1 00:00:00,900 --> 00:00:10,599 IV: Gut, Herr Jakubowicz. Bevor Sie nach Flossenbürg kamen, hatten Sie ja schon eine ziemliche Odyssee durch etliche Lager hinter sich. 2 00:00:10,600 --> 00:00:14,766 Wenn Sie vielleicht erzählen, woher Sie gekommen.. wie Sie nach Flossenbürg gekommen sind? 3 00:00:14,767 --> 00:00:15,299 JJ: Ja. 4 00:00:15,300 --> 00:00:17,799 IV: Wie es war bei der Ankunft. 5 00:00:17,800 --> 00:00:30,899 JJ: Ich bin 19.. äh Ende 1944, im November.. wurden die sämtlichen Lager, die in Niederschlesien und Oberschlesien vorhanden waren, 6 00:00:30,900 --> 00:00:37,132 in.. auf Todesmärsche gesetzt in Richtung Westen. Vor dem Zugriff der Russen. 7 00:00:37,133 --> 00:00:46,699 Die Russen sind immer vormarschiert und die SS wollte nicht, dass wir in die Hände der Russen fallen.. haben sie uns getrieben, haben sie die Lager aufgelöst. 8 00:00:46,700 --> 00:01:00,032 Und Tag und Nacht sind Tausende von Menschen von 92 Konz.., Konzentrationslagern in Schlesien Richtung Westen auf Todesmärsche gesetzt worden. 9 00:01:00,033 --> 00:01:13,366 Ich wurde im Ende November.. 3.000 waren wir.. 3.000 Mann.. von Lager Fünfteichen. Das war ein Aus.., Au.., Außerdienstlager von, von, von Groß-Rosen. 10 00:01:13,367 --> 00:01:23,166 Groß-Rosen war das Hauptlager von diesen 92 Konzentrationslagern und Zwangsarbeitslagern.. war Groß-Rosen.. war das Hauptlager. 11 00:01:23,167 --> 00:01:30,132 Waren wir.. sind wir in Marsch gesetzt, von Fünfteichen nach Groß-Rosen. In Groß-Rosen waren wir circa 3 Tage. 12 00:01:30,133 --> 00:01:40,332 Wurde wieder eine Kolonne zusammengestellt. Und Fuß.. zu Fuß marschiert, über Sudentendeutschland Richtung Westen. 13 00:01:40,333 --> 00:01:51,766 Wir sind durchmarschiert durch zwei Städte, den die Namen nicht vergessen kann: Das ist Traut.., Trautenau und Parschnitz in Sudentendeutschland. 14 00:01:51,767 --> 00:02:01,499 Und die Häftlinge kon.., konnten.. schon schwach.. wenig gehen. Denn der Fußmarsch nach Groß-Rosen war auch schon anstrengend. 15 00:02:01,500 --> 00:02:10,666 Und haben die Bevölkerung der Stadt Trauschnitz.. Trautenau und Parschnitz... standen an den Gehsteigen. 16 00:02:10,667 --> 00:02:21,732 Und wo wir vorbeimarschiert sind.. und haben gespuckt auf uns und haben uns nachgeschrien: "Kriegsverbrecher! Alle umbringen! Alle umbringen!" 17 00:02:21,733 --> 00:02:30,666 Und das war eine sehr schmerzhafte Sache für alle. Wir waren sehr deprimiert. Wir.. die Leute konnten sich nicht mehr fassen. 18 00:02:30,667 --> 00:02:38,166 Viele haben es gar nicht mehr verstanden. Aber der, der es verstanden hat, hat.. war es sehr schmerzhaft. 19 00:02:38,167 --> 00:02:48,232 Dann kamen wir noch zwei Tage zu Fuß.. Fußmarsch.. wurden einwagoniert und kamen nach Flossenbürg.. in Viehwagons. 20 00:02:48,233 --> 00:02:57,366 Wurden ausgeladen und dann hat man die Leute gebracht zu den Waschräumen, zu den Duschen. 21 00:02:57,367 --> 00:03:04,066 Und die Leute mussten sich alle nackt.. das war schon Winter.. mussten sich nackt auf der, auf der.. vor der Dusche ausziehen. 22 00:03:04,067 --> 00:03:15,566 Und wurden.. wollten ins Bad rein zum Duschen. Irgendwo hat sich das herumgesprochen, dass es keine Dusche ist, sondern eine Gaskammer. 