1 00:00:00,000 --> 00:00:01,599 CM: Kamera läuft. 2 00:00:01,600 --> 00:00:09,899 MA: Es ist heute Samstag, der 20. Juli. Wir sind in Weiden in der Oberpfalz im Hotel Admira. 3 00:00:09,900 --> 00:00:12,432 Mein Name ist Michael Aue von der Medienwerkstatt Franken. 4 00:00:12,433 --> 00:00:23,199 Und ich führe heute ein Interview mit Herrn Zbigniew Kolakowski aus Polen, der am 13.04.1925 in Bromberg geboren wurde. 5 00:00:23,200 --> 00:00:30,466 Er wird heute seine Erfahrung über den Aufenthalt in Flossenbürg und einigen anderen Lagern schildern. 6 00:00:30,467 --> 00:00:36,799 IV: Ich möchte jetzt, dass Sie sich vorstellen und der Medienwerkstatt erzählen, wer Sie sind. 7 00:00:36,800 --> 00:00:41,599 Ich arbeite für den Fränkischen Rundfunk... 8 00:00:41,600 --> 00:00:42,766 ZK: Ein bisschen lauter, bitte. 9 00:00:42,767 --> 00:00:48,966 IV: Im Auftrag der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg 10 00:00:48,967 --> 00:00:53,766 führen wir mit Ihnen ein Interview. Sagen Sie, wann Sie geboren wurden... 11 00:00:53,767 --> 00:00:56,599 ZK: am 13., am 13. April. 12 00:00:56,600 --> 00:00:57,866 IV: Am 14. 13 00:00:57,867 --> 00:01:05,866 ZK: Am 13. April.. Geboren am 13. April. Ja. 14 00:01:05,867 --> 00:01:10,632 MA: 13. April.. ja... 1925? 15 00:01:10,633 --> 00:01:11,666 ZK: Ja, 1925. 16 00:01:11,667 --> 00:01:21,066 IV: 1925, das stimmt. Wo sind wir jetzt. Wir sind im Hotel Admira, es ist diese Uhrzeit usw. 17 00:01:21,067 --> 00:01:22,166 ZK: Ja, die Dokumentation. 18 00:01:22,167 --> 00:01:24,599 IV: Die Dokumentation. {Räuspert sich}. 19 00:01:24,600 --> 00:01:30,932 MA: Der Film ist nur für die Gedenkstätte bestimmt, wir arbeiten auch für die Gedenkstätte. 20 00:01:30,933 --> 00:01:36,966 IV: Der Film ist ausschließlich für das Archiv der Gedenkstätte bestimmt. 21 00:01:36,967 --> 00:01:37,799 ZK: In Flossenbürg? 22 00:01:37,800 --> 00:01:39,032 IV: Hm. 23 00:01:39,033 --> 00:01:42,566 ZK: Das ist interessant, sie haben doch Materialien. 24 00:01:42,567 --> 00:01:49,532 IV: Aber sie sammeln sie weiterhin. Er sagt, es ist interessant, weil sie eigentlich Filmmaterial haben. 25 00:01:49,533 --> 00:01:57,266 MA: Hm.. aber es ist ganz alt, es ist lange zurückliegende Zeit. Es ist nicht so gute Qualität. Und wir fangen noch mal an, andere systematisch... 26 00:01:57,267 --> 00:02:10,166 IV: Sie haben tatsächich viel Material von früher, aber es ist alt und qualitativ nicht mehr zeitgemäß. 27 00:02:10,167 --> 00:02:19,166 CM: Gut, meine Kollegen haben schon ein bisschen geschildert, wie das sonst läuft, um welche Themenkomplexe es geht, so ähnlich wie auf dem... 28 00:02:19,167 --> 00:02:20,266 IV: Ich? Ich sage es... 29 00:02:20,267 --> 00:02:27,266 MA: Und dass Sie ihn mal am Stück ausreden lassen und nur für mich dann immer ganz kurz zusammenfassen.. 30 00:02:27,267 --> 00:02:27,566 IV: Achso... 31 00:02:27,567 --> 00:02:32,266 MA: Nicht, nicht so oft unterbrechen, also nicht sofort, nicht parallell übersetzen...(???) 