1 00:00:02,633 --> 00:00:11,266 IV: (???) 2 00:00:11,267 --> 00:00:18,832 CW: Als die Amerikaner kamen, erfuhr einer von ihnen, wo wir waren und versprach, uns abzuholen. 3 00:00:18,833 --> 00:00:31,332 Tatsächlich kam er wieder und schlug vor, uns unweit von Plauen einzuquartieren. 4 00:00:31,333 --> 00:00:42,832 Dort in der Nähe der Fabrik war eine Baracke, in der englische Häftlinge, Soldaten als Kriegsgefangene untergebracht waren. 5 00:00:42,833 --> 00:00:52,399 Die Amerikaner kamen und nahmen die Briten zu sich nach Hause oder nach Großbritannien mit. Ich weiß es nicht. 6 00:00:52,400 --> 00:01:01,766 Er sagte, dass die Baracke mit Pritschen leer steht und wir dort einziehen können. Tatsächlich nahm er uns von dieser Frau mit und brachte uns dorthin. 7 00:01:01,767 --> 00:01:07,132 Wir gingen zu dieser Baracke, wo Pritschen waren und er wiederholte, dass wir hier schlafen können. 8 00:01:07,133 --> 00:01:13,232 Wir sagten, dass wir keine Bettwäsche haben, worauf er gleich wegfuhr und uns Decken und Kissen brachte. 9 00:01:13,233 --> 00:01:21,999 Er erzählte uns, dass seine Mutter ihm immer Kartoffelpuffer gebraten hatte und fragte, ob wir für ihn welche machen könnten. 10 00:01:22,000 --> 00:01:27,232 In unserer Gruppe war Reginka, eine ältere Frau und sagte sofort zu, Kartoffelpuffer zu machen. 11 00:01:27,233 --> 00:01:36,232 Sie sagte aber auch, dass sie weder Kartoffeln, noch Fett, noch Pfanne, noch Mehl hat. "Wie soll ich Kartoffelpuffer braten?" 12 00:01:36,233 --> 00:01:46,299 „Gleich bekommst du alles“, sagte er. Er fuhr wieder weg und kam nach ein paar Stunden mit seinen Kameraden zurück und brachte einen Sack Kartoffeln, 13 00:01:46,300 --> 00:01:59,499 einen großen Topf voll Schmalz und Mehl. Alles hatte er dabei: Kartoffeln, eine Reibe, eine große Pfanne. 14 00:01:59,500 --> 00:02:04,299 Sie verabredeten sich tatsächlich zum Kartoffelpuffer-Essen. 15 00:02:04,300 --> 00:02:12,166 Mehrere Tage hintereinander, vielleicht zehn Tage lang, kamen sie tagtäglich und wir rieben diese Kartoffeln, 16 00:02:12,167 --> 00:02:21,466 Regina briet die Kartoffelpuffer und sie kamen zum Essen. Sie brachten uns Zucker und versorgten uns mit anderen Lebensmitteln, so dass wir genug zum Essen hatten. 17 00:02:21,467 --> 00:02:30,632 Ich glaube, etwa zehn Tage später, da sie ein Front-Bataillon waren, zogen sie nach Osten weiter. 18 00:02:30,633 --> 00:02:39,899 Wir blieben wieder alleine ohne jegliche Verpflegung zurück. Inzwischen wurden in Plauen die Aufräumarbeiten eingeleitet, nicht wahr. 19 00:02:39,900 --> 00:02:49,132 Es gab bereits eine neue Verwaltung und alle Ausländer, alle DPs, wie man sie damals nannte, 20 00:02:49,133 --> 00:02:59,932 wurden in einer ehemaligen Kaserne in Plauen einquartiert. Wir mussten die Baracke räumen und kamen in ein Sammellager auf dem Gelände der Kaserne. 21 00:02:59,933 --> 00:03:05,766 Wir zogen in die Kaserne um, wo wir normale Mahlzeiten bekommen haben: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. 22 00:03:05,767 --> 00:03:09,999 Wir waren zu dritt in einem Zimmer, wir hatten ein Zimmer. 23 00:03:10,000 --> 00:03:10,832 {räuspert sich} 24 00:03:10,833 --> 00:03:22,099 Wir warteten, wie sich die Situation weiter entwickelt. Es wurde gesagt, dass Transporte nach Polen vorbeireitet werden und wir zurückkehren können. 25 00:03:22,100 --> 00:03:29,766 Tatsächlich gegen Ende Juni, glaube ich... 26 00:03:29,767 --> 00:03:37,599 {räuspert sich und denkt nach} 27 00:03:37,600 --> 00:03:57,332 Ende Juni erfuhren wir, dass das von Amerikanern befreite Gebiet an die Russen übergeben werden sollte. 28 00:03:57,333 --> 00:04:11,199 Ganz Deutschland wurde in Besatzungszonen aufgeteilt, Plauen befand sich in der russischen Zone, so dass wir dieses Gebiet verlassen sollten. 