1 00:00:00,000 --> 00:00:01,866 MA: (???) 2 00:00:01,867 --> 00:00:08,366 IV: Wir fangen jetzt an. Erzählen Sie etwas über sich. Wo sind Sie aufgewachsen, wie war Ihre Familiensituation? 3 00:00:08,367 --> 00:00:13,366 Wie gelangten Sie nach Deutschland? Wie ist das alles abgelaufen? 4 00:00:13,367 --> 00:00:27,732 BD: Ich bin in einer Bauernfamilie aufgewachsen. Mein Vater war ein Bauer. Ich bin... 5 00:00:27,733 --> 00:00:40,799 1929 kam ich in die Grundschule in Skwyra im Kiewer Oblast in der Ukraine. 6 00:00:40,800 --> 00:00:54,566 Ich besuchte dort zehn Klassen. Nach der zehnten Klasse wechselte ich in eine militärische Schule. 7 00:00:54,567 --> 00:01:03,232 Diese militärische Schule für Artillerie in Charkow beendete ich am 2. Juni 1941. 8 00:01:03,233 --> 00:01:20,632 Am 2. Juni wurde ich zum Dienst in der Armee in eine weißrussische Region abkommandiert. 9 00:01:20,633 --> 00:01:28,932 Ich stand 3 km vor der Grenze, die Stadt hieß Ruzhenostok. 10 00:01:28,933 --> 00:01:37,366 Ich wurde Kommandant der Angriffstruppe. 11 00:01:37,367 --> 00:01:47,199 Und bereits nach zwei Tagen seit dem Beginn des Krieges, wurde ich nach dem Tod des vorigen Kommandanten, zum Kommandanten ernannt. 12 00:01:47,200 --> 00:01:48,799 IV: Wie war Ihr Dienstgrad? 13 00:01:48,800 --> 00:02:09,799 BD: Mein Dienstgrad war "Unteroffizier." Wir rückten von der Grenze am 21. oder 22. Juni ab. Wir kamen in die Stadt Minsk. 14 00:02:09,800 --> 00:02:26,899 Es stellte sich heraus, dass wir um Minsk umkreist waren. Wir waren eingekreist. Unsere Aufgabe war, diese Einkreisung zu durchbrechen. 15 00:02:26,900 --> 00:02:39,166 Ein Teil meiner Truppe war bereits zerschlagen. Ich wurde in eine andere Kompanie versetzt. Wir begannen, die Einkreisung durch Gefechte zu durchbrechen. 16 00:02:39,167 --> 00:02:48,066 Damals wurde ich verletzt. Aber an mehr kann ich mich nicht erinnern. 17 00:02:48,067 --> 00:03:05,466 Als ich wieder zu mir kam, stellte sich heraus, dass ich in Gefangenschaft war. Ich wurde von einer Soldatengruppe getragen, die Leichen aufsammelte. 18 00:03:05,467 --> 00:03:23,966 Ich hatte Verletzungen am linken Knie, Bein und Hüfte. Ich wurde zu einem Sammelpunkt für die Gefangengen gebracht. 19 00:03:23,967 --> 00:03:42,266 IV: Also, er ist im Kiew-Gebiet in einem Dorf geboren, dort aufgewachsen. 1941 war er schon Leutnant und er war tätig in der Roten Armee und 20 00:03:42,267 --> 00:03:50,666 er war an der Grenze also, 3 km von der Grenze entfernt und er weiß nicht genau, wie es passiert ist. 21 00:03:50,667 --> 00:04:00,099 Also er hat Verstand verloren und dann als er aufgewacht war, dann war er schon Gefangener. 22 00:04:00,100 --> 00:04:02,932 MA: Also, es war ein Gefecht, es war eine Kampfhandlung.. 23 00:04:02,933 --> 00:04:05,332 IV: Ja. Genau. 24 00:04:05,333 --> 00:04:17,099 MA: (???) Er war direkt an der Front. Es war.. Und dann hat er nicht mehr gewusst.. (???) 