1 00:00:01,033 --> 00:00:05,866 MA: (???) 2 00:00:05,867 --> 00:00:08,199 KF: Das, was ich Sie zum ersten Mal gefragt habe? 3 00:00:08,200 --> 00:00:12,199 MA: (???) 4 00:00:12,200 --> 00:00:21,432 KF: Gut, gut. 5 00:00:21,433 --> 00:00:25,599 MA: (???) 6 00:00:25,600 --> 00:00:28,832 IV: Fangen Sie bitte damit an, wie Sie nach Hersbruck gekommen sind. 7 00:00:28,833 --> 00:00:56,132 KF: Gut. Ich bin im September 1944 mit meinem Bruder in einer 300-Personen-Gruppe von Auschwitz nach Hersbruck gekommen. 8 00:00:56,133 --> 00:01:16,632 Wir kamen abends an und wurden einquartiert, wenn man es so bezeichnen kann, in der Baracke Nummer 5. 9 00:01:16,633 --> 00:01:35,032 Wir waren überrascht, dass diese Baracke auf unsere Ankunft gar nicht vorbereitet war. Wir mussten uns dort erst selbst einrichten. 10 00:01:35,033 --> 00:01:54,699 Es war auffallend, dass das Lager erst im Aufbau war und diese Baracke erst vor kurzem aufgestellt worden war.Sie war noch nicht komplett ausgestattet. 11 00:01:54,700 --> 00:02:17,832 Es gab ausschließlich mehrstöckige Pritschen, die nichts hatten. Wir haben Inlets bekommen, die wir mit Holzspänen füllten. 12 00:02:17,833 --> 00:02:46,666 Wir füllten sie mit Holzspänen, damit wir etwas zum Schlafen hatten. Es gab auch Decken. Nach drei Tagen Transport aus Auschwitz waren wir müde und hatten Hunger und warteten auf's Essen. 13 00:02:46,667 --> 00:03:02,132 Es wurde uns versichert, dass wir Essen bekommen und tatsächlich erhielten wir kurze Zeit danach Brot und Margarine. 14 00:03:02,133 --> 00:03:13,832 Es war bereits ziemlich grau und wir waren mit dem Vorbereiten beschäftigt, es war schon dunkel und unmöglich, sich im Lager umzusehen. 15 00:03:13,833 --> 00:03:22,666 Der erste Eindruck war sehr oberflächlich und nicht vielsagend. 16 00:03:22,667 --> 00:03:43,732 Unsere Baracke war im Lager etwas isoliert und wir konnten sehen, dass wir hier eine gewisse Zeit in Quarantäne und an diesem Ort bleiben würden. 17 00:03:43,733 --> 00:04:02,932 So sah das erste Zusammentreffen mit Hersbruck aus. Was war weiter... Wir mussten natürlich die erste Nacht schlafen. 18 00:04:02,933 --> 00:04:27,699 Am nächsten Tag gab es für das Lager das ganz übliche Wecken, etwa um 5.00 Uhr morgens mit dem Ruf: "Aufstehen"! Wir mussten uns anziehen und zum Appell antreten. 19 00:04:27,700 --> 00:04:42,632 Entschuldigung, ich habe eine Frage: Übersetzen Sie das Gesagte in Abschnitten oder in Sätzen? Ich weiß nicht, wie ich hier... 20 00:04:42,633 --> 00:05:50,432 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 21 00:05:50,433 --> 00:06:03,299 IV: Er fragt, wie die Aufnahmeprozedur war, die Einquartierung, die Quarantäne. Gab es eine Rasur, gab es Duschen? Wie war das? 22 00:06:03,300 --> 00:06:09,099 Wurden die Häftlinge im Häftlingsbad versammelt? Könnten Sie darüber etwas erzählen? 23 00:06:09,100 --> 00:06:23,332 KF: Wir sind aus Auschwitz gekommen. Dort wurden wir praktisch auf das Lagerleben vorbereitet. 24 00:06:23,333 --> 00:06:42,099 Wir waren in Auschwitz einen Monat lang und deswegen wurde angenommen, dass die Vorbereitungsprozedur mit dem Waschen bereits dort dürchgeführt worden war. 25 00:06:42,100 --> 00:06:57,132 Das Einzige, was uns dann in Hersbruck begegnete, war die Änderung der Häftlingsnummern aus Auschwitz in die Hersbrucker Nummern. 26 00:06:57,133 --> 00:07:11,899 Als wir in Hersbruck angekommen sind, wussten wir noch nicht, welche Nummern wir kriegen würden und zu welchem Hauptlager Hersbruck gehörte. 