könnten Sie das erzählen? 106 00:15:59,000 --> 00:16:10,999 JK: Ich erinnere mich dran. Ich bin gekommen, aus Dora hat man uns gebracht. Es gab etwa 50 Menschen. Man hat uns gebracht… {gestikuliert} 107 00:16:11,000 --> 00:16:18,999 Es gab dort einen Kontrollpunkt, wo die Deutschen, die SS-Leute standen, dort gab es einen solchen Stall. 108 00:16:19,000 --> 00:16:30,999 Wir wurden in diesen Stall gebracht, geschlagen, so, man hat die Hunde auf uns gehetzt. 109 00:16:31,000 --> 00:16:44,999 So, das heißt, sie haben uns klargemacht äh..., dass {droht mit dem Finger} Unfug treiben hier verboten ist, dass man hier vernichtet werden kann. 110 00:16:45,000 --> 00:16:55,999 Dann wurden wir ins Häftlingsbad gebracht. Alle alten Kleidungen wurden weggenommen, wir wurden ins Bad gebracht. 111 00:16:56,000 --> 00:17:07,999 Im Bad gab es entweder nur eine kalte Dusche, dann ließ man uns durchlaufen {gestikuliert}: "Komm schon, komm schon, schneller!". So. Oder nur heiße. 112 00:17:08,000 --> 00:17:18,999 Und so haben sie uns misshandelt. Und sofort hat man uns ins Bad gebracht, alle haarigen Teile geschnitten {gestikuliert}, 113 00:17:19,000 --> 00:17:24,999 und uns weitergeschickt, auf die Baracken verteilt. 114 00:17:25,000 --> 00:17:30,999 So. Man muss noch sagen, dass es einen solchen Empfang in jedem Lager gab. 115 00:17:31,000 --> 00:17:42,999 Bevor wir das Lager betraten, wurden wir stark geschlagen, misshandelt {unverständlich}, und dann äh… ließen sie uns ins Lager gehen. 116 00:17:43,000 --> 00:18:36,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 117 00:18:37,000 --> 00:18:39,999 IV: Die Deutschen versuchten die Menschen körperlich zu vernichten. 118 00:18:40,000 --> 00:18:40,999 JK: Ja. 119 00:18:41,000 --> 00:18:47,999 IV: Die Häftlinge körperlich zu vernichten. Aber wie denken Sie, versuchten sie Sie auch geistig zu vernichten? {unverständlich} 120 00:18:48,000 --> 00:19:00,999 JK: Es gab die Versuche geistig zu…, das heißt, sie haben irgendwelche Medikamente injiziert, und der Mensch war zuerst in Ordnung, naja ein bisschen erkrankt, und nach zwei oder drei Tagen stirbt er. 121 00:19:01,000 --> 00:19:07,999 Zwei-drei - stirbt. Dann gab es schon Gerüchte, dass sie irgendwelche Gase getestet hätten. 122 00:19:08,000 --> 00:19:15,999 Es ist Flossenbürg, es ist Groß Rosen, es ist Majdanek, es ist in diesem ... Dora. 123 00:19:16,000 --> 00:19:26,999 Es gab solche äh... Gründe ... Ob sie Untersuchungen durchgeführt haben, oder ob es nötig war, das wussten wir doch nicht. 124 00:19:27,000 --> 00:19:33,999 Wir wussten nur, dass ein Mensch zur Arbeit einigermaßen gesund gegangen ist, dann ein bisschen krank geworden ist und in zwei, drei Tagen gestorben ist. 125 00:19:34,000 --> 00:19:41,999 Man hat ihn schon auf den Berg getragen, in die Gaskammer. Ich meine in diesen… In den Ofen. 126 00:19:42,000 --> 00:19:43,999 IV: Und die moralischen Demütigungen? 