25 00:04:17,100 --> 00:04:23,466 Dass er dann jetzt erzählt, wie war sein Weg als Gefangener? Vielleicht noch ob er verletzt war oder was.. 26 00:04:23,467 --> 00:04:24,166 IV: Er hat gesagt, er war verletzt. 27 00:04:24,167 --> 00:04:31,132 Erzählen Sie bitte weiter. Sie waren verletzt und wurden gefangen genommen. Was war weiter? 28 00:04:31,133 --> 00:04:32,632 BD: Also... 29 00:04:32,633 --> 00:04:33,866 IV: Wurden Sie in ein Lager deportiert? 30 00:04:33,867 --> 00:04:46,266 BD: Ich verbrachte eine Woche in diesem Sammelpunkt. Dort wurde ich medizinisch versorgt. 31 00:04:46,267 --> 00:05:00,432 Danach wurde ich in das Lager 308 "Bela Podlaska" in Polen überstellt. 32 00:05:00,433 --> 00:05:14,499 In diesem Lager 308 verbrachte ich auch eine Woche und alle Offiziere wurden in die Stadt Hammelburg gebracht. 33 00:05:14,500 --> 00:05:21,832 Dort gab es ein Offizierlager, in dem auch Karbyschew und andere Generäle inhaftiert waren. So war das. 34 00:05:21,833 --> 00:05:31,899 IV: Zuerst wurde er nach Polen verschleppt in ein Lager und dann als russischer Offizier nach Hammelburg. In ein anderes Lager. 35 00:05:31,900 --> 00:05:50,532 MA: Aha. Und dann frag' doch mal wie es weiter ging. Vielleicht auch wie sie zu der Zeit behandelt wurden, wie es ihnen ging als Kriegsgefangene. Ob er in einer großen Gruppe zusammen war... 36 00:05:50,533 --> 00:05:51,232 BD: Aber... 37 00:05:51,233 --> 00:05:52,132 IV: Für russische Offiziere. 38 00:05:52,133 --> 00:05:53,166 BD: Ja! 39 00:05:53,167 --> 00:06:01,666 IV: Wie wurden Sie behandelt? Erzählen Sie über den Haftweg von diesem Lager und wie Sie nach Flossenbürg kamen? 40 00:06:01,667 --> 00:06:15,532 BD: Wegen meiner Verletzung wurde ich medizinisch versorgt. Ich weiß aber nicht, wer mir geholfen hat. 41 00:06:15,533 --> 00:06:23,599 Sie zerrissen meine Uniformjacke und verbanden damit mein Bein. 42 00:06:23,600 --> 00:06:37,932 Der Ärmel der Uniformjacke mit dem Dienstgradabzeichen war abgetrennt und das war der einzige Hinweis, dass ich ein Offizier war. 43 00:06:37,933 --> 00:06:50,832 Warum sie mich nicht erschossen oder getötet haben, wie man so sagt, weiß ich nicht. Vielleicht weil ich ein ordentlicher Soldat und kein politischer war. 44 00:06:50,833 --> 00:07:08,166 Wenn einer einen Stern auf dem Ärmel trug, war er ein politischer. Deswegen wurde ich nicht umgebracht. Also haben sie mich in das Lager 308 nach Bela Podlaska überstellt. 45 00:07:08,167 --> 00:07:21,566 Nach einer Woche wurden alle Offiziere mit einem Zug nach Hammelburg in ein Oflag gebracht. 46 00:07:21,567 --> 00:07:38,066 Welche Verhältnisse? Wir haben nicht sofort etwas zum Essen bekommen. Vom LKW wurden Heringe oder andere Fische herabgeworfen. 47 00:07:38,067 --> 00:07:44,399 Wenn jemand es schaffte, welche zu fangen, dann hatte er was zum Essen. Wenn nicht, musste er hungern. 48 00:07:44,400 --> 00:08:01,166 Wir aßen einmal am Tag. Es war sehr schlimm. Dank meiner guten körprerlichen Verfassung konnte ich es überleben. 