23 00:03:15,567 --> 00:03:22,799 So wie in Auschwitz die getarnte Dusche, die waren Gaskammern. Die Leute wollten.. haben Angst gehabt reinzugehen. 24 00:03:22,800 --> 00:03:28,599 Da kam ein Prügelkommando mit Stöcken und hat die Leute.. hunderte von Menschen vor die.. 25 00:03:28,600 --> 00:03:34,999 diese Dusche, vor die, vor die, dem Bad auf der Straße zusammengeschlagen. 26 00:03:35,000 --> 00:03:43,632 Ich bin noch mit rein. Da haben sie eiskaltes Wasser und in.. äh äh losgelassen. 27 00:03:43,633 --> 00:03:50,699 Und da war ein Eimer mit Schmierseife und Sa.., und Sand.. zum Ab.. zum Waschen für die Häftlinge. 28 00:03:50,700 --> 00:03:59,666 Und dann auf einmal kommt.. kam kochendes Wasser. Und dann ist das kochende Wasser weg und dann wieder eiskaltes Wasser. 29 00:03:59,667 --> 00:04:09,132 Die haben uns raus, nach der Dusche.. wollten wir uns einkleiden. Die Kleider lagen auf dem Boden vor der Dusch.., vor der Duschkabinen dort. 30 00:04:09,133 --> 00:04:16,266 Und ich.. und bei mir ist passiert, dass meine Jacke, wo die Häftlingsnummer drauf war.. 31 00:04:16,267 --> 00:04:23,232 Die, die, meine alte Häftlingsnummer 24-3-27 war nicht mehr da. 32 00:04:23,233 --> 00:04:30,432 Jemand hat sie verwechselt oder wieso und ich habe eine andere genommen und da war andere Nummer. 33 00:04:30,433 --> 00:04:37,332 Darum habe ich in Flossenbürg, hat man mich registriert mit der Nummer, die ich die fremde Jacke angezogen habe. 34 00:04:37,333 --> 00:04:46,299 Der Name ist richtig, Geburtsdatum ist richtig von der Registratur. Nur die Nummer.. die verwechselte Nummer steht drauf. 35 00:04:46,300 --> 00:04:55,266 Wir wurden in Baracken eingeteilt, in den Quarantänen. Das ist vor dem Berg, wo man die Toten runterrollen lassen hat zum Krematorium. 36 00:04:55,267 --> 00:05:00,066 Was man heute dort die Gedenkstätte eingerichtet hat. 37 00:05:00,067 --> 00:05:11,899 Und wir wurden dort gehalten in den, in den, in den Baracken.. dürfen wir nicht rausgehen. Und da war ungefähr auf zweistöck.. waren zweistöckige Betten. 38 00:05:11,900 --> 00:05:21,932 In jedem Bett waren zwei Häftlinge drin. Und da war ein Blockältester, ein Österreicher aus Wien.. hat Wiener Dialekt gesprochen. 39 00:05:21,933 --> 00:05:32,766 Hat jeden Häftling auf ein Holzschemel aufsteigen lassen und den After mit einer Taschenlampe reingeleuchtet, ob er nicht irgendwas versteckt hat. 40 00:05:32,767 --> 00:05:42,466 Jeden einzelnen untersucht. Das war die Begrüßung und nach vier Tagen hat man uns raus zum Steinbruch ein paar Mal. 41 00:05:42,467 --> 00:05:51,266 Und nach circa.. drei Wochen insgesamt war ich dort.. hat man uns auf einen.. wieder auf einen Transport gesetzt nach Dora. 42 00:05:51,267 --> 00:06:02,999 Dora-Mittelwald bei Buchenwald in diesen Bunker, wo die V1 eben produziert wurde und gelagert wurde. 43 00:06:03,000 --> 00:06:07,466 Das war das Flossenbürg, was ich durchgemacht habe. Und.. 44 00:06:07,467 --> 00:06:13,332 IV: Ich frage Sie noch zwei Sachen. Sie haben ja die Vergleiche zu vielen anderen Konzentrations- und Arbeitslagern. 45 00:06:13,333 --> 00:06:14,732 JJ: Ja. 46 00:06:14,733 --> 00:06:20,566 IV: Äh gab es was, was in Flossenbürg anders war oder schlimmer oder weniger schlimm, wenn Sie das vergleichen? 