1 00:00:00,000 --> 00:00:02,332 SB: Darüber haben wir uns gestern unterhalten. 2 00:00:02,333 --> 00:00:17,366 Es gab, es gab viele wie gesagt, die die Schublade zugemacht haben und nicht erzählen wollten und die Kinder, wie gesagt, die Eltern gedrängt haben, dass sie erzählen sollen.. 3 00:00:17,367 --> 00:00:24,566 Einigen ist es gelungen, anderen nicht. Andere, andere Eltern haben wie gesagt ihr, ihr Geheimnis mit ins Grab genommen. 4 00:00:24,567 --> 00:00:33,832 Es gab wieder andererseits, es war schwer ein hörendes Ohr zu finden. 5 00:00:33,833 --> 00:00:38,499 Ich spreche von den ersten Jahren als wir ins Land kamen. Ich spreche von Israel. 6 00:00:38,500 --> 00:00:49,299 Denn es wurde uns, ich will nicht sagen direkt vorgeworfen, ja, aber es wurde uns die Frage gestellt, warum seid ihr so passiv gewesen. 7 00:00:49,300 --> 00:01:01,332 Später hat sich rausgestellt, nicht überall war man passiv. Ja, übrigens die ganze, das ganze System war, uns zu einer gewissen Passivität zu bringen. 8 00:01:01,333 --> 00:01:07,632 Das heißt moralisch so zu zermürben, dass wir keinen Widerstand leisten konnten. 9 00:01:07,633 --> 00:01:17,832 Aber wo es gab Plätze, zum Beispiel der Warschauer Aufstand, 1942, ja, ich spreche vom jüdischen Aufstand, oder vom Ghettoaufstand. 10 00:01:17,833 --> 00:01:35,032 Oder es gab auch Aufstände in verschiedenen Lagern, zum Beispiel in Treblinka, in Belzec, das war in Polen, ja, wo sich Gruppen gruppiert haben im Lager und, und Aufstände gemacht haben. 11 00:01:35,033 --> 00:01:38,999 Aber die hatten auch zu kämpfen mit Insassen im Lager. 12 00:01:39,000 --> 00:01:46,666 Denn es waren im Lager, in den Lagern waren Leute da, waren Leute da, die dagegen waren. 13 00:01:46,667 --> 00:01:56,066 Denn sie wussten genau in dem Augenblick wenn der Aufstand vorkommen wird, sie diesem Trupp preisgegeben werden. 14 00:01:56,067 --> 00:02:02,199 Und so hatten sie doch irgendwie die Hoffnung zu überleben. 15 00:02:02,200 --> 00:02:19,832 Wie gesagt erst in den letzten Jahren, in den letzten Jahren ist eine gewisse Tendenz in der Welt, ich spüre es in der ganzen Welt, noch Information zu bekommen aus erster Quelle, was in den Kriegsjahren geschehen ist. 16 00:02:19,833 --> 00:02:34,499 Denn man ist zur Einsicht gekommen, das wird nicht mehr lange dauern, dass die erste Quelle vorbei ist und man nur noch von, aus verschiedenen Erzählungen, Erzählungen informiert werden wird, was, was geschah. 17 00:02:34,500 --> 00:02:45,499 So dass heute verschiedene, verschiedene Autoren aufkommen, die vorher nicht bekannt waren, ja, die Bücher schrieben und die Bücher werden heute bekannt. 18 00:02:45,500 --> 00:03:03,999 Ich spreche von Israel. Und genau dasselbe von, von Leuten, die, die ihre Begebenheiten, ihre Biografie erzählen, sei in Yad Vashem, sei andererseits auch bei Spielberg. 19 00:03:04,000 --> 00:03:05,532 IV: in dem Archiv.. 20 00:03:05,533 --> 00:03:06,966 SB:.. in dem Archiv Spielberg. 21 00:03:06,967 --> 00:03:11,232 IV: Und Sie konnten von Anfang an auch schon, wollten erzählen, konnten das auch emotional? 22 00:03:11,233 --> 00:03:18,499 SB: Ich wollte erzählen und war bereit zu erzählen, wer, wer mir zuhorchen wollte. 23 00:03:18,500 --> 00:03:24,266 Aber nicht überall habe ich offene, offenes Gehör gefunden wie gesagt. 24 00:03:24,267 --> 00:03:31,132 Wieder dasselbe, Herr Ulrich fragte mich gestern wie, mit den Söhnen ob sie interessiert. Sag' ich, nicht nur die Söhne, auch meine Enkel. 25 00:03:31,133 --> 00:03:37,166 Denn wenn Enkel fängt es anders an. Als kleines Kind fragen sie immer. 26 00:03:37,167 --> 00:03:42,999 "Saba", Saba, das ist Großvater oder Opa, ja, "was ist das?" Das musste ich denen dann erklären. 27 00:03:43,000 --> 00:03:50,999 Erklären jedem Kind in laut seinem Alter, damit er es versteht. 28 00:03:51,000 --> 00:04:00,332 Und so kam das Interesse immer weiter, immer weiter fort und so dass zum heutigen Tag und ich bin daran interessiert. 29 00:04:00,333 --> 00:04:09,866 Die älteren Enkel waren alle schon in, in Europa, meistens in Polen, um die Vernichtungslager zu besuchen. 30 00:04:09,867 --> 00:04:17,499 Und ich hoffe, dass bei den jüngeren Kindern, die noch nicht, die noch nicht dazu bereit sind, ja, dass, dass sie es noch machen werden. 