49 00:08:01,167 --> 00:08:11,499 In Hammelburg gab es bereits einmal am Tag eine reguläre Essensausgabe. 50 00:08:11,500 --> 00:08:15,799 Man konnte überleben, aber es war sehr hart. 51 00:08:15,800 --> 00:08:16,799 IV: Wie lange sind Sie dort geblieben? 52 00:08:16,800 --> 00:08:28,666 BD: Ich blieb dort bis zum Neuen Jahr 1942. Anfang 1942 wurden 50 Gefangene abgeholt. 53 00:08:28,667 --> 00:08:38,366 Sie formierten ein Kommando und schickten es zum Trockenlegen der Donaugegend. 54 00:08:38,367 --> 00:08:41,899 Ich weiß nicht, wo der Ort war, aber es war an der Donau. 55 00:08:41,900 --> 00:08:56,199 Wir waren 50 Gefangene und wir lebten in geschlossenen Räumen. Wir wurden überwacht usw.. 56 00:08:56,200 --> 00:09:04,599 Wir haben die Kanäle gegraben und trocken gelegt, um das Wasser abzulassen. Wir legten es trocken. 57 00:09:04,600 --> 00:09:15,699 Da der Winter 1942 sehr schneereich war, waren wir auch beim Schneeräumen der Straßen eingesetzt. 58 00:09:15,700 --> 00:09:31,966 Im März 1942 wurden wir von hier nach Nürnberg in eine Waffenfabrik versetzt. 59 00:09:31,967 --> 00:09:36,999 Wir waren die ersten, die in dieses Werk gekommen sind. 60 00:09:37,000 --> 00:09:48,166 Unser Kommando errichtete Baracken für das Lager für die Kriegsgefangenen, die später kamen. 61 00:09:48,167 --> 00:09:56,966 In Folge waren es bald 400 Genfangene, die im Waffenwerk gearbeitet haben. 62 00:09:56,967 --> 00:10:10,632 Die Ernährung dort war sehr schlecht. Aber wir haben das Essen regelmäßig bekommen. 63 00:10:10,633 --> 00:10:27,966 Wir haben Steckrüben, ungeschälte Kartoffeln ohne Fett oder andere Zutaten gegessen. Dazu bekamen wir eine Scheibe Brot, 250 g am Tag. 64 00:10:27,967 --> 00:10:30,199 IV: Wie lange waren Sie in Nürnberg? 65 00:10:30,200 --> 00:10:45,232 BD: In Nürnberg war ich bis 1944. Unser Lagerkommando hat Baracken für die neu ankommenden Häftlinge errichtet. 66 00:10:45,233 --> 00:11:04,866 Ab Anfang 1944 ging unser ganzes Lager zu Fuß zu einem Arbeitseinsatz unweit des Lagers. 67 00:11:04,867 --> 00:11:15,832 Vier von uns wurden aufgeschrieben: Ein Oberst und drei Offiziere. 68 00:11:15,833 --> 00:11:24,999 Wir wurden des Fluchtversuchs oder der Sabotage am Arbeitsplatz verdächtigt. 69 00:11:25,000 --> 00:11:37,566 Es war alles nur fingiert. Wir wurden verhaftet und die Gestapo holte uns ab. Im Lager wurden wir einem Verhör unterzogen. 70 00:11:37,567 --> 00:11:52,966 Wir wurden dort gefoltert und lagen danach zwei Tage. Wir waren nur ein Stück Fleisch und keine Menschen. Dann schütteten sie auf uns Wasser und fragten weiter. Wir haben es aber überlebt. Gott sei Dank! 71 00:11:52,967 --> 00:12:07,966 Danach kamen wir in ein Nürnberger Gefängnis, wo wir eine Woche verbrachten. Im 4. Stock war ein Raum. 72 00:12:07,967 --> 00:12:23,499 Wir haben uns mit den Nachbarzellen Zeichen durch Klopfen gegeben, weil einer von uns sehr gut das Morsealphabet konnte. Sie waren auch zu viert, wie wir. 73 00:12:23,500 --> 00:12:29,132 Nach einer Woche wurde die zweite Front eröffnet. 