1 00:00:00,467 --> 00:00:09,866 IV: Ich hätte eine Frage: Welche Gefühle hatten Sie im KZ? Es war bekannt, dass nicht alle nationalen Gruppen gleich behandelt wurden. 2 00:00:09,867 --> 00:00:21,232 Wie haben Sie sich als Jugendlicher im KZ gefühlt? Welche Gefühle hatten Sie? Hatten Sie Hoffnung, dass Sie das Lager und den Krieg überleben werden? 3 00:00:21,233 --> 00:00:24,199 Wie haben Sie sich als junger Mann gefühlt? 4 00:00:24,200 --> 00:00:39,766 JK: Als ich mich dem Warschauer Aufstand anschließen wollte, hat mir meine Großmutter eine Medaille vom Heiligen Antonius geschenkt. 5 00:00:39,767 --> 00:00:52,566 Wir kamen in Auschwitz an und außer den Schuhen und dem Hosengürtel durften wir nichts dabei haben. 6 00:00:52,567 --> 00:01:06,332 Es wurde uns alles abgenommen: Unsere Bekleidung und die Unterwäsche. Wir bekamen eine Häftlingskleidung. Es war allerdings keine gestreifte Kleidung wie in einem KZ üblich. 7 00:01:06,333 --> 00:01:15,832 Es wurden so viele Häftlinge deportiert, dass aus Mangel der gestreiften Kleidung zivile Kleidung benutzt wurde. 8 00:01:15,833 --> 00:01:27,432 Es wurden auf den Hosenbeinen und den Jackenrücken mit einer Ölfarbe vertikale Streifen gemalt, wie wir es nannten. 9 00:01:27,433 --> 00:01:33,232 Es war eine Farbe, die nicht abwaschbar war. Dort stand: KZ. Jeder Häftling musste eine Nummer an der Jacke und und am Hosenbein tragen. 10 00:01:33,233 --> 00:01:42,932 Jeder Häftling musste eine Nummer an der Jacke und und am Hosenbein an der Seite tragen. 11 00:01:42,933 --> 00:02:02,799 Ich trug die Medaille vom Heiligen Antonius mit dem Gürtel bei mir und überstand das Bad. 12 00:02:02,800 --> 00:02:19,899 Meine Großmutter sagte immer: "Denke daran, er wird dich vor dem Tod beschützen." Ich habe fest daran geglaubt, dass das letzte Andenken von meiner Großmuter mich retten wird. 13 00:02:19,900 --> 00:02:23,966 IV: War das also der Glaube, dass Sie dieses Lager überleben werden? 14 00:02:23,967 --> 00:02:27,099 JK. Ja, ich habe es geglaubt. Ja, ich habe es geglaubt. 15 00:02:27,100 --> 00:02:34,232 IV: Welche Gefühle oder Emotionen hatten Sie noch, als Sie hier inhaftiert waren? Schien Ihnen die Situation ohne Ausweg zu sein? 16 00:02:34,233 --> 00:02:47,532 Hatten Sie außer dem Glauben an den Heiligen Antonius noch andere Gefühle, die Ihnen Zuversicht und Kraft geben konnten, dieses Leid zu überstehen? 17 00:02:47,533 --> 00:03:02,332 JK: Die sowjetische Armee ging sehr entschlossen Richtung Deutschland. Wir waren in Polen davon überzeugt, dass die sowjetische Armee die polnischen Gebiete befreien wird. 18 00:03:02,333 --> 00:03:16,832 Wir sahen am Himmel mehrere Staffeln von amerikanischen Flugzeugen, die über Deutschland flogen und Städte und Industrieanlagen bombardierten. 19 00:03:16,833 --> 00:03:31,666 Dies gab uns Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende gehen würde und dass wir überleben würden. Niemand hat mit einem plötzlichen Tod gerechnet. 20 00:03:31,667 --> 00:03:47,032 Jeder versuchte, der Lagerführung nicht aufzufallen. Jeder vermied Situationen, die besondere Repressionen nach sich ziehen könnten. 