127 00:19:44,000 --> 00:19:59,999 JK: Die gab es die ganze Zeit. Verstehen Sie, hier ist eine Baracke - dann kommt ein Kapo, hier gehst du ... äh... auf die Toilette, und plötzlich triffst du den Kapo. 128 00:20:00,000 --> 00:20:06,999 Für nichts, einfach so schlägt er dich, tritt dich mit Füßen {zeigt die Schläge mit Gesten}, so, so. 129 00:20:07,000 --> 00:20:10,999 Für nichts. Entweder hat er irgendwo Spucke gesehen oder so etwas... 130 00:20:11,000 --> 00:20:17,999 Moralisch haben sie uns sehr stark getötet. Sehr getötet. 131 00:20:18,000 --> 00:20:25,999 Denn körperliche Gewalt ist eine Sache, und moralische ist eine andere. Moralisch ist was anderes. 132 00:20:26,000 --> 00:20:32,999 Und meistens, waren diese äh... Kapo, Kapo - diese Gefangenen, die von den Deutschen eingesetzt wurden, 133 00:20:33,000 --> 00:20:42,999 um die Ordnung in Baracken und auf dem Feld und während der Kontrolle herzustellen, so… 134 00:20:43,000 --> 00:20:56,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 135 00:20:57,000 --> 00:21:06,999 JK: Und, Lena. Und jemand, ein Kapo, führt die ganze Baracke nach der Arbeit auf die Straße, und hier fängt es an 136 00:21:07,000 --> 00:21:12,999 {gestikuliert} «Mütze auf, Mütze ab, Mütze auf, Mütze ab, bück dich, wieder bück dich». 137 00:21:13,000 --> 00:21:19,999 Und so sind die Menschen schon kaum lebendig, aber sie sind moralisch noch, mehr… 138 00:21:20,000 --> 00:21:24,999 Sie misshandeln weiter… Solche Fälle, sehr viele, sehr oft war es so. 139 00:21:25,000 --> 00:21:40,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 140 00:21:41,000 --> 00:21:46,999 IV: Und was gab Ihnen eine Hoffnung auf die Zukunft? Was war es? 141 00:21:47,000 --> 00:21:57,999 JK: Ich muss sagen, dass es sehr wenig Hoffnung gab. Wir alle wussten, dass wir alle vernichtet werden, 142 00:21:58,000 --> 00:22:09,999 weil Informationen schon durchgesickert sind, dass Hitler mit Göring oder mit wem, einen Befehl ausgegeben hat, 143 00:22:10,000 --> 00:22:16,999 alle äh… Gefangenen der faschistischen Lager zu vernichten. 144 00:22:17,000 --> 00:22:28,999 Essen gibt es nicht und man muss die Häftlinge auch nicht verpflegen. Am längsten sollte man im Lager nicht mehr als sechs Monate leben, nicht länger. 145 00:22:29,000 --> 00:22:35,999 So haben sie das gemacht. Und haben das gemacht. Sie haben vernichtet. 146 00:22:36,000 --> 00:22:38,999 IV: Gab es überhaupt etwas, auf das man hoffen könnte? 147 00:22:39,000 --> 00:22:42,999 Nur eine Sache wahrscheinlich, die etwas Hoffnung gab? 148 00:22:43,000 --> 00:22:48,999 JK: Lena, die Hoffnung kam, weißt du schon in welchem Jahr? 1943. 149 00:22:49,000 --> 00:22:57,999 Nach der Niederlage der Deutschen in Stalingrad, in der Nähe von Kursk, als hier die Deutschen selber bereits angefangen haben zu sprechen, 150 00:22:58,000 --> 00:23:03,999 dass Hitler kaputt sei, dass die Deutschen zurückwichen, dass die Russen kämen. 