74 00:12:29,133 --> 00:12:42,066 Vom 4. Stock gingen wir in eine abgelegene Kammer hinunter. Nur vier Personen hatten darin Platz. 75 00:12:42,067 --> 00:12:57,332 Es kamen Franzosen und sahen, dass es Russen sind. Sie erzählten uns, dass die zweite Front eröffnet wurde. Es heißt, es wird leichter. Das Ende des Krieges ist nahe. 76 00:12:57,333 --> 00:13:13,732 Danach wurden wir zu zweit mit Handschellen gefesselt und wir kamen mit der Eisenbahn nach Flossenbürg. 77 00:13:13,733 --> 00:13:14,066 MA: (???) 78 00:13:14,067 --> 00:13:20,299 IV: Wie wurden Sie hier aufgenommen? Wohin wurden sie geführt? Wie sah die Aufnahmeprozedur aus? 79 00:13:20,300 --> 00:13:30,332 BD: Diese vier wurden zuerst hineingeführt und wir gingen zu zweit hinterher durch das Tor. 80 00:13:30,333 --> 00:13:40,432 Wir haben uns umgeschaut und wir sahen Baracken und irgendwelche Kamine. 81 00:13:40,433 --> 00:14:00,032 Da habe ich einen Kameraden getroffen, meinen Landsmann aus der Militärischen Schule. Mischa und ich lernten zusammen in dieser Schule. Er war aus unserem Lager. 82 00:14:00,033 --> 00:14:10,266 Wir haben gedacht, dass er erschossen wurde, aber es stellte sich heraus, dass er überlebte und ich traf ihn hier. 83 00:14:10,267 --> 00:14:22,699 Ich sage zu ihm: "Mischa, verlässt jemand hier überhaupt das Lager?" Ja, sagt er, aber nur durch diesen Kamin. Das war unser erster Eindruck. 84 00:14:22,700 --> 00:14:35,866 Wir wurden daraufhin in eine Schreibstube geführt. Wir haben dort nach etwas gefragt und wurden nach rechts gebracht. 85 00:14:35,867 --> 00:14:44,132 Dort befand sich eine medizinische Baracke, in der Spritzen gegeben wurden. 86 00:14:44,133 --> 00:14:56,066 Diese vier Franzosen bekamen die Spritzen und wir gingen hinterher, zogen uns aus und bekamen ebenfalls Spritzen in die Schulter. 87 00:14:56,067 --> 00:15:15,266 Der erste, der reinging, war der Oberst. Als er rauskam, sagte er zu uns: "Saugt es aus!" Der zweite saugte den Impfstoff aus und es bildete sich eine Blase. 88 00:15:15,267 --> 00:15:22,566 Wir waren nur Haut und Knochen und man konnte es an uns sehr gut erkennen. 89 00:15:22,567 --> 00:15:34,166 Jeder von uns saugte dem anderen den Impfstoff aus und wir gingen in das Häftlingsbad. 90 00:15:34,167 --> 00:15:53,032 Als wir reinkamen, sahen wir, dass diese vier bereits am Boden geschleift wurden. Sie waren tot. Und wir vier kamen nackt hinein. 91 00:15:53,033 --> 00:16:11,532 Wir waren im Häftlingsbad, in der sogenannten Dusche. Und dann war die Desinfektion. Wir haben uns angezogen und blieben am Leben. Danach kamen wir in die Baracke Nr. 4. 92 00:16:11,533 --> 00:16:15,466 IV: Er hat gerade über diese Aufnahmeprozedur erzählt. 93 00:16:15,467 --> 00:16:16,566 BD: Ja. 94 00:16:16,567 --> 00:16:17,699 IV: Was haben Sie zum Essen bekommen? 95 00:16:17,700 --> 00:16:39,266 BD: In der Baracke waren mehr als Hundert Häftlinge. Und der Blockälteste war ein Deutscher. Er hatte einen grünen Winkel: ein Krimineller. 