21 00:03:47,033 --> 00:04:04,099 Ich war Zeuge einer Massenexekution. Alle mussten beim Erhängen von 6 Häftlingen an einem Galgen auf dem Appellplatz anwesend sein. 22 00:04:04,100 --> 00:04:13,066 Sie hatten versucht, von einem Arbeitskommando zu flüchten. Ich vermute, es waren Russen, aber ich bin mir nicht sicher. Ich erinnere mich nicht daran. 23 00:04:13,067 --> 00:04:20,932 Auf jeden Fall wurden auf einmal sechs junge Häftlinge an einem Galgen aufgehängt. 24 00:04:20,933 --> 00:04:29,232 Es war ein erschütternder Anblick. Ich kann mich an den Galgen sehr gut erinnern, wie er gebaut war. 25 00:04:29,233 --> 00:04:40,866 Alle standen auf einer kleinen Bank, die dann plötzlich unter den Füßen weggerissen wurde und sie frei baumelten. Sie hingen während der drei Arbeitsschichten. 26 00:04:40,867 --> 00:04:50,466 Alle haben es gesehen: Die, die beim Erhängen dabei waren und jene, die zur Arbeit gingen oder von der Arbeit zurückkamen. 27 00:04:50,467 --> 00:04:59,532 Es war eine abschreckende Situation: "Denkt daran, wenn ihr es versuchen werdet, wird es euch auch so ergehen". 28 00:04:59,533 --> 00:05:13,232 Ein anderes Ereignis, das ich nie vergessen werde, war die Urteilsvollstreckung an einem deutschen Offizier. 29 00:05:13,233 --> 00:05:25,599 Er war Mitglied in einer Vereinigung, die gegen Hitler aufbegehrte und ein Attentat auf ihn organisierte. Ich kann mich an seinen Namen nicht erinnern. Sein Foto hängt in der Gedenkstätte. 30 00:05:25,600 --> 00:05:27,699 IV: Oster? 31 00:05:27,700 --> 00:05:40,166 JK: Nein, nein. Er war vom Generalstab.. Ich denke, es war Canaris. Ja. Er wurde als Einzelner an einem Pfosten auf dem Appellplatz gehängt. 32 00:05:40,167 --> 00:05:53,499 Ganz oben war eine Laterne befestigt und er wurde an einem Haken am Pfosten aufgehängt. Es war kurz vor der Befreiung, kann man sagen. 33 00:05:53,500 --> 00:06:01,999 IV: Gab es Freundschaften zwischen den Häftlingen? Haben sich die Häftlinge mental unterstützt? 34 00:06:02,000 --> 00:06:14,732 JK: Es war schwer zu sagen, ob es eine Untersützung war. Wir haben uns unterstützt, indem wir uns erzählten, dass die Truppen uns bald befreien würden. 35 00:06:14,733 --> 00:06:25,432 Wir hofften, wir werden bald befreit und beobachteten die Flugzeuge. Wenn ich mich an die Zeit zurück erinnere... 36 00:06:25,433 --> 00:06:42,999 Als wir noch in Polen waren und bereits wussten, dass die Rote Armee immer weiter vordrang, rechneten wir damit, dass wir dieses Lager überleben würden. 37 00:06:43,000 --> 00:06:58,166 IV: Sie sind an Typhus erkrankt. Wie verlief die Krankheit und wie haben Sie die Befreiung im Krankenrevier erlebt? 38 00:06:58,167 --> 00:07:08,232 JK: Als ich an Typhus erkrankt bin, bekam ich im Krankenrevier eine Pritsche in der zweiten Etage des Krankenbettes. 39 00:07:08,233 --> 00:07:15,899 Es war kein Krankenhaus, in dem die Krankenbetten nebeneinander standen, sondern aufeinander. 