31 00:04:17,500 --> 00:04:27,832 IV: Es gibt ja auch viele Menschen, die sozusagen dann auch die überlebt haben, ausgewandert sind nach Israel, nach Amerika und gesagt haben, "ich werde nie mehr nach Deutschland zurückkehren." 32 00:04:27,833 --> 00:04:34,832 Viele haben zum Beispiel das Sprechen der deutschen Sprache eingestellt sozusagen auch um ein Schnitt zu setzen oder weil sie das nicht ertragen konnten. 33 00:04:34,833 --> 00:04:37,832 Wie ging Ihnen das in der Beziehung auch mit dem Zurückkommen? 34 00:04:37,833 --> 00:04:45,699 SB: Schauen Sie, es gibt zwei Begriffe: Es gibt ein Heimatland, es gibt ein Geburtsland. 35 00:04:45,700 --> 00:04:52,766 Bei mir das Geburtsland ist Deutschland. Ich hab', ich hab' Deutschland nicht als Kind verlassen, als Säugling verlassen. 36 00:04:52,767 --> 00:05:02,066 Ich hab' Deutschland verlassen als 14-Jähriger. Ich hab' schon Erinnerungen aus Deutschland, so dass es mich doch noch immer.. 37 00:05:02,067 --> 00:05:11,466 Ich bin das erste Mal als ich nach Köln kam nach dem Krieg, das war im Sommer '45 von Schwandorf aus, ja. 38 00:05:11,467 --> 00:05:18,099 Meine erste Fahrt war nach Köln obwohl ich wusste, dass ich in Köln niemanden zu finden habe. 39 00:05:18,100 --> 00:05:26,332 Ja, jemand wusste ich, dass ich finden werde und zwar wie gesagt, wie ich vorhin schon erwähnt habe, meine Großmutter, ja, 40 00:05:26,333 --> 00:05:48,499 die dort begraben ist auf dem jüdischen Friedhof, der heute existiert und ein Onkel von mir, der dort begraben ist, sowie die Inschrift auf dem Denkmal der ehemaligen jüdischen Frontsoldaten des 1. Weltkrieges, wo mein Onkel auch, auch genannt wird, der im ersten Krieg gefallen ist. 41 00:05:48,500 --> 00:05:56,166 Übrigens dieser Onkel, der fiel, ja, hat sich als Freiwilliger gemeldet, er war nicht, er war nicht kriegspflichtig. 42 00:05:56,167 --> 00:06:02,566 Aber hat sich als Freiwilliger gemeldet und ist dann im Osten gefallen. Und sein Grab ist unbekannt. 43 00:06:02,567 --> 00:06:08,666 IV: Also Sie konnten auch wieder auch später zurück kehren nach Deutschland.. 44 00:06:08,667 --> 00:06:17,532 SB: Ich hab' immer.. Es sind verschiedene Punkte heute in Deutschland da, die mich an verschiedene Begebenheiten erinnern, 45 00:06:17,533 --> 00:06:21,832 zum Beispiel die Schule, die ich besucht habe, existiert noch bis heute. 46 00:06:21,833 --> 00:06:34,132 Ja, ich hab', ich hab' Klassenbilder, Klassenbilder, sei von, von meiner Klasse, sei meines Bruders, meines jüngeren Bruders, der auch diese Volksschule besucht hat. 47 00:06:34,133 --> 00:06:43,766 Von Köln aus dieser Schule, wie ich war mit meinen Söhnen vor, wir waren vor vier Jahren in Köln, ja, war dann auch im Sommer, war Ferien. 48 00:06:43,767 --> 00:06:58,999 Wir waren, war ich in der Schule. Und das Gebäude steht und hab' denen dann das Bild gezeigt, wo ich bin und im Hintergrund, im Hintergrund die Wand oder die Fassade des Gebäudes, ja. 49 00:06:59,000 --> 00:07:06,966 Dann kam eine Frau aus dem Haus, die dort scheinbar arbeitet und fragte mich: "Wen suchen Sie?" 50 00:07:06,967 --> 00:07:11,232 Im Moment wusste ich nicht was zu antworten, sagte ich: "Ich suche meine Vergangenheit." 51 00:07:11,233 --> 00:07:16,032 Aber sie hat's bald verstanden und ist weitergegangen ja. Und hab' meinen Sohn ihnen geschildert. 52 00:07:16,033 --> 00:07:36,599 Übrigens in Köln existiert noch eine Synagoge, die bei der Kristallnacht nicht verbrannt wurde aus dem Grunde weil, weil damals, damals die Gefahr bestand, dass das Feuer übergreifen wird auf die Nachbar.., benachbarten Häuser, ist die Synagoge nur demoliert worden innen. 53 00:07:36,600 --> 00:07:43,966 Die Fassade steht, ist ein altes Gebäude, steht schon glaub' ich 100..130 Jahre oder so ungefähr. 54 00:07:43,967 --> 00:07:54,999 Und die Synagoge wird heute bedient als Gebethaus. Andere Gebäude sind, andere Synagogen sind niedergebrannt worden, sowie jüdische Kaufhäuser, Warenhäuser, ja. 55 00:07:55,000 --> 00:08:08,432 Ich kann mich an die Kristallnacht erinnern, ich kann mich erinnern an den Moment, an den Moment als, als die jüdische Geschäfte, die jüdische Geschäfte demoliert worden sind. 56 00:08:08,433 --> 00:08:14,699 Denn die Kristallnacht, die Kristallnacht war nicht nur die jüdische Synagogen. 