27 00:07:11,900 --> 00:07:32,932 Ich persönlich bekam die Nummer 24451 zugeteilt und später erfuhren wir, dass es Häftlingsnummern aus dem KZ Hauptlager Flossenbürg waren. 28 00:07:32,933 --> 00:07:57,599 Hier möchte ich unterstreichen, dass ich in dieses Lager mit meinem Bruder gekommen bin, der genauso wie ich hier ausgestattet wurde und eine neue Nummer bekam. 29 00:07:57,600 --> 00:09:06,532 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 30 00:09:06,533 --> 00:09:34,066 IV: Wie ist es passiert.. Wussten Sie, als Sie im KZ Auschwitz ankamen, dass es ein Vernichtungslager ist? Wussten Sie, was in diesem Lager vor sich geht? 31 00:09:34,067 --> 00:09:55,432 KF: Wir wurden von Warschau während des Warschauer Aufstandes deportiert. Nach Auschwitz kamen wir, ohne es zu wissen. Wir wussten nicht, dass wir ins KZ kommen. 32 00:09:55,433 --> 00:10:09,466 Es wurde uns gesagt, dass wir zur Arbeit in eine andere Stadt kommen würden. Es wurde uns nicht gesagt, dass wir ins KZ kommen. 33 00:10:09,467 --> 00:10:22,499 In Auschwitz haben wir natürlich alles über ein Konzentrationslager erfahren. Über Auschwitz wussten wir bereits früher Bescheid. Wir wussten, was das für ein Lager ist. 34 00:10:22,500 --> 00:10:34,132 Es war kein Geheimnis in Polen, dass es in Deutschland Konzentrationslager gibt... Und das KZ Auschwitz war bekannt. 35 00:10:34,133 --> 00:10:53,166 Auchwitz war bekannt als schweres Lager für alle, die gegen die Deutschen waren, also sozusagen Verbrecher. 36 00:10:53,167 --> 00:11:09,866 Wir wussten alles über das KZ Auschwitz. Und als wir erfuhren, dass wir von Auschwitz in ein anderes Lager deportiert werden, 37 00:11:09,867 --> 00:11:17,666 waren wir zufrieden, weil uns bewusst war, dass es im Konzentrationslager Auschwitz 38 00:11:17,667 --> 00:11:34,766 aus den Kaminen ständig geraucht hat.. Als wir angekommen sind, wurden wir an den berüchtigten Krematorium-Gräben vorbeigeführt. 39 00:11:34,767 --> 00:11:48,666 Dort wurden die Leichen direkt verbrannt, nicht in den Öfen, sondern auf Halden.. auf Halden. 40 00:11:48,667 --> 00:12:01,666 Auf diesen Halden wurden Leichen verbrannt und wir waren erschocken und glücklich zugleich, dass wir dieses KZ in Auschwitz verlassen und in ein anderes Lager kommen. 41 00:12:01,667 --> 00:12:06,766 Übersetzen Sie bitte, sonst wird es zu lang, wenn ich fortsetzen werde. 42 00:12:06,767 --> 00:13:17,266 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 43 00:13:17,267 --> 00:13:36,366 KF: Nach der Ankunft in Hersbruck ist uns sofort aufgefallen, dass es kein Vernichtungslager war. Es war kein KZ mit Gaskammern wie in Auschwitz. 44 00:13:36,367 --> 00:13:59,499 Das macht den Unterschied zwischen beiden Lagern. Es hat unsere Hoffnungen begünstigt, dass wir in diesem Lager vielleicht größere Überlebenschancen haben als in Auschwitz. 45 00:13:59,500 --> 00:14:16,232 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 46 00:14:16,233 --> 00:14:40,299 KF: Am Anfang wurden wir einer Art Zugangsquarantäne unterzogen. Später wurden alle Häftlinge bestimmten Arbeitskommandos zugewiesen. 47 00:14:40,300 --> 00:15:06,432 Ich war zuerst dem Wasserleitungsbau-Kommando zugeteilt. Wir verlegten Wasserleitungen auf dem Lagergelände. Ich arbeitete dort einige Tage. 48 00:15:06,433 --> 00:15:14,966 IV: Sie haben gerade gesagt, dass es eine Art Eingangsquarantäne war. Wie sah das aus? 49 00:15:14,967 --> 00:15:37,632 KF: Wir wurden in den Baracken gehalten. Wir mussten lediglich zum Morgen- und Abendappell antreten. Das war alles. Es dauerte ein paar Tage nach der Ankunft. 