32 00:02:32,267 --> 00:02:37,666 IV: Aha... 33 00:02:37,667 --> 00:02:45,732 MA: Im Prinzip ist es gut möglich, dass wenn er zehn Minuten jetzt am Stück erzählt, über seine Kindheit, dann würden wir anfangen einfach mal mit seinem... 34 00:02:45,733 --> 00:02:53,499 Wo er geboren wurde, dass er von seiner Familie was erzählt, vielleicht über die Schulzeit, Geschwister, Eltern. 35 00:02:53,500 --> 00:03:01,399 IV: Wir möchten damit beginnen, dass Sie erzählen, wo Sie geboren wurden, in welcher Umgebung, 36 00:03:01,400 --> 00:03:10,366 wie war Ihre Familie, Geschwister. Was haben die Eltern gemacht, alles über Ihre Umgebung. 37 00:03:10,367 --> 00:03:11,732 ZK: Hm. Das heißt Familienepisode. 38 00:03:11,733 --> 00:03:20,499 IV: Hm. Also Familienepisode. 39 00:03:20,500 --> 00:03:22,499 CM: Kamera läuft. 40 00:03:22,500 --> 00:03:35,866 ZK: Mein Name ist Zbigniew Kolakowski. Ich wurde am 13. April 1925 in Bydgoszcz geboren und meine Ankunft war gleich eine Überraschung. 41 00:03:35,867 --> 00:03:42,499 Warum erzähle ich das? Weil sich die Zahl 13 dreifach in meinem Leben wiederholt. 42 00:03:42,500 --> 00:03:51,799 Ich wurde am 13. geboren, in einem Haus mit der Hausnummer 13 und um 13 Uhr, im Sternzeichen Widder. 43 00:03:51,800 --> 00:03:59,832 Meine Familie verkündete sofort, dass ich stur werde, so wie man das dem Sternzeichen Widder zuschreibt. 44 00:03:59,833 --> 00:04:10,499 Nun, es traf zu. Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen, die stur sind, aber nicht blind stur, ohne darüber nachzudenken, was sie tun, 45 00:04:10,500 --> 00:04:22,066 sondern zu solchen, die ihre Pläne allmählich schmieden und unabhängig vom Zeitaufwand realisieren. Das hat mir im Leben sehr geholfen. 46 00:04:22,067 --> 00:04:38,632 Die Eltern: Mein Vater wurde in ein Handwerkerhaus hineingeboren. Mein Großvater arbeitete in einer Fabrik für Brückenbauten der Staatsbahnen, 47 00:04:38,633 --> 00:04:52,932 ein deutsches Unternehmen - MAN Lieberstein. Mein Vater übernahm den Beruf seines Vaters - des Schlossers. 48 00:04:52,933 --> 00:05:07,499 Der I. Weltkrieg. Das Schicksal hatte meinen Vater nach Magdeburg geführt. Dort arbeitete er in den Eisenbahn-Werkstätten und lernte die berühmte „deutsche Ordnung“. 49 00:05:07,500 --> 00:05:25,366 Mein Vater übertrug diese Ordnung, nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland, auf das Leben seiner neuen Familie, die er in Bydgoszcz mit meiner Mutter gründete. 50 00:05:25,367 --> 00:05:33,999 Mein Vater, muss ich hier erwähnen, wurde in Warschau und meine Mutter in Łowicz, bei Warschau, geboren. 51 00:05:34,000 --> 00:05:45,766 Und die Situation meiner Mutter sah so aus, dass ihr Vater 25 Jahre in der zaristischen Armee seinen Dienst leistete. 52 00:05:45,767 --> 00:05:56,999 Er wanderte, lernte verschiedene Berufe, und nach Beendigung seiner Wanderschaft, gründete er auf polnischem Gebiet seine Familie. 53 00:05:57,000 --> 00:06:08,966 Es gab sieben Kinder, elf Kinder.. Einige sind gestorben, sieben sind am Leben geblieben: drei Jungen und vier Mädchen. 