57 00:08:14,700 --> 00:08:32,832 Und als, wie.. Ich hab' glaub' ich schon vorhin geschildert, als morgens, als morgens der Bote kam und uns frische Backwaren brachte, denn meine Eltern führten einen Lebensmittelladen, ja. 58 00:08:32,833 --> 00:08:40,432 Und das Geschäft war noch zu und kann ich mich erinnern als er sagte: "Herr Brückner öffnen Sie nicht das Geschäft, denn die Synagogen brennen." 59 00:08:40,433 --> 00:08:45,899 Ich war damals zu Hause und mein jüngerer Bruder war schon in der Schule. 60 00:08:45,900 --> 00:09:07,566 So dass ich direkt zur Schule lief und das war ja eine Entfernung von ca., von ca. 30, 40 Minuten zu Fuß und hab' dann die SS-Horden und SA-Horden sehen gehen durch die Straßen und, und alles, alles was jüdisch war demoliert haben. 61 00:09:07,567 --> 00:09:34,999 Ich hab' dann meinen Bruder aus der Schule geholt, kam zurück und traf zu Hause einen fremden Mann mit einer gelben Binde und drei Punkte, er war Kriegsinvalide vom 1.Weltkrieg, den ich nicht kannte. 62 00:09:35,000 --> 00:09:42,999 Nachdem ich nach Hause kam, meine Mutter hat mir, hat mich vorgestellt, ja, und der Mann verließ dann das, verließ dann das Haus. 63 00:09:43,000 --> 00:09:49,166 Erzählte meine Mutter.. Meine Mutter hatte eine Cousine in Köln, wir wohnten in Köln. 64 00:09:49,167 --> 00:10:14,866 Und dieser Mann war wie gesagt Kriegsinvalide, er war Jude, wohnte als Untermieter bei dieser Cousine meiner Mutter und als diese Cousine hörte, dass die, dass die Synagogen und Geschäfte angezündet werden, sie ihn bat zu uns zu gehen und zu sehen was, was bei uns vorkommt, ja. 65 00:10:14,867 --> 00:10:21,799 Dieser Mann kam an, das erzählte mir meine Mutter nachher, kam an, schellte, und sagt: "Hier wohnt Brückner?" 66 00:10:21,800 --> 00:10:30,299 Sagt meine Mutter, nein, denn Sie war.. Moment. Sie sah einen fremden Mann, sagt er: "Aber Sie sind doch Frau Brückner." 67 00:10:30,300 --> 00:10:40,532 Sagt sie: "Nein." Sagt sie.. Er sagt.. Stellt er sich vor: Ich wohne bei Familie Silberstein, das war der Name meiner, der Cousine meiner Mutter und sie hat mich geschickt. 68 00:10:40,533 --> 00:10:43,199 Als meine Mutter das schon hörte, hat sie ihn reingebeten, ja. 69 00:10:43,200 --> 00:11:00,966 In diesem Augenblick, als sie noch draußen standen und zwischen ja und nein, kam eine Horde von, von SA-Leuten und sagten: "Hier ist ein jüdisches Geschäft." Kamen zu, dieser Mann stand da, sagte: "Dies ist mein Geschäft, ich bin Kriegsinvalide. Lassen wir dann gehen." 70 00:11:00,967 --> 00:11:06,366 Und sind dann weitergegangen, so dass unser Geschäft gerettet wurde von dem Mann. 71 00:11:06,367 --> 00:11:23,999 Nach dieser, nach dieser Kristallnacht die jüdischen Geschäfte durften nicht mehr geöffnet werden, nicht, nicht renoviert und nicht geöffnet und so dass jeder, ein großer Teil oder viele Juden sind nachher eingeliefert worden nach, ins Konzentrationslager, damals war es Dachau. 72 00:11:24,000 --> 00:11:42,999 Ja, und das hab' ich als Kind miterlebt. Teil sind umgekommen, Teil hat zum Glück, sind befreit worden, einem Teil hat man die Nachricht geschickt, gegen einen gewissen Entgelt könnt ihr, könnt ihr die Urne, die Urne mit der Asche bekommen. 73 00:11:43,000 --> 00:11:49,166 IV: Sie haben jetzt diese ganze Geschichte ja mit ziemlich viel Fassung auch geschildert, sehr distanziert. 74 00:11:49,167 --> 00:12:02,166 In dieser Zeit, Sie sind dann ja praktisch ab '39 oder so waren Sie alleine und haben diese Odyssee durch diese verschiedene Arbeitslager und dieses Konzentrationslager gemacht. 75 00:12:02,167 --> 00:12:07,832 Was war denn das Schlimmste für Sie in der Zeit oder was war für Sie vielleicht auch das Schlimmste hier in Flossenbürg? 76 00:12:07,833 --> 00:12:16,666 SB: Das Schlimmste war die hoffnungslose Momente, wo ich schon wusste, dass ich allein auf der Welt dastehe. 