96 00:16:39,267 --> 00:17:00,899 Wir gingen jeden Tag zum Steinbruch zur Arbeit. Der Steinbruch befand sich etwa einen Kilometer vom Lager entfernt. 97 00:17:00,900 --> 00:17:14,832 Wir gehen vom Lager und tragen auf der Schulter Steine. Wir gehen und werfen die Steine hinunter und kommen wieder zur Arbeit zurück. 98 00:17:14,833 --> 00:17:34,699 Wir haben die Steine vom Hang runtergeworfen und große Steine gestoßen. Ich arbeitete dort ungefähr einen Monat. 99 00:17:34,700 --> 00:17:49,432 Ein Mithäftling, der etwas höher stand als ich, stieß einen Stein, der mir meine große Zehe zertrümmerte. Das hat mir sehr geschadet. 100 00:17:49,433 --> 00:17:51,666 Ich wurde zum Lager getragen. 101 00:17:51,667 --> 00:18:06,732 Ich ging nicht mehr zur Arbeit und wurde in die Baracke Nr. 2 verlegt. Diese befand sich gleich hier. 102 00:18:06,733 --> 00:18:14,732 Es war eine Baracke für diejenigen, die im Sterben lagen. 103 00:18:14,733 --> 00:18:20,099 IV: Er hat ungefähr einen Monat im Steinbruch gearbeitet.. 104 00:18:20,100 --> 00:18:30,166 BD: Ich befand mich in dieser Baracke. Hier gab es Häftlinge aus verschiedenen Nationen: Polen, Tschechen, Franzosen und so weiter. 105 00:18:30,167 --> 00:18:42,066 Ich lernte einen Tschechen kennen, der irgendwann in Moskau war. Er sprach etwas Russisch. Ich habe mich mit ihm unterhalten. 106 00:18:42,067 --> 00:18:48,999 Und ich lernte einen Franzosen kennen. Diese beiden haben mich unterstützt. 107 00:18:49,000 --> 00:19:03,732 Sie haben mir geholfen, weil sie Pakete bekommen haben. Sobald sie sich zum Essen setzten, luden sie mich ein. Sie gaben mir immer ein Stück Brot, oder Sprotten... 108 00:19:03,733 --> 00:19:14,066 Sie haben Lebensmittelpakete bekommen und auf diese Weise verbrachte ich in diesem Lager einen Monat. 109 00:19:14,067 --> 00:19:23,866 Ich konnte keinen Schuh anziehen. Sie wollten mir die Zehe abnehmen, aber ich ließ es nicht zu. Die Zehe war eitrig. 110 00:19:23,867 --> 00:19:36,066 Aber irgendwann konnte ich schon einen Holzschuh anziehen, den man unten mit einer Schnur unter der Sohle gebunden hat, damit man überhaupt gehen konnte. 111 00:19:36,067 --> 00:19:46,532 Ich ging in die Küche, um die Kessel mit dem Essen zu holen. 112 00:19:46,533 --> 00:19:54,799 Und einmal bin ich hingegangen und bekam eine zusätzliche Brotration. 113 00:19:54,800 --> 00:20:06,866 Ich war einen Monat Im Krankenrevier und wurde dort wieder entlassen. Danach kam ich in ein Kommando mit 20 Häftlingen. 114 00:20:06,867 --> 00:20:14,566 Ich wusste nicht sofort, was das war.. Aber sie haben uns auf einem LKW irgendwohin gebracht. 115 00:20:14,567 --> 00:20:30,399 Wir fuhren morgens weg und kamen abends wieder zurück. Wir bedienten die Zufahrtswege zu den Eisenbahnlinien. Es stellte sich heraus, dass sie uns irgendwohin nach "Dora" brachten. 116 00:20:30,400 --> 00:20:50,299 Nach einer gewissen Zeit wurde unser ganzes Kommando komplett ins Lager "Dora" überführt. Wir haben die Zufahrtswege zu den Stollen repariert. 