40 00:07:15,900 --> 00:07:28,232 Ich erinnere mich an etwas Unangenehmes, dass derjenige, der über mir lag, nicht mehr aufgestanden ist. 41 00:07:28,233 --> 00:07:45,499 Er hat seine physiologischen Bedürfnisse im Bett erledigt und ich bekam unten alles ab. Ich wurde ohnmächtig und an den 23. April, den Moment der Befreiung, erinnere ich mich nicht mehr. 42 00:07:45,500 --> 00:07:48,532 IV: Wie lange waren Sie krank (???) 43 00:07:48,533 --> 00:07:54,866 JK: Ich kann es jetzt schwer schätzen. Es war aber nicht sehr lange. 44 00:07:54,867 --> 00:08:05,566 Ich kann es nicht so genau sagen, weil ich mich an die Befreiung selbst nicht mehr erinnern kann. 45 00:08:05,567 --> 00:08:12,332 IV: Als Sie dann zu sich kamen... Wie haben Sie es damals empfunden? 46 00:08:12,333 --> 00:08:24,832 JK: Als Erstes empfand ich eine Dankbarkeit der amerikanischen Armee gegenüber. Sie haben sich sehr um uns gekümmert und wir wurden schnell aus dem Lager weggebracht. 47 00:08:24,833 --> 00:08:38,432 Sie behandelten uns mit allen möglichen Mitteln. Ich erinnere mich nicht mehr an die Mittel. Auf jeden Fall wurden wir sehr gut und reichlich ernährt. 48 00:08:38,433 --> 00:08:54,866 Wir standen unter sehr guter Aufsicht der amerikanischen Mediziner. Wir wurden nach Auerbach gebracht und genesten dort. Es ist nicht weit von hier. 49 00:08:54,867 --> 00:08:56,866 IV: (???) 50 00:08:56,867 --> 00:09:15,399 JK. Dort gab es auch Baracken, es waren Wohnbaracken. Es wurde ein provisorisches Lazarett für die ehemaligen Häftlinge errichtet. 51 00:09:15,400 --> 00:09:17,499 IV: Waren Sie auch in Weiden? 52 00:09:17,500 --> 00:09:17,799 JK: Ja, ich war dort. 53 00:09:17,800 --> 00:09:20,966 IV: Wo waren Sie in Weiden und was haben Sie (???) 54 00:09:20,967 --> 00:09:31,566 JK: Ich erinnere mich nicht, aber ich war auf jeden Fall in Weiden. Ich war zwischenzeitlich auch in Regensburg. 55 00:09:31,567 --> 00:09:47,666 In Auerbach erreichte uns eine Nachricht, dass in Langwasser bei Nürnberg ein polnisches Militärzentrum errichtet wird. 56 00:09:47,667 --> 00:10:00,832 Die Amerikaner nannten es Polish Military Center. Dort wurden Polen, ehemalige Kriegsgefangene, gesammelt. Sie nahmen jeden auf, der sich meldete. 57 00:10:00,833 --> 00:10:13,899 Auch ich ging zum Polnischen Militärzentrum. Dort wurden Polnische Wachkompanien organisiert. 58 00:10:13,900 --> 00:10:29,132 Zuerst wurden allerdings Soldaten für die Anders-Armee rekrutiert. Man rechnete damit, dass die Anders-Armee komplett nach Polen zurückkommen würde. 59 00:10:29,133 --> 00:10:43,399 Viele ehemalige Kriegsgefangene, polnische Zwangsarbeiter und ehemalige KZ-Häftlinge schlossen sich der Anders-Armee an. 60 00:10:43,400 --> 00:10:53,466 Ich war zu jung, dass ich dort eingezogen werden konnte. Aus denjenigen, die nicht mitkamen, wurden Wachkompanien gebildet. 61 00:10:53,467 --> 00:11:03,966 Diese Wachkompanien hatten in der gerade errichteten Volksrepublik Polen keinen guten Ruf. 62 00:11:03,967 --> 00:11:05,999 IV. Was war die Aufgabe der Wachkompanien? 63 00:11:06,000 --> 00:11:17,532 JK: Sie waren mit der Aufsicht der deutschen Kriegsgefangenen beauftragt. Es gab viele deutsche Kriegsgefangenenlager. 64 00:11:17,533 --> 00:11:33,499 Die Amerikaner haben die deutschen Kriegsverbrecher von der Gestapo, der SS und anderen Formationen gesucht und verifiziert, die des Massenmordes angeklagt werden konnten. 