47 00:06:20,567 --> 00:06:22,899 Was war Flossenbürg? Das war ja auch schon sehr.. 48 00:06:22,900 --> 00:06:23,666 JJ: Ja, sehr. 49 00:06:23,667 --> 00:06:24,199 IV: Am Kriegsende. 50 00:06:24,200 --> 00:06:33,032 JJ: Kriegsende. Es war eine, eine Qua.. ein äh Qua.. Unordnung schon, war eine Nervosität.. hat man gesehen da bei dieser Bewachung. 51 00:06:33,033 --> 00:06:39,566 Und die wussten nicht mehr, was sie machen sollen. Haben den ganzen Tag Appelle äh orga.. zusammengestellt. 52 00:06:39,567 --> 00:06:49,399 Die haben.. waren in einer Panik, ob nicht jemand geflüchtet ist. Und jede paar Stunden haben Sie Appell gemacht, die Leute stundenlang auf dem Appell.. 53 00:06:49,400 --> 00:06:54,999 Nackt und barfuß und, und Kälte und ohne Essen.. ganz wenig Essen, minimal. 54 00:06:55,000 --> 00:07:03,732 Die Verpflegung in Flossenbürg war minimal. War einmal am Tag zweihundert Gramm Brot und manches Mal war eine Wassersuppe. 55 00:07:03,733 --> 00:07:14,932 Aber manches Mal nicht. Und sonst war nur in.. mit die.. mit diese Insassen den anderen Baracken.. Häftlinge haben wir keinen Kontakt gehabt. 56 00:07:14,933 --> 00:07:21,899 Nur auf der Baustelle, weil wir waren.. die Quarantäne war separiert. Die war abgegrenzt mit Stacheldraht, man konnte nicht raus. 57 00:07:21,900 --> 00:07:27,766 Das waren sechs Baracken. Das war die Quarantäne. Das war die Durchgangs.. die auf dem Durchgang waren. 58 00:07:27,767 --> 00:07:33,399 Und wir waren nur so provisorisch, um, um weiterzumarschieren. 59 00:07:33,400 --> 00:07:38,332 IV: Und Sie haben gesagt, Sie waren auch mal im Steinbruch. Können Sie noch was über die Arbeit im Steinbruch erzählen? Wie es da war? 60 00:07:38,333 --> 00:07:44,432 JJ: Na ja, das, die Arbeit im Steinbruch war nicht mehr produktiv, die war nur um zu, zu schikanieren. 61 00:07:44,433 --> 00:07:50,999 Da haben die Leute denselben Stein, was man runtergetragen hat, wieder rauftragen lassen. Und geschlagen dabei. 62 00:07:51,000 --> 00:07:55,766 Und der Stein darf nicht runterfallen. Wenn jemand gerutscht hat, haben sie geschlagen mit Stöcken. 63 00:07:55,767 --> 00:08:05,599 Das war die.. war die Strafarbeit, das war keine Arbeit. Das war keine produktive Arbeit. Das war nicht mehr zum Aushalten. 64 00:08:05,600 --> 00:08:15,699 Und Leute sind eben jeden Tag von der Baustelle.. wenn wir nach Hause gegangen sind, mussten wir die Toten mitschleppen, die auf der Baustelle eben gefallen sind. 65 00:08:15,700 --> 00:08:19,999 IV: Äh, Sie waren jetzt ja am letzten Wochenende wieder in Flossenbürg. 66 00:08:20,000 --> 00:08:20,432 JJ: Ja. 67 00:08:20,433 --> 00:08:22,832 IV: Zur Einweihung dieses neuen Museums. 68 00:08:22,833 --> 00:08:29,199 Und wenn Sie an so einen Ort kommen, wo Sie auch so viel gelitten hatten, was war das auch für ein Gefühl, das jetzt wieder zu sehen.. diesen Ort, die Ausstellung? 69 00:08:29,200 --> 00:08:39,232 JJ: Es ist äh, ist kein Vergleich, was man jetzt sieht. Aber man muss das machen, weil die, die Welt darf das nicht vergessen. 70 00:08:39,233 --> 00:08:46,632 Es ist zu dokumentieren, es ist die Nachgenerationen zu warnen. 71 00:08:46,633 --> 00:08:57,532 Und zu zeigen, was man aus Menschenhass und mit Verbrechen gegen Menschen ausüben kann. Und dass das nie passieren soll. 72 00:08:57,533 --> 00:08:58,732 IV: Okay. Dankeschön. 73 00:08:58,733 --> 00:09:00,100 JJ: Bitte.