151 00:23:04,000 --> 00:23:09,999 Hier schon, nach Stalingrad haben unsere Russen begonnen heranzurücken, heranzurücken {gestikuliert}, 152 00:23:10,000 --> 00:23:18,999 und wegzutreiben, und wegzutreiben, und sie trieben die Deutschen vor sich her, bis sie im Jahr 1945 am 9. Mai besiegt wurden. So. 153 00:23:19,000 --> 00:23:34,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 154 00:23:35,000 --> 00:23:37,999 JK: Hier gab es schon etwas Hoffnung. 155 00:23:38,000 --> 00:23:47,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 156 00:23:48,000 --> 00:23:53,999 JK: Und dann 1944 haben die Engländer und Amerikaner die zweite Front geöffnet. 157 00:23:54,000 --> 00:24:01,999 Sie sind durchgesickert, um es zu beschleunigen, die ... äh.... Hitlers Niederlage. 158 00:24:02,000 --> 00:24:04,999 Weil sowohl sie aus dem Westen als auch unsere vom Osten kamen. 159 00:24:05,000 --> 00:24:10,999 Hier ist schon eine kleine Hoffnung aufgeflackert, aber trotzdem haben wir gedacht {winkt mit der Hand}… 160 00:24:11,000 --> 00:24:17,999 Sie lassen uns nicht gehen, vernichten uns. Aber die Hoffnung war schon, die Hoffnung war da. 161 00:24:18,000 --> 00:25:05,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin} 162 00:25:06,000 --> 00:25:08,999 IV: Erinnern Sie sich an Ihre letzten Tage in Flossenbürg? 163 00:25:09,000 --> 00:25:15,999 Könnten Sie Ihre letzten Tage in diesem Lager beschreiben, bevor sie herausgetrieben wurden? 164 00:25:16,000 --> 00:25:23,999 JK: So. Das letzte, an das ich mich erinnere … {gestikuliert} äh... dort im Lager, wo wir in der Fabrik gearbeitet haben. 165 00:25:24,000 --> 00:25:36,999 Das, dass es unter den deutschen Arbeitern eine unnormale Stimmung entstanden ist. 166 00:25:37,000 --> 00:25:44,999 Sie fingen an sich zu gruppieren und zu besprechen, dass das Ende der Deutschen schon bald ist, Hitler bald kaputt sei. 167 00:25:45,000 --> 00:25:54,999 Verstehen Sie? Das hat sozusagen unsere Ohren erreicht. 168 00:25:55,000 --> 00:26:10,999 Und mmm… Es gab uns, wie man sagt, so… äm… gab, gab uns… Was gab es? Es gab uns Vertrauen. 169 00:26:11,000 --> 00:26:22,999 Ein Vertrauen, dass das Ende des Krieges trotzdem kommt. Dass das Ende des Krieges schon nah ist. 170 00:26:23,000 --> 00:26:32,999 Dass die Deutschen besiegt sind, Hitler, besonders nach dem Attentat auf Hitler... 171 00:26:33,000 --> 00:26:39,999 Hier unter den Deutschen gab es Gerüchte, und unter den SS-Leuten -das kam uns zu Ohren- 172 00:26:40,000 --> 00:26:45,999 und unter diesen Kapos, denen die SS-Leute vertrauten… 173 00:26:46,000 --> 00:26:51,999 Es wurden Gerüchte laut, dass alles zu Ende geht, alles zu Ende geht. 174 00:26:52,000 --> 00:27:03,999 {zeigt mit dem Finger} Und solche Meinungen sind durchgesickert, dass man alle Lager, alle Konzentrationslager bald vernichten muss. 175 00:27:04,000 --> 00:27:08,999 Alle müssen vernichtet werden. Damit sie nicht äh... den Russen in die Hände fallen. 176 00:27:09,000 --> 00:27:15,999 Um später für sie, wie gesagt, weniger Verantwortungen zu tragen. 