117 00:20:50,300 --> 00:21:02,732 Ich war dort, der Kapo war ein Pole, der Meister ein Deutscher. Auch er war kein schlechter Mensch. Er hat uns unterstützt. 118 00:21:02,733 --> 00:21:21,499 Ich bediente die kleine Lokomotive. In den Waggons wurden aus dem Stollen die abgebauten Gesteine hinaustransportiert. 119 00:21:21,500 --> 00:21:30,466 Auf dieser Eisenbahnlinie setzte ich die Waggons auseinander und wieder zusammen. 120 00:21:30,467 --> 00:21:43,866 Auf diese Weise war ich ein Hilfsarbeiter des Zugführers und heizte die Lokomotive an. Ich habe mich etwas gestützt. 121 00:21:43,867 --> 00:21:52,566 Ich arbeitete dort und danach wurden wir von Dora nach Harzungen verlegt. Es befand sich nicht weit davon. 122 00:21:52,567 --> 00:21:59,632 In der Nähe war ein kleines Lager. Dieses Lager arbeitete faktisch komplett für Dora. 123 00:21:59,633 --> 00:22:29,232 Anfang April 1945 wurde uns mitgeteilt, dass das Lager evakuiert wird. Ich wollte nicht gleich gehen, weil ich nicht imstande war. Ich konnte mich schwer bewegen. 124 00:22:29,233 --> 00:22:36,832 Aber ein Kamerad aus Moskau hat mich unterstützt und sagte: "Wir gehen". 125 00:22:36,833 --> 00:22:50,366 So gingen wir auf den Fußmarsch. Drei Tage lang und drei Nächte gingen wir zu Fuß und übernachteten auf den Wiesen oder in den Dörfern. 126 00:22:50,367 --> 00:23:07,166 Und am dritten Tag haben wir am Abend Explosionen gehört und dachten, dass die Front nicht mehr weit ist. 127 00:23:07,167 --> 00:23:23,832 Wir wurden in ein Dorf geführt. Rechts war ein Feld. Die Eskorte hat die Kontrolle verloren und die Hunde liefen voraus. 128 00:23:23,833 --> 00:23:36,566 Wir blieben etwas zurück. Wenn jemand zurückblieb, oder nicht gehen konnte, wurde er an Ort und Stelle erschossen. Man durfte nicht zurückbleiben. 129 00:23:36,567 --> 00:23:51,632 Wir haben uns etwas hinten gehalten und sobald es dämmerte, sprangen wir zu dritt zur Seite und liefen weg. Zu dritt. 130 00:23:51,633 --> 00:24:00,832 Es waren ich, Petja und Mischa, dieser Unteroffizier. Petja war aus Moskau. 131 00:24:00,833 --> 00:24:18,632 Ein 13-jähriger Junge hat sich uns angeschlossen und sagte: "Ich will mit euch mit." Wir sagten, wenn er es will, dann soll er mitgehen. Wir liefen auf das Feld. 132 00:24:18,633 --> 00:24:33,432 Es wurde in unsere Richtung geschossen. Die Kolonne ging weiter und niemand kehrte zurück. Ich sah, dass sie schon verzweifelt waren. 133 00:24:33,433 --> 00:24:45,166 Wir legten uns für eine Stunde hin und danach wollten wir wieder aufstehen. Liegen konnten wir nicht. Wir standen auf und wussten nicht, wohin wir jetzt gehen sollten. 