29 00:04:11,200 --> 00:04:20,966 Wir wurden... Wir wurden noch gefragt, ob wir nach Polen zurückkehren wollen. Dort waren schon die Russen. 30 00:04:20,967 --> 00:04:26,366 Es wurde uns erzählt, was in Polen passierte und wie die Russen anfingen, die Macht auszuüben. 31 00:04:26,367 --> 00:04:34,466 Wir haben also beschlossen, nicht zurückzukehren: Wir wollten nicht vom Regen in die Traufe kommen, von einer Besatzung in die andere. 32 00:04:34,467 --> 00:04:43,999 Wir beschlossen, uns weiter von Plauen aus in den Westen zu evakuieren. Wir wollten noch nicht nach Polen zurück, wir warten lieber ab, wie sich die Situation entwickelt. 33 00:04:44,000 --> 00:04:45,499 {hustet} 34 00:04:45,500 --> 00:05:00,766 Alle, die nicht nach Polen zurück wollten, wurden in Güterwaggons verladen und weiter in den Westen gebracht. Auf diese Weise kamen wir nach Weiden. 35 00:05:00,767 --> 00:05:11,332 Wir fuhren etwa anderthalb Tage. Der Zug hielt immer wieder an. Auch Juden aus verschiedenen Lagern waren mit uns. 36 00:05:11,333 --> 00:05:26,466 Jedenfalls an den Bahnhöfen, daran erinnere ich mich, versorgte eine jüdische Organisation „Joint“ die Juden im Transport mit Essen und Trinken. 37 00:05:26,467 --> 00:05:37,032 Es gab Lebensmittelpakete, besonders in diesen Wagen, wo Juden waren aber auch wir haben welche bekommen. Daran erinnere ich mich. 38 00:05:37,033 --> 00:05:49,332 Dann kamen wir, dann kamen wir nach Weiden. Es gab ein Problem, denn sie wussten nicht, wo sie uns unterbringen sollten. 39 00:05:49,333 --> 00:06:06,932 Ich erinnere mich, wir fuhren, zuerst in Lastwagen weiter, in eine ehemalige deutsche Kaserne nach Amberg, glaube ich. 40 00:06:06,933 --> 00:06:16,866 Wir kamen auf das Gelände und sahen, dass das Dach zerstört war, es regnete und die Zimmer waren unter Wasser. 41 00:06:16,867 --> 00:06:31,099 Ich kann mich erinnern, als ich und eine Kollegin zum Amerikaner gingen, zum Hauptmann dieser ganzen amerikanischen Einheit. 42 00:06:31,100 --> 00:06:36,599 Ich sagte, wir könnten hier unmöglich bleiben, es regnet doch, es gibt Wasser. Sie sollten uns hier wegbringen. 43 00:06:36,600 --> 00:06:47,366 Sie brachten uns dann nach Vohenstrauß. Es ist nicht weit von Weiden. Dort war ein Schloss. Wir kamen in dieses Schloss. 44 00:06:47,367 --> 00:06:55,799 Sie brachten Metallbetten mit. Ich erinnere mich, sie brachten alles an einem Tag. 45 00:06:55,800 --> 00:07:06,766 In Vohenstrauß waren wir einquartiert und wir sollten uns auf den eventuellen Rücktransport nach Polen vorbereiten. Und später... 46 00:07:06,767 --> 00:07:18,099 Doch bevor wir nach Vohenstrauß kamen, brachten sie uns nach Weiden in eine kleine Baracke, in der vorher Italiener untergebracht waren. 47 00:07:18,100 --> 00:07:24,066 Die Italiener verließen diese Baracke und wir sollten dort wohnen. 48 00:07:24,067 --> 00:07:32,499 Aber als wir gesehen haben, wie dreckig und wie viel Ungeziefer in dieser Baracke war, weigerten wir uns, dort einzuziehen. 49 00:07:32,500 --> 00:07:44,866 Daraufhin brachten sie uns nach Vohenstrauß. Dort war es sauber, da das Schloss nicht bewohnt war. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir in Vohenstrauß blieben. 50 00:07:44,867 --> 00:07:53,399 Wir warteten auf den Transport nach Polen und von dort aus fuhren wir auch nach Hause zurück. 51 00:07:53,400 --> 00:07:55,266 IV: Wie sah der Rücktransport nach Polen aus? 52 00:07:55,267 --> 00:07:59,099 CW: In Güterwaggons. 53 00:07:59,100 --> 00:08:03,866 IV: (???) 54 00:08:03,867 --> 00:08:17,832 CW: Ich kann mich noch an diesen Transport erinnern, dass wir in Pilsen einen Zwischenstopp gemacht haben. Dort war ein Repatriierungssbüro für Polen. 