177 00:27:16,000 --> 00:27:17,999 IV: Und bei Ihnen? Wurde beschlossen, Sie von dort dann… 178 00:27:18,000 --> 00:27:19,999 JK: Äh? 179 00:27:20,000 --> 00:27:23,999 IV: Sie haben gesagt, dass Sie von dort nach Pilsen gebracht wurden? 180 00:27:24,000 --> 00:27:30,999 JK: Ja, wir wurden in Richtung Osten in die Tschechoslowakei geschickt {gestikuliert}. 181 00:27:31,000 --> 00:27:37,999 Nach Pilsen, in der Nähe von Pilsen. Sie haben uns geführt, ich weiß nicht, wie viele Kilometer es sind, 182 00:27:38,000 --> 00:27:40,999 aber wir wurden wahrscheinlich ungefähr fünf Tage geführt. 183 00:27:41,000 --> 00:27:44,999 Wir gingen sowohl in der Nacht als auch am Tag, wir wurden nicht verpflegt. 184 00:27:45,000 --> 00:27:51,999 Und wir hatten das Gefühl, dass es etwas gibt, etwas, es sollte ein Befehl sein. 185 00:27:52,000 --> 00:28:00,999 So, entweder uns zu vernichten oder freizulassen, aber auf Frei ... auf das, dass wir freigelassen werden, darauf gab es wenig Hoffnung. 186 00:28:01,000 --> 00:28:10,999 So. Und am 29. April 1945 wurde ich zum zweiten Mal geboren. 187 00:28:11,000 --> 00:28:22,999 Zum zweiten Mal. Sie haben geschossen, aber nicht totgeschossen. Vielleicht hat mir Gott geholfen. So {lacht}. 188 00:28:23,000 --> 00:29:01,999 {Undeutlich. Gespräch zwischen dem Kameramann und der Dolmetscherin}. 189 00:29:02,000 --> 00:29:07,999 IV: Möchten Sie vielleicht mehr darüber erzählen, wie Sie erschossen wurden? 190 00:29:08,000 --> 00:29:10,999 JK: Kann ich erzählen, warum nicht. 191 00:29:11,000 --> 00:29:19,999 JK: Also, wir wurden, ich sage schon, drei oder vier Tage oder vielleicht fünf geführt. Wurden nicht verpflegt. 192 00:29:20,000 --> 00:29:28,999 Einmal am Tag gab man uns einen runden Brotlaib {zeigt mit den Gesten, wie man das Brot teilt} für sechs Personen, und das war's. 193 00:29:29,000 --> 00:29:35,999 Und am letzten Tag, als man uns erschießen sollte, sagte man, als wir in den Wald geführt wurden, 194 00:29:36,000 --> 00:29:45,999 sagte man, dass eine warme Mahlzeit zu Mittag gebracht werden wird, dass eine Feldküche kommt und uns Essen gegeben wird. 195 00:29:46,000 --> 00:29:56,999 So… So hat man gesagt, und dann sehen wir, dass sie etwas anfangen ... 196 00:29:57,000 --> 00:30:01,999 Erstens ist die Anzahl der SS-Leute gestiegen. 197 00:30:02,000 --> 00:30:11,999 Sie kamen irgendwoher aus dem Wald {unverständlich}, um uns zu begleiten ... Und sie haben angefangen äh, 198 00:30:12,000 --> 00:30:15,999 uns nach Nationalität in Reihen aufzustellen. 199 00:30:16,000 --> 00:30:25,999 Vorne standen Polen {gestikuliert}, weiter Rumänen, weiter Italiener, ein Teil der Italiener, und andere. 200 00:30:26,000 --> 00:30:40,999 Und dieser Teil ist nach vorne gegangen, und jene hier – Russen, Jugoslawen, italienische Partisanen, ein Teil der Franzosen - und die ganze Zeit äh ... 201 00:30:41,000 --> 00:30:45,999 "schnell, schnell“ und „ruhig, ruhig". 