134 00:24:45,167 --> 00:24:58,132 Wir bogen in ein Dorf ein und wollten uns in einer Scheune hinlegen und verstecken. Aber alles war eingezäunt und es waren Hunde da. 135 00:24:58,133 --> 00:25:11,666 Und plötzlich hielt uns ein Deutscher auf: "Halt!" Er hatte eine Pistole in der Hand und fragte uns aus. 136 00:25:11,667 --> 00:25:23,666 Wir haben einzelne Wörter gekannt und versuchten, zu erklären, dass wir unsere Kolonne einholen wollen, weil wir etwas zurückgeblieben sind. 137 00:25:23,667 --> 00:25:34,832 Und er hat uns geglaubt und zeigte noch: "Auf diesem Weg ging die Kolonne". Es gab eine Straßengabelung: Ein Weg führte dorthin, der andere woanders hin. 138 00:25:34,833 --> 00:25:41,332 Wir haben den anderen Weg genommen. Der Mann hat uns freigelassen. 139 00:25:41,333 --> 00:25:51,999 Er hat uns freigelassen und sobald wir hinter dem Dorf waren, bogen wir in die Straße rechts ein. Wir gingen nach rechts. 140 00:25:52,000 --> 00:26:00,699 Dann kamen wir wieder entweder in eine kleine Stadt oder in ein Dorf. Ich wusste es nicht. 141 00:26:00,700 --> 00:26:05,899 Wir sehen die Häuser, haben aber Angst näher zu kommen. Da gab es einen Haufen Stroh. 142 00:26:05,900 --> 00:26:24,466 Wir kommen näher an den Strohhaufen und sehen eine Stelle mit silierten roten Rüben. Wir wollten etwas essen. 143 00:26:24,467 --> 00:26:40,532 Wir haben die Stelle freigemacht und sahen die silierten, verfaulten Rübenblätter. Die Knolle war noch in Ordnung. Wir haben sie abgewischt und gegessen. 144 00:26:40,533 --> 00:26:41,832 IV: Um zu überleben. 145 00:26:41,833 --> 00:26:51,466 BD: Ja! Wir haben gegessen und was war weiter? Wir haben uns auf das Stroh gelegt und uns zugedeckt. 146 00:26:51,467 --> 00:26:54,866 IV: Er hat gerade so eine lange... 147 00:26:54,867 --> 00:26:59,332 IV: Wen haben sie getroffen oder wer hat sie getroffen? Wer hat sie befreit? Amerikaner oder die Russen? 148 00:26:59,333 --> 00:27:17,832 BD: Wir haben morgens Wagen gehört. Aus dem Strohversteck haben wir zwei Männer auf dem Wagen sitzen sehen. 149 00:27:17,833 --> 00:27:29,599 Sie kamen näher und stiegen ab. Es war ein Deutscher und ein Pole. Sie begannen, das Stroh auf den Wagen zu laden. 150 00:27:29,600 --> 00:27:38,199 Der Pole kletterte auf den Strohhaufen und wir lagen dort zugedeckt. Ich war ganz oben. 151 00:27:38,200 --> 00:27:52,532 Er ging auf mir und stach mit einer Mistgabel. Aber dann bewegte er sich weiter und der Wagen kam in die Ecke. 152 00:27:52,533 --> 00:28:00,199 Er warf Stroh auf den Wagen und sprang danach hinunter. Sie fuhren weg. 153 00:28:00,200 --> 00:28:17,032 Ich sagte, wir dürfen das Versteck nicht verlassen. Dann haben wir Artillerieschüsse gehört. 154 00:28:17,033 --> 00:28:23,732 Ich sagte, wir werden wie ein Orientierungspunkt sein und sie werden uns sofort verbrennen. 155 00:28:23,733 --> 00:28:32,966 Wir sind aus dem Strohhaufen hinausgegangen und haben beobachtet, was vor sich geht. 156 00:28:32,967 --> 00:28:50,166 Wir haben bis zum Abend gelegen. Gegen Abend haben wir gesehen, dass auf den Häusern weiße Flaggen wehen. Das heißt: Es ist vorbei! Kapitulation! 