65 00:11:33,500 --> 00:11:44,566 Es wurden Funktionäre aus den KZs gesucht, die die Deutschen während der Besatzung errichteten. 66 00:11:44,567 --> 00:11:55,599 Die Amerikaner hatten ihre Anweisungen, nach denen sie Kriegsverbrecher suchten. Häufig wurden zwischen den Lagern Gefangenentransporte organisiert. 67 00:11:55,600 --> 00:12:07,299 Wir haben diese Transporte begleitet. Wir wurden auch bei der Bewachung der Zentrallebensmittellager der amerkanischen Armee eingesetzt. 68 00:12:07,300 --> 00:12:20,666 Dieses Lager befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Reichsparteitage bei Nürnberg. Es gab riesige Tribünen und in den Durchgängen, 69 00:12:20,667 --> 00:12:29,732 in den Durchgängen gab es amerikanische Lebensmittellager. Die Lebensmittel waren nicht nur für die Amerikaner bestimmt. In ganz Deutschland war die Lebensmittelversorgung knapp. 70 00:12:29,733 --> 00:12:37,366 Die Deutschen profitierten auch von der Hilfe der UNRRA. 71 00:12:37,367 --> 00:12:44,132 Die UNRRA hat die zivile Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt. 72 00:12:44,133 --> 00:12:57,966 Die Amerikaner unterhielten auch Brennstofflager. Wir als Wachkompanie haben das alles bewacht. 73 00:12:57,967 --> 00:13:10,799 IV: Sie haben erwähnt, dass Ihre Mutter Sie über das Rote Kreuz gefunden hat. Haben Sie nach dem Krieg versucht, ihre Familie zu finden? 74 00:13:10,800 --> 00:13:23,032 JK: Wir hatten hier keine Möglichkeiten. Im Grunde genommen haben wir Radio gehört. Es gab eine Radiosendung aus Warschau: "Der Familiensuchkasten". 75 00:13:23,033 --> 00:13:32,999 Es wurden nicht nur ehemalige Häftlinge oder Zwangsarbeiter gesucht, sondern ganze Familien waren zerstreut. 76 00:13:33,000 --> 00:13:43,599 Viele Familien, nicht nur aus Warschau, haben unter Trennung gelitten. Aber Warschauer waren am meisten betroffen. Alle Familien suchten sich gegenseitig. 77 00:13:43,600 --> 00:13:53,532 Meine Mutter hat mich eben über diese Sendung gesucht. Wir hatten aber auch Schwierigkeiten, die Radiosendungen zu hören. 78 00:13:53,533 --> 00:14:09,132 Manchmal haben wir es einfach unterlassen, die Sendungen zu hören, um den Wunsch nicht auszulösen: "Meine Familie ist am Leben, dann kehre ich zurück." 79 00:14:09,133 --> 00:14:21,399 Wir haben vielleicht unsere Häftlingserfahrung dadurch aufgearbeitet, indem wir die Kriegsgefangene bewachten. 80 00:14:21,400 --> 00:14:37,432 Ich muss aber noch erwähnen, dass es keine Rachereaktionen gab. Wir wurden wie Soldaten behandelt, denn wir haben polnische Wappen auf den Mützen und den Helmen getragen. 81 00:14:37,433 --> 00:14:47,732 Auf dem Ärmel trugen wir den Namen "Poland", also konnten wir uns nicht so verhalten, wie man sich uns gegenüber verhalten hat. 82 00:14:47,733 --> 00:14:50,599 IV: Wie lange sind Sie noch nach dem Krieg in Deutschland geblieben? 83 00:14:50,600 --> 00:14:59,199 JK. Ich kehrte in der zweiten Junihälfte 1946 nach Polen zurück. 84 00:14:59,200 --> 00:15:04,199 IV: Waren Sie auch in den Kriegsgefangenenlagern? 