202 00:30:46,000 --> 00:30:56,999 Und einige sind schon weggegangen, die sieht man nicht mehr... Und wir wurden in den Wald {gestikuliert} gebracht, so eine Schlucht war dort. 203 00:30:57,000 --> 00:31:03,999 So. Wir wurden in diese Schlucht gebracht, angeblich um dort verpflegt zu werden. So. 204 00:31:04,000 --> 00:31:16,999 Na dorthin wurden wir gebracht, dort haben wir uns niedergelassen, und plötzlich wurde oben von dieser Schlucht auf uns gefeuert, so, Sturmgewehre, Maschinengewehre… 205 00:31:17,000 --> 00:31:23,999 Maschinell und manuell, und sie haben angefangen uns zu erschießen. So. 206 00:31:24,000 --> 00:31:33,999 Und wir dachten in dieser Situation: "Man muss irgendwie fliehen". Doch wohin fliehen, wenn von allen Seiten die Kugeln fliegen? 207 00:31:34,000 --> 00:31:41,999 So. Ich habe daran gerade gedacht, und mir ist eine Kugel {zeigt auf den Hals} eingedrungen, und wieder rausgeflogen, ich bin gefallen und das war´s. 208 00:31:42,000 --> 00:31:44,999 Ich erinnere mich an nichts mehr. 209 00:31:45,000 --> 00:31:52,999 Nur am zweiten Tag hier, irgendwo bei den Zivilisten mmm... 210 00:31:53,000 --> 00:32:01,999 So, in irgendeiner, wissen sie, Baracke ... So, es war Stroh herum, und dort waren ein Paar Männer aus Tschechien. 211 00:32:02,000 --> 00:32:06,999 Ich wachte auf: "Wo bin ich?". So, sie erzählen, dass es so und so war. 212 00:32:07,000 --> 00:32:15,999 "Sie wurden erschossen, {zeigt auf den Hals} Sie sind schwer verletzt, wir haben Sie ein bisschen hier {zeigt aufs Gesicht}... die Wunden, 213 00:32:16,000 --> 00:32:21,999 wie gesagt, behandelt, verbunden. Morgen werden wir Sie ins Krankenhaus bringen." 214 00:32:22,000 --> 00:32:31,999 Und warum ins Krankenhaus, weil die Deutschen bereits zurückgewichen sind … von diesem, von Pilsen. {gestikuliert} Aber auch die Amerikaner waren noch nicht da. 215 00:32:32,000 --> 00:32:35,999 Verstehen Sie? Aber die Amerikaner waren schon nah. 216 00:32:36,000 --> 00:32:40,999 Und deswegen sagen diese Tschechen: "Die Amerikaner kommen, wir bringen Sie ins Krankenhaus." 217 00:32:41,000 --> 00:32:46,999 Nun, haben sie mich ins Krankenhaus gebracht, man hat mich ins Bett gelegt und begonnen zu behandeln. 218 00:32:47,000 --> 00:32:59,999 Etwas {räuspert sich}, wahrscheinlich zwei Wochen lag ich dort, die Amerikaner kamen, und unsere Truppen sind aus Prag bereits gekommen, auch nach Pilsen, so… 219 00:33:00,000 --> 00:33:05,999 So, kamen unsere, sofort haben sie mich ins Militärkrankenhaus gebracht, nach Prag. 220 00:33:06,000 --> 00:33:11,999 Wir waren in Prag, dann in Polen, nach Gliwice und so weiter {gestikuliert}. So, bis sie mich geheilt haben. 221 00:33:12,000 --> 00:33:21,999 Und als sie mich geheilt hatten, haben sie mich wieder zum weiteren Dienst nach Baden geschickt, nach Österreich. 222 00:33:22,000 --> 00:33:29,999 Dort befand sich das zentrale Hauptquartier unserer Truppen. Und dorthin wurde ich geschickt. 223 00:33:30,000 --> 00:33:41,867 Ich bin schon gekommen, so ... Ich wurde uniformiert, ich war schon Oberleutnant. Nun ... {Ende des Videos}