55 00:08:17,833 --> 00:08:27,866 Wir blieben dort etwa eine Woche, vielleicht auch zwei, ich weiß nicht mehr. Ich half sogar in diesem Repatriierungssbüro etwas mit. 56 00:08:27,867 --> 00:08:33,999 Mit einem weiteren Transport kam ich nach Warschau zurück. 57 00:08:34,000 --> 00:08:40,266 IV: Vielleicht eine letzte Frage: (???) 58 00:08:40,267 --> 00:08:47,799 CW: Ich habe.. Entschuldigung, als wir aus Vohenstrauß wegfuhren, kamen wir nach Weiden. 59 00:08:47,800 --> 00:08:57,699 In Weiden stiegen wir in Güterwaggons. Ich habe sogar Photos, die ich Klaus zur Reproduktion gegeben habe. 60 00:08:57,700 --> 00:09:03,799 Ich brachte ihm ein paar Photos, vielleicht vier, die in dem Moment aufgenommen wurden, als wir an diesen Waggons stehen. 61 00:09:03,800 --> 00:09:12,032 Auf dem Waggon hängt ein Schild: Weiden. Von dort aus fuhren wir 1945 nach Polen zurück. 62 00:09:12,033 --> 00:09:29,166 IV: Die letzte Frage: nach all den Erlebnissen, Erfahrungen, Leiden im Lager, welche Botschaft könnten Sie an die junge Gegenration weitergeben? 63 00:09:29,167 --> 00:09:40,366 CW: Wissen Sie, in den letzten zehn Jahren haben wir uns hier immer wieder getroffen. 64 00:09:40,367 --> 00:09:52,466 Ich treffe Jugendliche und ich wiederhole: Bemüht euch sehr darum, dass es zu keinem Krieg mehr kommt, dass kein Hass zwischen den Völkern aufkommt, 65 00:09:52,467 --> 00:10:05,966 damit sich alle Menschen gleich und wie Freunde fühlen. Damit wir uns mit Sympathie begegnen, ohne Vorurteile und ohne Hass. 66 00:10:05,967 --> 00:10:18,266 Es ist egal, ob einer dick oder schlank ist, das ist unwichtig. Wir sollten darauf achten, dass wir alle Freunde sind. 67 00:10:18,267 --> 00:10:26,299 Das wiederhole ich bei allen meinen Begegnungen mit der Jugend. Das Wichtigste ist: Nie wieder Krieg. 68 00:10:26,300 --> 00:10:35,732 Nie wieder Aggressionsinstinkte gegenüber anderen Staaten. Es darf nicht sein, dass ein Staat einem anderen ein Stück Land wegnehmen möchte. 69 00:10:35,733 --> 00:10:44,432 Jeder soll in seinem Land leben dürfen und sich darüber freuen, was er besitzt und keine Forderungen stellen. Das wiederhole ich immer wieder. 70 00:10:44,433 --> 00:10:53,232 Ich begegne unterschiedlichen Jugendlichen. Es gibt eine deutsche Organisation: Das Maximilian-Kolbe-Werk. 71 00:10:53,233 --> 00:11:01,432 Sie organisiert jedes Jahr solche Gruppen. Ich habe an einigen Begengnungen teilgenommen. Dort waren vier oder fünf Personen. 72 00:11:01,433 --> 00:11:11,599 Wir treffen Jugendliche bei den Zeitzeugengesprächen in deutschen Schulen und erzählen über unsere Lagererfahrungen und bitten die Jugendlichen darum, 73 00:11:11,600 --> 00:11:25,332 alles zu unternehmen, dass es nie wieder zum Krieg kommt, dass kein Hass zwischen Menschen herrscht. Wir sind doch alle gleich und sollen im Frieden miteinander leben. 74 00:11:25,333 --> 00:11:38,032 Das wiederhole ich immer wieder. Ich war in Köln und an anderen Orten, wo ich mit den Jugendlichen sprach. 75 00:11:38,033 --> 00:11:56,332 Sogar in diesem Jahr wurde mir angeboten, in ein westliches Bundesland mitzufahren, aber ich war krank und musste absagen. 76 00:11:56,333 --> 00:12:05,932 Das Maximilian-Kolbe-Werk und die Caritas organisieren gemeinsame Treffen mit ehemaligen Häftlingen und der deutschen Jugend. 77 00:12:05,933 --> 00:12:17,499 Sie tauschen sich mit der Jugend aus und besuchen unterschiedliche Schulen. Ich würde sagen, das Bistum Köln ist in diesem Bereich sehr aktiv. 78 00:12:17,500 --> 00:12:36,599 Es gibt dort zwei Mitarbeiter, Dr. Hartmann, Doktor der Philosophie, und Alois Bauer. 79 00:12:36,600 --> 00:12:47,399 Sie setzen sich sehr aktiv für die enge Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen und ehemaligen Häftlingen ein. 80 00:12:47,400 --> 00:12:58,167 Sie bemühen sich sehr darum, diese zwei Gruppen zusammenzubringen.