77 00:12:16,667 --> 00:12:25,232 Einerseits, andererseits wusste ich, ich hatte den Drang zum Leben, ja. 78 00:12:25,233 --> 00:12:34,732 Ich hatte Familie im Ausland, zwei Schwestern, Halbschwestern, wohnten damals in Israel oder in Palästina, die vor dem Krieg ausgewandert sind. 79 00:12:34,733 --> 00:12:46,732 Ich hatte, ich hatte Geschwister, Geschw.. oder Tanten, Tanten und einen Onkel in Israel wohnen, ja. 80 00:12:46,733 --> 00:12:56,932 Der Großvater, die Großmutter war in, ist in Köln gestorben noch vor dem Krieg, aber der Großvater wohnte in Israel, in Palästina. 81 00:12:56,933 --> 00:13:01,199 Ich wusste nicht, dass er schon nicht mehr am Leben war, er ist während des Krieges gestorben. 82 00:13:01,200 --> 00:13:12,232 Übrigens dieser, dieser Großvater, ja, hat einen Enkelsohn, der nach seinem Tod geboren wurde, ja, der heutige Bürgermeister von Haifa. 83 00:13:12,233 --> 00:13:19,599 Ist also ein Cousin von mir, aber er heißt, er hat den Namen schon hebräisiert. 84 00:13:19,600 --> 00:13:28,499 IV: Also die Hoffnung war für Sie, dass es woanders noch welche gibt, die auf Sie warten vielleicht und sozusagen ein Ziel, ein Ziel für das Überleben auch, oder.. 85 00:13:28,500 --> 00:13:32,566 SB: Ich weiß nicht wie ich das, wie ich die Zukunft gestalten werde. 86 00:13:32,567 --> 00:13:40,766 Ich wusste das nicht, ja, aber vor allem, vor allem der Drang zum Leben, der Drang zum Leben. 87 00:13:40,767 --> 00:14:02,366 Ich wollte, es waren Momente da, wo ich wie gesagt die Hände gehoben habe, aber andererseits wieder hab' ich Momente gesehen wieder, ich bin gläubig, ich stamme aus gläubigem Haus und bin auch heute gläubig, ja, und sehe immer da, immer eine gewisse Fügung Gottes da. Ja. 88 00:14:02,367 --> 00:14:11,399 Man muss auch die andere Seite des Lebens betrachten und das hat mir den Mut gegeben. Das hat mir den Mut gegeben. 89 00:14:11,400 --> 00:14:18,199 IV: Das ist ja gut, denn den haben viele nicht gehabt. Aber vielleicht nochmal so zurückkommen auch auf die Zeit hier. 90 00:14:18,200 --> 00:14:27,332 Was war am schwierigsten, was war am schwierigsten auszuhalten. Sie haben gesagt die Momente der Hoffnungslosigkeit aber auch von dem Faktischen, was war das Schlimmste einfach. 91 00:14:27,333 --> 00:14:54,732 SB: Am Schwierigsten waren die Wintermonate. Die Wintermonate ja, das Appellstehen bei Frost, bei Schnee, ja, minimale, minimale Bekleidung, ja, und wie gesagt einerseits die Hoffnung und andererseits das Hoffnungslose. 92 00:14:54,733 --> 00:15:00,666 Es waren keine Zeichen da. Man sagte, ja, die Front rückt näher. 93 00:15:00,667 --> 00:15:12,999 Nicht einmal ist die Gegend bombardiert worden, ich muss mich schon so ausdrücken, wir hörten die Flugzeuge über uns fahren, wir wussten nicht was für Flugzeuge das waren. 94 00:15:13,000 --> 00:15:22,466 Flieger, wir wussten nicht was für eine, ja, aber sind noch über uns geflogen, wir wussten nicht was. 95 00:15:22,467 --> 00:15:29,499 Das war, es waren Momente da, da man die Hoffnung verliert. 96 00:15:29,500 --> 00:15:38,932 Um noch dies zu überwinden, das hat gewisse Kraft, hat gewisse Kraft gekostet. 97 00:15:38,933 --> 00:15:47,566 IV: Also Sie haben ja auch erzählt dieser Kontakt zu dem Bibelforscher. Also es gab schon auch sowas wie Freundschaft und Unterstützung. 98 00:15:47,567 --> 00:15:51,432 SB: Ja, er hat mir, hat mir sehr viel Mut eingeflößt, wie gesagt, ja. 99 00:15:51,433 --> 00:16:00,499 Er hat mir immer gesagt, Samuel, die Hoffnung, ich konnte nicht, ich konnte ihn nicht fragen, woher hast du, woher nimmst du das, oder woher weißt du das. 100 00:16:00,500 --> 00:16:14,999 Ich hab' gesehen, dass irgendwie wie gesagt sich zurückhielt, ja, er blockiert, hatte seine Gründe dafür scheinbar, ja. Aber ich glaubte es ihm, ich hab's ihm geglaubt. 101 00:16:15,000 --> 00:16:26,866 IV: Und ansonsten haben Sie mal Unterstützung...Sie haben ja erzählt sozusagen nach dem Todesmarsch haben Leute Sie aufgenommen, unterstützt, es gab auch mal was zu essen, auch vorher, es war ja eine Odyssee zwischen den verschiedenen Lagern. 102 00:16:26,867 --> 00:16:29,666 Gab es hier Kontakte zur Zivilbevölkerung? Gab es auch mal.. 103 00:16:29,667 --> 00:16:30,999 SB: Nein. 104 00:16:31,000 --> 00:16:32,699 IV: Gab es auch mal irgendwie.. 105 00:16:32,700 --> 00:16:37,832 SB: Nach, nach meiner Befreiung kam ich nicht nach Flossenbürg zurück, obwohl ich hier in der Nähe gewohnt habe. 106 00:16:37,833 --> 00:16:42,999 Entschuldigen Sie. Ich wohnte in Schwandorf, ja, aber ich kam nicht nach Flossenbürg. 