85 00:15:04,200 --> 00:15:04,499 JK: Nein. 86 00:15:04,500 --> 00:15:08,766 IV: Waren Sie im Militärkrankenhaus? 87 00:15:08,767 --> 00:15:10,332 JK: Nein. Nein. 88 00:15:10,333 --> 00:15:12,199 IV: Außer in Auerbach? 89 00:15:12,200 --> 00:15:14,799 JK: Ja, ja. 90 00:15:14,800 --> 00:15:18,066 IV: Warum kehrten Sie nach Polen zurück? 91 00:15:18,067 --> 00:15:31,799 JK: Die Situation in Deutschland begann, sich zu stabilisieren. Es wurden Zivilverwaltungen errichtet. 92 00:15:31,800 --> 00:15:45,399 Die Amerikaner haben festgestellt, dass die deutschen Soldaten und die Kriegsgefangenen bereits verifiziert wurden. 93 00:15:45,400 --> 00:15:57,066 Sie haben erkannt, dass es keinen Sinn mehr ergibt, die Menschen weiter festzuhalten. Sie sahen ein, dass Deutschland wieder aufgebaut werden müsse, denn es war zerstört. 94 00:15:57,067 --> 00:16:02,999 Der Staat musste sich finanzieren und Kriegsgefangene wurden frei gelassen. 95 00:16:03,000 --> 00:16:11,566 Diejenigen, die etwas verbrochen hatten, wurden in Gefängnissen eingesperrt und es kam zu den Nürnberger Prozessen. 96 00:16:11,567 --> 00:16:25,099 Wir hatten keinen Zugang mehr zu den wichtigsten Naziverbrechern. Die amerikanische Armee hat die Führung übernommen. 97 00:16:25,100 --> 00:16:39,732 Aus diesem Grund wurden wir in den Wachkompanien der Amerikaner nicht mehr benötigt. 98 00:16:39,733 --> 00:16:52,299 Uns Polen wurde angeboten, dass wir zwar als Wachposten bleiben, werden aber Lebensmittellager oder Anderes bewachen. 99 00:16:52,300 --> 00:16:59,566 Sie hatten Vertrauen in uns, so dass wir ihre Militärdepots in ziviler Form beaufsichtigen konnten. 100 00:16:59,567 --> 00:17:11,932 Wir hatten grüne Uniformen mit dem Wappen Polens. Wir waren als polnische Einheiten erkennbar. 101 00:17:11,933 --> 00:17:24,199 Sie haben uns angeboten, unsere grünen Uniformen dunkelblau zu färben. Sie hatten Kunststoffhelme, sie wurden nicht für Kämpfe eingesetzt. 102 00:17:24,200 --> 00:17:36,366 Es waren mehr oder weniger Zierhelme. Auf den Helmen sollte ein weißes Band umlaufen und und die Buchstaben "CG" stehen, "Civil Guard", ziviler Wachposten. 103 00:17:36,367 --> 00:17:55,066 Es war für mich eine Art Erniedrigung, ein Wärter für die amerikanische Armee zu sein und ich verzichtete darauf. Im Juni kehrte ich nach Polen zurück. 104 00:17:55,067 --> 00:17:56,699 IV: Wie wurden Sie in Polen aufgenommen? 105 00:17:56,700 --> 00:18:11,766 JK: Als Erstes kam ich in ein Repatriierungszentrum in Dziedzice. Jeder musste dorthin und sich registrieren. 106 00:18:11,767 --> 00:18:27,332 Jeder bekam ein Foto, es wurde ein Repatriierungsdokument ausgestellt. Es wurde vermerkt, woher wir zurückkamen. Sie fragten mich aus, warum ich nicht so schnell zurückkehrte. 107 00:18:27,333 --> 00:18:42,299 Sie fragten, warum ich so spät zurückfuhr. Ich hatte eine amerikanische Uniform ohne jegliche militärische Abzeichen an. Ich habe nicht erwartet, 108 00:18:42,300 --> 00:18:49,699 dass es gegen mich verwendet werden könnte. Ich war in der Wachkompanie und habe dort gedient. 109 00:18:49,700 --> 00:18:59,532 Nach dem Gespräch wurde ich frei gelassen und durfte einreisen, um meine Familie zu suchen. 