54 00:06:08,967 --> 00:06:17,566 Mein Großvater brachte ihnen damals eines bei. Damals wollten die Kinder noch lernen. Mein Großvater hatte seine eigene Methode für das Leben. 55 00:06:17,567 --> 00:06:29,166 Das Schicksal des Krieges lehrte ihn eins: Man muss einfallsreich sein und einen Beruf haben. Wenn man etwas mit eigenen Händen erreichen kann, 56 00:06:29,167 --> 00:06:44,999 so wird das Geld von alleine in dein Haus kommen. Also, arbeite für jemanden, aber vermeide es, Diener zu sein. 57 00:06:45,000 --> 00:06:52,866 Du solltest so arbeiten, solche Berufe erlernen, dass die Leute, die was brauchen, zu dir kommen. 58 00:06:52,867 --> 00:07:01,499 Du verrichtest die Arbeit und bekommst Geld dafür. Mit dem Geld kannst du dir ein besseres Leben leisten. Du kannst dir Bücher kaufen 59 00:07:01,500 --> 00:07:10,332 und das lernen, was dir in den Sinn kommt oder was im Leben nützlich sein könnte. So habe ich gelernt. 60 00:07:10,333 --> 00:07:21,099 Mein Großvater war Schuster und zu dieser Zeit fertigte er Offiziersstiefel. Als der Krieg ausbrach 61 00:07:21,100 --> 00:07:31,266 arbeitete er für die deutsche Armee, später für die russische, das heißt andersrum, zuerst für die russische und später für die deutsche. 62 00:07:31,267 --> 00:07:39,332 Das Schicksal hatte die Familie aus den polnischen Gebieten nach Russland geführt. Die Wanderung endete in Odessa. 63 00:07:39,333 --> 00:07:45,966 Zu dieser Zeit begann der russische Umbruch und der Bolschewismus wurde geboren. 64 00:07:45,967 --> 00:07:59,799 Mein Großvater erlebte den türkisch-armenischen Krieg, als in Odessa das Blut durch die Straßen floss. Er entkam aus Russland nach Polen. Details lasse ich aus. 65 00:07:59,800 --> 00:08:08,866 Auf jeden Fall, die beiden Familien trafen sich später in Bydgoszcz. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 66 00:08:08,867 --> 00:08:18,466 fuhr mein Vater mit einem Kollegen von Magdeburg nach Polen und machte in Bydgoszcz Halt, so wie meine Mutter auch. Hier trafen sie sich. 67 00:08:18,467 --> 00:08:26,866 Das Ergebnis: Tochter Danuta erblickte die Welt, zwei Jahre später der Sohn Zbigniew. Warum Zbigniew und Danuta? 68 00:08:26,867 --> 00:08:42,199 Die polnische Geschichte wurde in unserer Familie schon immer gepflegt. Wir lernten über die vergangenen Generationen: über Chrobry und Kraszewski. 69 00:08:42,200 --> 00:08:53,799 Die Literatur und die Berufe gingen von Großeltern auf die Söhne über und man lehrte uns eins: man muss einen Beruf erlernen. 70 00:08:53,800 --> 00:09:05,432 Weil mein Vater Schlosser von Beruf war, war es auch an mir, diesen Beruf zu erlernen. Dies passierte zu der Zeit, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. 71 00:09:05,433 --> 00:09:18,366 In der Zwischenkriegszeit lebte mein Vater in Bydgoszcz und fand Interesse am Radfahren. Er lehrte einen Jungen, in dem er das Talent zum Radfahren entdeckte. 72 00:09:18,367 --> 00:09:29,766 Er war später polnischer Meister im Radsport. Er lebte bei uns. Später eröffnete mein Vater einen Fahrrad-Club und war dort Präsident. 