107 00:16:43,000 --> 00:16:59,332 Ich musste mir die Überbrückung der Kriegszeit, der ganzen Kriegsjahre und der Befreiungszeit und ich wusste noch nicht wie ich meine Zukunft gestalten werde. 108 00:16:59,333 --> 00:17:02,299 Ich wusste eins, in Deutschland will ich nicht bleiben. 109 00:17:02,300 --> 00:17:23,166 Ich hatte die Möglichkeit in Deutschland zu bleiben, es wurde mir, es wurden mir Möglichkeiten, Möglichkeiten gegeben, ja, denn wie gesagt auf dem... von Schwandorf aus, von Schwandorf aus bevor ich, bevor wir nach Israel gingen, kamen wir nach Teublitz. 110 00:17:23,167 --> 00:17:29,432 Teublitz ist ein Dorf, ein Dorf auf dem Weg von Schwandorf, zwischen Schwandorf und Burglengenfeld, ja. 111 00:17:29,433 --> 00:17:37,299 Dort gruppierte sich eine Gruppe, die sich vorbereitete auf den, auf die Auswanderung nach Palästina. 112 00:17:37,300 --> 00:17:42,166 Und dort war ich, dort habe ich übrigens meine Frau kennen gelernt. 113 00:17:42,167 --> 00:18:02,332 Und, und ich war sogenannter Mittelsmann zwischen den, zwischen der Leitung dieser Schule und, und den Behörden nach außen, so wie Bürgermeistern Teublitz, Burglengenfeld. 114 00:18:02,333 --> 00:18:15,232 Ja, denn ich kannte die deutsche Sprache und es wurde mir die Gelegenheit, ich wurde gefragt mitunter ob ich nicht doch vorhabe in Deutschland zu bleiben und ich hab' immer gesagt, nein. 115 00:18:15,233 --> 00:18:20,799 IV: Jetzt vielleicht noch eine Frage. Sie haben vorhin mal so gesagt, als Sie das erste Mal zurück gekommen sind, Sie haben gar nichts wieder erkannt. 116 00:18:20,800 --> 00:18:29,966 Jetzt sind Sie ja schon öfter.. hier in Flossenbürg sozusagen vom Lager. Also wenn Sie sich jetzt auch so umschauen, man sieht vorne die Kommandantur, man sieht noch ein paar Türme. 117 00:18:29,967 --> 00:18:32,766 Irgendwie löst das was eine Erinnerung aus wie Sie gearbeitet haben.. 118 00:18:32,767 --> 00:18:34,332 SB: Schwer. 119 00:18:34,333 --> 00:18:40,232 Schwer. Schwer ich kann mich schwer an, erstens das Grüne, das täuscht, ja. 120 00:18:40,233 --> 00:18:58,532 Außerdem, seit wir, seit ich das zweite Mal nach Flossenbürg kam von Hersbruck bis zum Verlassen Flossenbürg zur Evakuation habe ich das Lager nicht verlassen, denn wir haben im Lager gearbeitet. 121 00:18:58,533 --> 00:19:01,332 IV: Also der Arbeitsplatz von Messerschmitt war auch direkt im Lager hier. 122 00:19:01,333 --> 00:19:09,499 SB: Hier, ja, das waren die Hallen, die Baracken, große Baracke, die im Lager war, die im Lager war. Und nachher, was mir diese.. 123 00:19:09,500 --> 00:19:14,332 IV: Das war glaub' ich auch noch bebaut. Wo jetzt der Appellplatz ist, waren glaub' ich noch so Fabrikhallen, Industrie.. 124 00:19:14,333 --> 00:19:20,432 SB: Eben. Was mir, was mir der Hotelinhaber, der Gasthofinhaber in Weiden gesagt hat, das hat auf mich gewirkt. 125 00:19:20,433 --> 00:19:27,099 Sag' ich..Wenn das, wenn das die Wahrheit sein soll, habe ich hier nichts zu suchen. 126 00:19:27,100 --> 00:19:32,666 Nachdem ich schon, nachdem ich schon Dachau besucht hatte und in Dachau sieht anders aus, ja. 127 00:19:32,667 --> 00:19:34,499 IV: Das war ja damals auch schon wieder hergerichtet. 128 00:19:34,500 --> 00:19:35,499 SB: Eben. Deswegen. 129 00:19:35,500 --> 00:19:36,566 IV: Also ein Versuch.. 130 00:19:36,567 --> 00:19:46,132 SB: Was ich fragen wollte, ich weiß nicht ob Sie das gehört haben, ob Sie mir antworten können, weil ich gestern mir jemand erzählt hat, 131 00:19:46,133 --> 00:19:57,866 dass irgendwie ein Plan existiert hier in Flossenbürg wieder Baracken aufzubauen, um das ehemalige Bild des, des Lagers zu authentieren, zu verwirklichen. 132 00:19:57,867 --> 00:20:00,499 IV: Also ich glaube hier sicherlich nicht in Flossenbürg. 133 00:20:00,500 --> 00:20:15,166 SB: Nicht in Flossenbürg. Das hat mir jemand erzählt, das hat mir jemand erzählt dessen Onkel, per Zufall wir kamen ins Gespräch, dessen Onkel aus dieser Umgebung in Flossenbürg war und in Flossenbürg umgekommen ist. 134 00:20:15,167 --> 00:20:19,032 IV: Ich glaub' jetzt das Bild wie es jetzt ist, wird auch so zukünftig so.. 135 00:20:19,033 --> 00:20:26,466 SB: Das heißt, es wird nicht zugebaut, um das Bild zu, das Bild der Vergangenheit zu verwirklichen. 