110 00:18:59,533 --> 00:19:13,966 Ich geriet nur einmal in Schwierigkeiten, denn meine Familie hat auf den wiedergewonnenen Gebieten eine Bleibe gefunden. 111 00:19:13,967 --> 00:19:27,499 Es waren Gebiete, die in der Konferenz von Jalta Deutschland aberkannt und Polen zugesprochen wurden. 112 00:19:27,500 --> 00:19:37,566 Da haben sich viele Warschauer aufgehalten, weil es Warschau als Stadt nicht mehr gab. Sie hatten nichts, wohin sie zurückkehren konnten. 113 00:19:37,567 --> 00:19:49,966 Der Großteil der Stadt wurde zerstört, nur ein Teil blieb erhalten. Größtenteils war die Stadt ausgelöscht. 114 00:19:49,967 --> 00:19:51,932 IV: Wie haben Sie Ihre Familie gefunden? 115 00:19:51,933 --> 00:20:04,599 JK: Ich besuchte zuerst alle bekannten Orte, an denen Bekannte, Freunde und Verwandte meiner Familie lebten. 116 00:20:04,600 --> 00:20:19,832 Ich versuchte zu erfahren, ob jemand überlebt hatte. Ich kam in die Górnośląska-Straße. Sie befindet sich im Stadtviertel Mokotów. 117 00:20:19,833 --> 00:20:34,999 Dort lebte die Schwester meines Vaters mit ihrem Mann. Ich fragte eben nach ihr, ob sie hier wohnt. Der Hausmeister hat verneint und sagte... 118 00:20:35,000 --> 00:20:46,099 Er sagte, dass sie jetzt im Stadtviertel Praga wohnen und gab mir ihre Adresse. Wenn es um die Rückkehr geht... Ich kam mit einem Kameraden zurück, der in Siedlce wohnte. 119 00:20:46,100 --> 00:20:53,332 Ich blieb eine Weile bei ihm zu Hause und fuhr dann anschließend nach Warschau zu meiner Familie. 120 00:20:53,333 --> 00:21:03,832 Es war mein erster Anhaltspunkt nach der Rückkehr. Mein Kamerad fand als erster seine Familie. 121 00:21:03,833 --> 00:21:10,866 Seine Familie wurde nicht ausgesiedelt, sondern lebte die ganze Zeit in Siedlce. Dort bei ihm wurde ich aufgenommen. 122 00:21:10,867 --> 00:21:24,132 Der Hausmeister von der Górnośląska-Straße gab mir die Adresse in Praga in der Konopacka-Straße. Ich begab mich unverzüglich zu dieser Adresse. 123 00:21:24,133 --> 00:21:41,332 Ich klopfte voller Angst an der Tür. Die Tür machte mir die Schwester meines Vaters auf. Sie erkannte mich nicht. Ich war früher schlanker und kleiner. 124 00:21:41,333 --> 00:21:49,032 Jetzt kam ein großer Mann in einer unbekannten Uniform. Sie erkannten mich nicht. 125 00:21:49,033 --> 00:22:09,899 Aber hinter dem Rücken meiner Tante stand meine Mutter und ging auf mich zu. So sah die Begrüßung aus. Entschuldigung {weint}. 126 00:22:09,900 --> 00:22:30,366 Meine Mutter war dort zufällig, weil sie dort ein paar Tage verbrachte. Meine Mutter suchte sowohl mich als auch den Vater und musste preisgeben, wo mein Vater arbeitete. 127 00:22:30,367 --> 00:22:44,599 Als die neue Führung erfahren hat, wo mein Vater beschäftigt war, kam der Befehl, Warschau zu verlassen. Es kam zu Deportationen. 128 00:22:44,600 --> 00:23:04,432 Sie fuhren nach Myślibórz Dębno Lubuskie. Es war eine Stadt, die gar nicht zerstört wurde. Die Deutschen wurden ausgesiedelt 129 00:23:04,433 --> 00:23:13,299 und die leeren Häuser wurden von Übersiedlern aus den Ostgebieten übernommen. 