50 00:15:37,633 --> 00:16:07,566 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 51 00:16:07,567 --> 00:16:22,732 KF: Der nächste Einsatz war..., denn es gab keine festen Zuteilungen. Die nächste Arbeit war auf einem Gelände.. 52 00:16:22,733 --> 00:16:48,632 Das Gelände wurde für die Legung der Eisenbahnlinie vorbereitet. Die Züge auf diesen Eisenbahngleisen sollten den Stollenbau in Hersbruck mit Material versorgen. 53 00:16:48,633 --> 00:17:02,132 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 54 00:17:02,133 --> 00:17:17,199 KF: Es war eine sehr schwere Arbeit und ein anstrengendes Kommando. Dort haben die Häftlinge nur sehr kurz gearbeitet und sind schnell gestorben. 55 00:17:17,200 --> 00:17:31,032 Es war ein sehr lehmiges Sumpfgebiet und die Erdarbeiten dort waren sehr schwer. 56 00:17:31,033 --> 00:18:04,799 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 57 00:18:04,800 --> 00:18:24,032 KF: Ich muss sagen: Persönlich war ich bei diesem Einsatz sehr niedergeschlagen. Ich dachte, dass ich in diesem Kommando nicht lange überleben würde. 58 00:18:24,033 --> 00:18:36,466 Aus diesem Grund versuchte ich, dieses Kommando zu verlassen, was mir nach zwei oder drei Tagen gelang. 59 00:18:36,467 --> 00:18:55,199 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 60 00:18:55,200 --> 00:19:08,799 KF: Ich konnte Deutsch. Zwar nicht so gut, aber auf jeden Fall so, dass ich mich flüssig unterhalten konnte. 61 00:19:08,800 --> 00:19:25,966 Mir gelang die Kontaktaufnahme mit den Elektrikern, die beim Stollenbau arbeiteten. Dank dieser Kontakte wurde ich als Elektriker eingesetzt. 62 00:19:25,967 --> 00:19:48,099 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 63 00:19:48,100 --> 00:19:53,832 KF: Besser? Gut. 64 00:19:53,833 --> 00:20:26,632 Die Arbeit bei den Elektrikern beruhte darauf, dass die dort eingesetzten Elektriker die Energieversorgung in den Stollen sicherstellen mussten. 65 00:20:26,633 --> 00:20:38,799 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 66 00:20:38,800 --> 00:20:55,766 KF: Ich war auf solche Arbeitseinsätze vorbereitet, den ich hatte in Polen eine Technische Schule abgeschlossen, so dass mir diese Arbeit und der Beruf bekannt waren. 67 00:20:55,767 --> 00:21:12,266 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 68 00:21:12,267 --> 00:21:29,199 KF: Qualifiziert. 69 00:21:29,200 --> 00:21:39,799 IV: Wussten Sie, was man in den Stollen gemacht hat? Wozu haben die Arbeiten gedient und welche Arbeiten verrichteten die Häflinge? 70 00:21:39,800 --> 00:21:50,366 KF: Die Mehrheit der Häftlinge wusste nicht, wozu die Stollen dienen sollten. 71 00:21:50,367 --> 00:22:00,932 Ich habe es auch nicht gewusst, wofür sie bestimmt waren. Ich habe über diese Stollen erst nach dem Krieg erfahren. 72 00:22:00,933 --> 00:22:20,866 Wir wussten allerdings, dass sie für die Installation von Maschinen bestimmt waren, für die Kriegsproduktion. Das wussten wir. 73 00:22:20,867 --> 00:22:34,032 Wir wussten aber nicht, dass es eine Motorenfabrik wird. Das war uns nicht bekannt. Worauf beruhte die Arbeit der anderen Häftlinge? 74 00:22:34,033 --> 00:22:54,699 Wenn es um die Stollen geht, beruhte die Häftlingsarbeit auf der Aushilfe. Die Häftlinge bedienten die Loren, die den Aushub aus den Stollen wegschafften. 