136 00:20:26,467 --> 00:20:28,332 IV: Ich denke jetzt mit dieser neuen Ausstellung.. 137 00:20:28,333 --> 00:20:29,399 SB: Kann sein. 138 00:20:29,400 --> 00:20:38,966 IV: .. denk' ich hat man versucht sozusagen historisch anhand von Bildern und Filmen alles zu zeigen und durch diese sozusagen, dass man den Appellplatz wie er damals war so ein bisschen.. 139 00:20:38,967 --> 00:20:46,266 SB: Hier in Deutschland habe ich nur Dachau besucht, ja, aber andere Lager zum Beispiel Auschwitz..Ich weiß nicht ob Sie Auschwitz besucht haben, ja? 140 00:20:46,267 --> 00:20:47,499 IV: Ja. 141 00:20:47,500 --> 00:20:49,266 SB: Das stellt ein anderes Bild dar. 142 00:20:49,267 --> 00:20:50,332 IV: Ja. 143 00:20:50,333 --> 00:20:53,299 SB: Das stellt ein ganz anderes Bild dar. 144 00:20:53,300 --> 00:20:58,999 IV: Auch wenn nicht, gar nicht so viel da ist, aber ich mein' hier ist, es ist wie so ein Park. 145 00:20:59,000 --> 00:21:00,932 SB: Das täuscht, das Grüne. 146 00:21:00,933 --> 00:21:06,632 IV: Ist wie ein Friedhof oder es hat auch was, man kann es einfach sagen, es hat auch was Idyllisches. 147 00:21:06,633 --> 00:21:16,666 SB: Ja. Und wenn heute ein, jemand kommt, ein Laie, in Anführungstrichen, ja, und wenn man ihm erzählt, was hier vorkam. 148 00:21:16,667 --> 00:21:27,566 Er kann sich das schwer vorstellen wie das aussah, ja, denn er sieht, er sieht das Wirkliche heute, nicht das was vor Jahren war. 149 00:21:27,567 --> 00:21:48,066 Aber trotzdem, es ist viel getan worden hier, viel, es wird auch viel getan, das merke ich ja, um zu erhalten was noch zu erhalten ist, um die nächsten Generationen.. 150 00:21:48,067 --> 00:22:00,032 Weil ich kann mich erinnern als ich das vorige Jahr hier war, da mit dem, mit dem Chauffeur, der uns herbrachte, sagt' ich ihm, heisst Heckel. Sag' ich: "Herr Heckel", sag' ich. 151 00:22:00,033 --> 00:22:07,866 "Sie sind jetzt frei, verabreden wir, wann wir uns wieder treffen", und da fragt er mich ob ich nichts dagegen habe, wenn er uns begleiten darf. 152 00:22:07,867 --> 00:22:21,932 Sag' ich, bitte sehr. Und begleitet er uns und waren, waren hier verschiedene Gruppen, die sich herumdrehten und ich.. und da ließ er irgendwie ein Wort fallen und zeigte auf mich, dass ich im Lager war. 153 00:22:21,933 --> 00:22:31,199 Und als die Leute das hörten, haben sie mich überfallen, ja. Ich soll ihnen erzählen wie es hier aussah und haben Fragen an mich gestellt. Das.. 154 00:22:31,200 --> 00:22:34,199 IV: Das wäre 20 Jahre vorher vielleicht nicht passiert. 155 00:22:34,200 --> 00:22:34,999 SB: Das wäre.. 156 00:22:35,000 --> 00:22:37,132 IV: Da haben die Leute eher vielleicht Angst gehabt.. 157 00:22:37,133 --> 00:22:42,466 SB: Als ich vor 29... keine Seele gesehen hier, keine lebendige Seele gesehen, ich war alleine hier. 158 00:22:42,467 --> 00:22:46,099 Bin ganz alleine auf diesem Gelände gewesen. 159 00:22:46,100 --> 00:22:50,566 IV: Ich bin mit meinen Fragen jetzt so gut wie fertig. Ihr habt euch ja schon mal unterhalten. 160 00:22:50,567 --> 00:22:56,299 Gibt's thematisch noch irgendwas was vielleicht wichtig wäre, jetzt nachdem was du schon mal gehört hast? 161 00:22:56,300 --> 00:23:04,099 IV2: Ne, für die Vollständigkeit also der, der Geschichte. Ich hab' nur immer noch nicht verstanden, wie sie damals von Köln nach Polen gekommen sind 1939. 162 00:23:04,100 --> 00:23:04,499 SB: Bitte? 163 00:23:04,500 --> 00:23:07,332 CM: Das müssten Sie aber Herrn Aue sagen. Stellst Du die Frage.. 164 00:23:07,333 --> 00:23:15,666 IV: Der Weg, ja, der Weg von Köln, also sozusagen, als jetzt, als Kind alleine als 14-Jähriger nach Polen. 165 00:23:15,667 --> 00:23:26,499 SB: Um, um es richtig zu stellen. Meine Eltern, meine Eltern sind gebürtig in Polen, ja, und kamen als Kinder nach Köln, nach Köln. 166 00:23:26,500 --> 00:23:32,966 Wenn ich sage als Kinder, meine Mutter nicht richtig nach Köln, sondern kam vorerst nach Essen, aber nachher kam sie nach Köln. 167 00:23:32,967 --> 00:23:42,232 Und mein Vater kam nach Köln und das ist, das war Ende des 19. Jahrhunderts, 18-hundert und soundso viel. 168 00:23:42,233 --> 00:23:54,066 Ja, und seit dem wohnte er in Köln mit einer gewissen Unterbrechung von einigen Jahren wo er in Elberfeld, in Elberfeld-Barmen wohnte, aber wieder nachher nach Köln zurückkam. 