130 00:23:13,300 --> 00:23:23,932 Sie kamen aus den früheren polnischen Regionen, die später der Ukraine und Weißrussland zugesprochen wurden. 131 00:23:23,933 --> 00:23:40,899 Dort siedelten sich meine Schwester und ihr Mann an, da sie in der Zwischenzeit heirateten. Wir kamen dorthin und ich arbeitete ein Jahr lang in einer Fabrik. 132 00:23:40,900 --> 00:23:57,132 Ich kehrte später nach Warschau zurück. Ich hatte einen Kameraden, der im Aufstand vor meinen Augen ermordet wurde. Ich fand seine Familie. 133 00:23:57,133 --> 00:24:10,566 Ich habe meinen Kameraden bestattet und ich zeigte nach dem Krieg seiner Familie sein Grab. Dank ihrer Hilfe bekam ich eine Arbeit. Ich arbeitete und schloß meine Ausbildung ab. 134 00:24:10,567 --> 00:24:11,899 IV: (???) 135 00:24:11,900 --> 00:24:27,632 JK: Ich beendete nach zwei Jahren die Fachschule für Automechanik und besuchte weiter eine Kaufmännische Fachschule und wurde Kaufmann. 136 00:24:27,633 --> 00:24:28,499 JK: {lächelt}. 137 00:24:28,500 --> 00:24:29,966 IV: Haben Sie eine Familie gegründet? 138 00:24:29,967 --> 00:24:44,199 JK: 194.. Als ich von Dębno nach Warschau zurückkehrte, fand ich einen Vetter meiner Großmuter. Er hatte bei Warschau ein Holzhaus. 139 00:24:44,200 --> 00:25:00,832 Es war an der Eisenbahnlinie von Warschau nach Otwock gelegen. Es war ein Stadtviertel am Rande der Stadt, wo sich viele Kurorte befanden. 140 00:25:00,833 --> 00:25:12,366 Dort gab es Kurorte. Der Vetter hatte ein Ferienhaus und bot mir an, bei ihm zu wohnen. 141 00:25:12,367 --> 00:25:23,499 Dieser Ort hieß Radość ("Freude") und heutzutage ist er ein Stadtteil der Hauptstadt Warschau. Früher war es ein selbständiger Ort. 142 00:25:23,500 --> 00:25:40,999 Es war früher ein Ort am Stadtrand von Warschau. Täglich fuhr ich mit dem Zug zur Arbeit. Auf meinem Weg lag ein Lebensmittelgeschäft, in dem ein junges Mädchen arbeitete. 143 00:25:41,000 --> 00:25:54,166 Als ich einmal sehr spät von der Arbeit zurückkam, wollte ich dort etwas einkaufen und ging hinein. Dieses junge Mädchen fragte mich, woher ich komme. 144 00:25:54,167 --> 00:26:03,832 Wir begannen ein Gespräch, das bis 4.00 morgens dauerte. Sie stand hinter der Ladentheke, ich davor. Wir sprachen über unsere Familien. 145 00:26:03,833 --> 00:26:17,499 Es stellte sich heraus, dass sie mit 14 Jahren ihren Vater verloren hatte. Und mit 15 verlor sie während der Kriegskämpfe im Warschauer Kreis ihre Mutter. 146 00:26:17,500 --> 00:26:29,366 Als die Russen nach Warschau vordrangen, tötete ein Geschosssplitter ihre Mutter. Sie blieb mit ihrem 8 Jahre alten Bruder alleine zurück. 147 00:26:29,367 --> 00:26:39,332 Es bandelte sich eine engere Beziehung an. Aus dieser Beziehung wurde ein Ehepaar. 148 00:26:39,333 --> 00:26:47,999 Wir heirateten 1949. Sie wurde im Oktober 20 und ich im Februar. 149 00:26:48,000 --> 00:26:58,732 Als wir beide 20 Jahre alt wurden, heirateten wir im August 1949. 150 00:26:58,733 --> 00:27:11,366 1951 kam mein älterer Sohn Leszek zur Welt, 1953 der jüngere Sohn Wojciech. 