75 00:22:54,700 --> 00:23:07,599 Wenn es um die Bergarbeiten geht, also um die Arbeiten vorne, dann vermute ich, dass die Häflinge dort nicht arbeiten durften, 76 00:23:07,600 --> 00:23:23,932 denn dort wurde Sprengstoff eingesetzt. Dort arbeiteten deutsche Bergbauer, Zivilarbeiter. 77 00:23:23,933 --> 00:23:36,366 Die Mehrheit der Häftlinge im KZ Hersbruck arbeitete außerhalb der Stollen. 78 00:23:36,367 --> 00:23:48,366 Sie brachten das Material und die Geräte. Diese Arbeiten waren sehr schwer und anstrengend. 79 00:23:48,367 --> 00:24:01,366 Aus diesem Grund versuchte ich von Anfang an in einer Gruppe zu arbeiten, die im Stollen arbeitete, denn da war es immer etwas wärmer. 80 00:24:01,367 --> 00:24:18,432 Zum Zweiten: Diese Arbeit erforderte bestimmte Qualifikationen. Das bedeutete, dass sie einen anderen Stellenwert bei der technischen Aufsicht hatte. 81 00:24:18,433 --> 00:25:07,366 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 82 00:25:07,367 --> 00:25:29,966 KF: Wenn es um Unfälle geht, das könnte Sie nämlich interessieren.. Beim Stollenbau gab es relativ wenige Unfälle. 83 00:25:29,967 --> 00:25:45,932 Im Stollen direkt gab es unterschiedliche Verletzungen, die auf die Unachtsamkeit der Bedienenden zurückzuführen war. 84 00:25:45,933 --> 00:26:04,132 Es passierte zum Beispiel, dass die Loren auf die arbeitenden Häftlinge auffuhren, so dass verschiedene Verletzungen verursacht wurden. 85 00:26:04,133 --> 00:26:16,499 Soviel ich weiß, gab es bei den Arbeiten außerhalb des Stollens, beim Transport von Baumaterial 86 00:26:16,500 --> 00:26:26,699 viele tödlichen Unfälle. Es war ein hügeliges Gelände und viele Häftlinge stürzten und fielen um. 87 00:26:26,700 --> 00:26:45,732 Es waren Stürze mit schwerem Material, das üblicherweise mit den Händen getragen wurde. Man konnte nicht alles mit Maschinen und Geräten bewegen. 88 00:26:45,733 --> 00:27:29,066 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 89 00:27:29,067 --> 00:27:33,632 IV: Die Häftlinge waren so schwach und fielen um? 90 00:27:33,633 --> 00:27:56,332 KF: Ja. Viele hielten die Lagerbedinungen nicht aus, wegen der schlechten Ernährung sowie wegen den weit verbreiteten Krankheiten im Lager. 91 00:27:56,333 --> 00:28:17,199 Als Beispiel kann ich meinen Bruder anführen. Er überlebte das KZ in Hersbruck nicht, weil er wie die Mehrheit der Häftlinge an Durchfall erkrankte. 92 00:28:17,200 --> 00:28:41,466 Durchfall im KZ war praktisch nicht zu heilen. Mein Bruder erkrankte auch daran und starb auf dem Transport nach Flossenbürg. 93 00:28:41,467 --> 00:29:20,632 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA} 94 00:29:20,633 --> 00:29:36,732 IV: Er interessiert sich noch.. Erzählen Sie bitte, wie Sie hierher kamen, zuerst nach Auschwitz. Waren Sie und Ihr Bruder immer zusammen? Wie waren die Verhältnisse? 95 00:29:36,733 --> 00:29:52,766 KF: Wie ich schon am Anfang sagte: Wir wurden vom Warschauer Aufstand unwissentlich in ein Konzentrationslager deportiert. 96 00:29:52,767 --> 00:30:11,399 Wir waren immer zusammen, auch auf dem Transport von Auschwitz nach Hersbruck. In Hersbruck wurde ich zu einem Einsatz eingeteilt, mein Bruder zu einem anderen. 97 00:30:11,400 --> 00:30:33,466 Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass er als Schlosser arbeitete. Nicht die schwere Arbeit führte bei ihm zum Tod sondern der Druchfall. 98 00:30:33,467 --> 00:31:29,400 IV: {Übersetzung und Rücksprache mit MA}