169 00:23:54,067 --> 00:24:08,099 Und wie gesagt, wie gesagt, meine Eltern haben in Köln geheiratet, aber nicht die deutsche Bürgerschaft angenommen. 170 00:24:08,100 --> 00:24:28,532 Das war deren Grund. Um jetzt die genaue, genaue Geschichte zu erzählen.. 1938 hat Polen sozusagen ein Gesetz rausgegeben. 171 00:24:28,533 --> 00:24:46,299 Diejenigen, die polnische Staatsbürger, die bis zum 28. Oktober '38, jetzt gebe ich genaue Daten an, die bis zum 28. Oktober '38 die polnische Grenze nicht überschreiten automatisch ihre polnische Bürgerschaft verlieren. 172 00:24:46,300 --> 00:24:48,599 IV: Das heißt, wer nicht zurück kommt.. 173 00:24:48,600 --> 00:24:53,599 SB: Verliert automatisch die.. 174 00:24:53,600 --> 00:25:01,266 Hitler sagte, ich habe genug meine Juden, ich brauche, ich kann verzichten auf soundso viele Tausende Juden. 175 00:25:01,267 --> 00:25:14,066 Es haben einige tausend Juden, polnische Staatsangehörige in Köln, in Deutschland gewohnt, ja, um noch soundso viele Juden staatenlos zu, zu, hier, zu beherbergen. 176 00:25:14,067 --> 00:25:41,599 Und in der Nacht vom 27/28 Oktober '38 fand eine Aktion statt in ganz Deutschland und alle polnischen Staatsbürger wurden zur Bahn gebracht und an die Grenze geschoben nach Polen. 177 00:25:41,600 --> 00:25:50,232 Es gab verschiedene Unterschiede. In diesen Plätzen, die näher der polnischen Grenze waren, wurden ganze Familien.. 178 00:25:50,233 --> 00:26:04,599 Es war auch die Frage, welche in welchen Orten. Es waren Orte da, wo man bei Nacht kam, denen eine Viertel Stunde Zeit gab den Leuten, abschließen, die Wohnung abschließen und mit zur Bahn. 179 00:26:04,600 --> 00:26:16,832 Oder es gab verschiedene Plätze, wie in Köln, ich werde es gleich in Einzelheiten erzählen, wo man denen Zeit gab, die zur, sich bei der Polizei zu stellen. 180 00:26:16,833 --> 00:26:26,999 Wie gesagt, die Transporte gingen am 28. an die Grenze, Polen war überrascht. 181 00:26:27,000 --> 00:26:35,332 Die ersten Transporte ließ er über die Grenze, die zweit.. die anderen Transporte schon nicht und versammelte sie.. 182 00:26:35,333 --> 00:26:42,332 Musste sie über die Grenze lassen.. An einem gewissen Grenzort auf der polnischen Seite der Zbąszyń hieß. 183 00:26:42,333 --> 00:26:50,799 Auf der deutschen Seite hieß das Dorf Bentschen, oder Neu-Bentschen glaub' ich, und auf der polnischen Seite Zbąszyń. 184 00:26:50,800 --> 00:26:58,599 Und dort gruppierte er die, die Transporte. Ich komme auf Köln zurück. 185 00:26:58,600 --> 00:27:18,666 In Orten so wie Köln, ich glaube es war, Köln war der einzige Platz, wo eine größere Anzahl von Juden polnischer Staatsbürgerschaft gelebt haben, wurden nur abtransportiert die Oberhäupter der, der Familie. 186 00:27:18,667 --> 00:27:27,766 Das heißt, Väter und Männer, die über, ich glaube, über 15 Jahre alt waren. Ich war damals kaum 13. 187 00:27:27,767 --> 00:27:37,032 Wir waren in der Schule und ich kann mich erinnern, mein Vater kam zur Schule und holte uns ab. 188 00:27:37,033 --> 00:27:48,499 Er spricht vorerst mit dem Lehrer und, und holt uns ab und auf dem Weg nach Hause erzählt er uns was vorkam, dass zwei Polizisten ins Geschäft kamen, 189 00:27:48,500 --> 00:28:02,799 ihm den Ausweisbefehl brachten und ihm sagten, dass am, am, um zwei Uhr gegen Mittag soll er sich mit einem Handkoffer, nicht mehr, im Polizeipräsidium melden. 190 00:28:02,800 --> 00:28:13,899 So war's. Und mein Vater ist abgeschoben worden mit allen Anderen. Wir blieben in Köln. 191 00:28:13,900 --> 00:28:26,899 Nachher kamen verschiedene Gerüchte, der Transport ging nicht über die Grenze, die Leute werden zurück kommen. Sie wissen ja wie's bei solchen Fällen existiert, aber das war nicht der Fall, kam über die Grenze. 192 00:28:26,900 --> 00:28:36,466 Wir bekamen nachher nach einigen Tagen eine Nachricht wo er angekommen ist. Jetzt komm' ich zurück nach Deutschland. 