151 00:27:11,367 --> 00:27:15,832 IV: In welchem Beruf arbeiteten Sie? 152 00:27:15,833 --> 00:27:29,132 JK: Ich arbeitete als Kaufmann. Ich habe zuerst im Bauwesen gearbeitet. Ich war nicht im Büro. 153 00:27:29,133 --> 00:27:35,932 Die meisten Arbeitsplätze waren eben im Bauwesen. Warschau wurde wieder aufgebaut. 154 00:27:35,933 --> 00:27:43,966 Ich war bei einem Unternehmen, das Elektrowerke baute. Es war ein Warschauer Unternehmen zum Bau der Elektrowerke. 155 00:27:43,967 --> 00:27:55,599 Wir bauten die E-Werke in Polen und ich war für den Einkauf zuständig. Später wechselte ich in den Handel. 156 00:27:55,600 --> 00:28:07,499 In Warschau sollte ein neues Warenhaus eröffnet werden und ich meldete mich dort zur Arbeit. Später leitete ich eine Kette von Sportgeschäften. 157 00:28:07,500 --> 00:28:18,466 Ich spezialisierte mich im Sportartikelvertrieb. Ich leitete große Sport- und Jagdartikelgeschäfte. 158 00:28:18,467 --> 00:28:31,399 IV: Wann begannen Sie, sich mit dem Thema Konzentrationslager zu beschäftigen? Haben Sie sich überhaupt damit beschäftigt? Wenn ja, was war der Grund? 159 00:28:31,400 --> 00:28:35,499 Haben Sie mit Ihrer Familie oder mit Ihrer Frau darüber gesprochen? 160 00:28:35,500 --> 00:28:51,666 JK: Meine Frau kannte meinen ganzen Lebenslauf. Ich versuche, die Bücher und Erinnerungsstücke zu erhalten, die Konzentrationslager zum Thema haben. 161 00:28:51,667 --> 00:29:00,899 SIe ist am besten im Bild, wo ich während der Besatzung war und was ich machte. 162 00:29:00,900 --> 00:29:17,899 Ich begann, mich ehrenamtlich zu engagieren. Es entstanden viele Organisationen. Die erste Organisation, der ich beigetreten bin, war der Verband junger Soldaten. 163 00:29:17,900 --> 00:29:33,832 Dort wurden alle jungen Menschen, egal ob Mädchen oder Jungen aufgenommen, die bei einer Armee gedient haben. 164 00:29:33,833 --> 00:29:47,266 Es waren welche, die mit der ersten oder der zweiten Polnischen Armee vom Osten kamen. Es waren einige dabei, die in den Untergrundorganisationen tätig waren. 165 00:29:47,267 --> 00:29:57,332 Es waren zum Beispiel: AK (Armia Krajowa), NSZ oder WIN. Es waren auch Soldaten von der Anders-Armee. Es waren viele Kinder. 166 00:29:57,333 --> 00:30:13,599 General Sikorski erkämpfte ein Abkommen mit der Sowjetunion, wonach die Polen aus den Internierungslagern entlassen wurden und über Irak nach England und nach Palästina gingen. 167 00:30:13,600 --> 00:30:25,566 Viele Polen wurden in die abgelegenen Regionen der Sowjetunion interniert und wurden später in diese Länder transportiert. 168 00:30:25,567 --> 00:30:38,566 Diese jungen Männer schlossen sich der Anders-Armee an. Und sie gründeten eine Organisation "Söhne der Kompanie." 169 00:30:38,567 --> 00:30:48,499 Man konnte sie gar nicht anders nennen, denn sie alle waren Söhne von den Soldaten. 170 00:30:48,500 --> 00:31:02,066 So entstand die Organisation "Söhne der Kompanie", die junge Männer als Mitglieder hatte. Sie waren nicht mal 16 Jahre alt, aber nahmen schon am Kriegsgeschehen teil. 171 00:31:02,067 --> 00:31:10,499 1946 entstand die Organisation "Verband der Ehemaligen KZ-Häftlinge". 172 00:31:10,500 --> 00:31:11,699 IV: In welchem Jahr? 173 00:31:11,700 --> 00:31:15,132 JK: 1946. 174 00:31:15,133 --> 00:31:19,233 IV: (???)