157 00:28:50,167 --> 00:28:58,066 Wir standen auf. Wir hatten gestreifte Häftlingskleidung an. Wir gingen zu dritt auf das Haus zu. 158 00:28:58,067 --> 00:29:00,732 IV: War in der Nähe ein Dorf? 159 00:29:00,733 --> 00:29:14,032 BD: Ja, ja. Das Dorf war nicht weit davon. Wir kamen zum Haus, aber wir sahen niemanden und nichts. Wir konnten nicht hineingehen, weil alles abgesperrt war. 160 00:29:14,033 --> 00:29:33,499 Mein Kamerad aus Moskau hat aber mit dem Holzschuh eine Fensterscheibe eingeschlagen und wir gingen hinein. Dort haben wir Essen gefunden. 161 00:29:33,500 --> 00:29:48,432 Das heißt, wir fanden Wurst und andere Lebensimttel. {lacht} Wir hatten schließlich Hunger. Wir haben uns auch an den Rüben satt gegessen. Einen ganzen Tag lang. 162 00:29:48,433 --> 00:29:53,366 Wir haben gegessen und sind dann weiter gegangen. 163 00:29:53,367 --> 00:30:07,932 Wir kamen in eine amerikanische Küche und wir wurden eingeladen. Die Küche war unter einer Bedachung und dort gab es auch Heu. 164 00:30:07,933 --> 00:30:16,332 Sie haben uns im Heu Platz gemacht und wir legten uns und schliefen 3 Tage lang. Wir kamen wieder zu uns. 165 00:30:16,333 --> 00:30:27,699 Die amerikanischen Soldaten brachten uns das Essen und wir sind zu Kräften gekommen. 166 00:30:27,700 --> 00:30:42,366 Sie schlugen vor, in ein anderes Lager zu ziehen, aber wir lehnten es ab. Wir wollten mit der Front weiter gehen. 167 00:30:42,367 --> 00:30:52,266 Wir haben uns auf den Weg gemacht und gingen durch eine Stadt Großmeiling oder ähnlich. Ich habe es vergessen. 168 00:30:52,267 --> 00:30:53,932 IV: Wie viele Tage sind Sie gegangen? 169 00:30:53,933 --> 00:31:10,032 BD: Zuerst sind wir zwei Tage lang gegangen und haben uns in einer Baracke einquartiert. Wir waren nicht viele. 170 00:31:10,033 --> 00:31:16,432 Zuerst waren wir zu zweit und danach haben wir uns zusammengeschlossen und waren dann zu sechst. 171 00:31:16,433 --> 00:31:23,666 Dann gingen wir weiter und besetzten eine Etage in einem Haus von einem SS-Mann. 172 00:31:23,667 --> 00:31:31,499 Wir begannen, auf dem Dachboden nach Lebensmitteln und anderen Sachen zu suchen. 173 00:31:31,500 --> 00:31:42,899 In diesem Haus haben wir eine Woche verbracht und dann gingen wir weiter Richtung Front, der Front hinterher. 174 00:31:42,900 --> 00:31:58,466 Amerikanische Soldaten fuhren nach Magdeburg und wir konnten mit ihnen mitkommen. 175 00:31:58,467 --> 00:32:17,999 In Magdeburg sind wir über eine Ponton-Brücke auf die Seite unserer Soldaten gekommen. Und auch hier wurden wir sofort ins Lager eingeladen. Es war ein Sammelpunkt. 176 00:32:18,000 --> 00:32:29,632 Die Offiziere gingen auf eine Seite, der Junge wurde woanders hingebracht. Der Kamerad aus Moskau stellte sich ebenfalls als ein Offizier-Techniker heraus. 177 00:32:29,633 --> 00:32:38,032 Es waren auch zwei Flugpiloten. Einer war aus Armenien und einer aus Sibirien. 178 00:32:38,033 --> 00:32:53,532 Und acht Offiziere schlossen sich zusammen und wir wurden von einer medizischen Kommission in Oranienburg untersucht. 179 00:32:53,533 --> 00:33:10,867 Es war bereits am 11. oder 12. Mai. Den Siegestag haben wir in Magdeburg gefeiert.