193 00:28:36,467 --> 00:28:55,499 In Breslau wohnte unter den Familien polnischer Staatsangehörigkeit eine Familie, gewissen Namens Grynszpan. Ein Sohn von denen, Herschel Grynszpan war zur Zeit in Paris. 194 00:28:55,500 --> 00:29:06,132 Die Eltern wurden abgeschoben aus Breslau und dieser Sohn in Paris wollte irgendwie einen gewissen Racheakt ausüben. 195 00:29:06,133 --> 00:29:20,132 Ging zum polnischen.. zum.. ans deutsche Konsulat, beschaffte sich einen Revolver und beschloss irgendwie ein Attentat auszuüben. 196 00:29:20,133 --> 00:29:45,332 Er schellte und es öffnete ihm nicht der Konsul persönlich, sondern ein Arbeiter im Konsulat, er hiess vom Rath und er ließ die Schüsse ab, verwundete ihn und dieser vom Rath einige Tage darauf starb. 197 00:29:45,333 --> 00:29:58,999 Und dass er starb eins oder zwei Tage vor dem 9. November und das war der Auslöser der Kristallnacht. Das war die genaue Geschichte. 198 00:29:59,000 --> 00:30:00,332 IV: Gut. Aber Ihre Geschichte.. 199 00:30:00,333 --> 00:30:07,999 SB: Jetzt, jetzt komm' ich wieder zurück, jetzt komm ich zurück auf unsere Geschichte. Wir, wie gesagt, blieben in Köln.. 200 00:30:08,000 --> 00:30:08,666 IV: Aber der Vater war schon.. 201 00:30:08,667 --> 00:30:24,932 SB: Mein Vater war in Polen. Ja. Und, und, meine Mutter liquidierte das Geschäft und meine Schwester in Israel, das persönliche, die persönliche Geschichte. 202 00:30:24,933 --> 00:30:35,432 Meine Schwester in Israel leitete alles ein, um uns das Zertifikat, die Einreise.. die Einreisegenehmigung zu schicken, nach Palästina zu kommen. 203 00:30:35,433 --> 00:30:46,966 Aber in Palästina herrschte eine Einwanderungsquote und wir mussten wie gesagt in der Reihe stehen und warten bis wir die, bis wir an die Reihe kamen. 204 00:30:46,967 --> 00:31:04,999 Inzwischen ich als 14-Jähriger, ich war damals schon 14 Jahre, es war '39, kann ich mich erinnern, habe ich einen großen Kasten bestellt, einen 4-Kubikmeter Kasten, ja, und haben uns vorbereitet auf die Auswanderung nach Palästina. 205 00:31:05,000 --> 00:31:17,699 Hab' einen Zollbeamten bestellt vom Zollamt, er stand dabei, wir haben gepackt, ich habe alles alleine eingepackt, mit einer Aufstellung. 206 00:31:17,700 --> 00:31:28,366 Die Aufstellung übrigens bekam ich, als ich ins Land einwanderte, bekam ich von meiner Schwester mit meiner Handschrift, ja, die Sachen kamen an, die Sachen kamen an. 207 00:31:28,367 --> 00:31:33,899 Sie stehen noch heute zum Teil bei uns zu Hause. Und hab' die Sachen hergeschickt. 208 00:31:33,900 --> 00:31:39,499 Und wir warteten wie gesagt auf das Zertifikat auf die Einreisegenehmigung nach Israel. 209 00:31:39,500 --> 00:31:54,232 Inzwischen die Leute, die nach Polen ausgesiedelt wurden, bekamen gruppenweise Einreisegenehmigungen nach Deutschland, um ihre Geschäfte abzuwickeln. 210 00:31:54,233 --> 00:32:06,032 Denn sie mussten ja alles zurücklassen, ja. Und nachher wenn Familienangehörige da waren, die sie zurückließen, mit den Familienangehörigen zurück nach Polen zu fahren. 211 00:32:06,033 --> 00:32:19,266 Mein Vater, ich spreche persönlich, schrieb, dass er ist an die Reihe gekommen und er kann jetzt nach Deutschland kommen und meine Mutter schrieb ihm dann zurück: 212 00:32:19,267 --> 00:32:24,499 Du weißt was unser Plan ist zur..um.., du brauchst nicht nach Deutschland kommen. 213 00:32:24,500 --> 00:32:40,232 Denn unser Plan ist, im gegebenen Moment kommst du aus Polen nach Triest, damals war die Hafenstadt Triest in Italien, wo die Schiffe abfuhren nach, nach Israel, nach Palästina und wir werden uns dann in Triest treffen. 214 00:32:40,233 --> 00:32:56,266 Eines Tages, es war an einem Freitag, es schellte, mein Vater stand an der Türe. Das war Ende Juli '39. 215 00:32:56,267 --> 00:33:03,066 Mein Vater stand an der Türe und verabredet war anders, auf einmal bist du da. 216 00:33:03,067 --> 00:33:10,866 Sagt er, nein, ich bin gekommen, um so schnell wie möglich Deutschland zu verlassen. 217 00:33:10,867 --> 00:33:25,099 Es dauerte keine 14 Tage. Er hat's in einigen Tagen, haben wir wie gesagt alles abgewickelt, denn es war nichts zum Abwickeln da und kamen dann nach Polen nach Krakau. 218 00:33:25,100 --> 00:33:26,999 IV: Die ganze Familie.. 219 00:33:27,000 --> 00:33:30,500 SB: Die ganze meine..