73 00:09:29,767 --> 00:09:46,099 Sein Interesse an der Politik. Er traf General Thommée. Er gründete mit ihm die Organisation BBWR - Parteiloser Block für die Zusammenarbeit mit der Regierung. 74 00:09:46,100 --> 00:09:56,532 Die Jozef Pilsudski-Ära, die Befreiung des Landes, begann. Mein Vater mischte weiterhin in der Politik mit. 75 00:09:56,533 --> 00:10:06,032 Diese Politik fand zu einer Zeit statt, in der die Wirtschaft im gesamten Europa in einer ökonomischen Krise steckte. Auch in Polen war es so. 76 00:10:06,033 --> 00:10:15,299 Dieses politische Engagement meines Vaters führte ihn in die Arbeitslosigkeit. Nach seinem Arbeitsverlust lebten wir zwei Jahre lang von Stütze.. 77 00:10:15,300 --> 00:10:22,932 Meine Mutter bekam zu der Zeit 5 Złoty pro Monat und musste damit so wirtschaften, dass es zu Hause an nichts fehlte. 78 00:10:22,933 --> 00:10:33,966 Später, nach dem Treffen mit General Thommée, verbesserte sich unsere Situation. Er kümmerte sich um meinen Vater. 79 00:10:33,967 --> 00:10:37,966 Mein Vater bekam eine leitende Position in einer militärischen Einheit 80 00:10:37,967 --> 00:10:47,866 bei der Herstellung des ersten polnischen Panzers, genannt "Łazik" und anderen mechanischen Kraftfahrzeugen in der Artyleryjska-Straße in Bydgoszcz. 81 00:10:47,867 --> 00:11:00,732 Diese Berufszeit meines Vaters verbesserte unsere Wohnbedingungen. Die Kinder gingen nun zur Schule, und die Situation sah nicht schlecht aus. 82 00:11:00,733 --> 00:11:12,032 Bis zum Zeitpunkt der Forderungen der Deutschen an Polen, den so genannten Pommerschen Korridor, den Zugang zu Ostpreußen frei zu geben. 83 00:11:12,033 --> 00:11:22,832 Dieser Moment war ausschlaggebend für Polen und meine Familie. Minister Beck verkündete, dass Polen nicht von der Ostsee weichen werde. 84 00:11:22,833 --> 00:11:35,666 Diese Nachricht hat Hitler verärgert und er erklärte den Krieg. Wir verließen vorher noch Bydgoszcz und zogen nach Warschau um. 85 00:11:35,667 --> 00:11:48,432 General Thommée informierte meinen Vater über die Beförderung in die Flugzeugfabrik Okęcie in Warschau. 86 00:11:48,433 --> 00:11:58,232 Die Kinder sollten bis zum Schuljahresende in Bydgoszcz verbleiben. Wir kamen zwei Wochen vor dem Kriegsanfang nach Warschau. Eine neue Wohnung, ein Problem. 87 00:11:58,233 --> 00:12:09,966 Leider waren alle Plätze in den Schulen bereits vergeben. Meine Mutter fand noch einen Platz in einem kaufmännischen Gymnasium für mich. 88 00:12:09,967 --> 00:12:19,866 Ich war sehr verärgert darüber, weil ich kein Kaufmann werden wollte. Ich wollte so wie der Opa und mein Vater ein Schlosser, ein Mechaniker werden. 89 00:12:19,867 --> 00:12:30,932 Man erklärte mir, einem 14-jährigen Kind: "Warte, sicherlich werden einige Kinder innerhalb des nächsten halben Jahres scheitern 90 00:12:30,933 --> 00:12:36,232 und dann bekommst du einen Platz. Es wird sicher so sein." Sie hatten Recht. Und so kam es auch. 91 00:12:36,233 --> 00:12:53,932 Ein neues schockierendes Kapitel der Kriegsgeschichte fing an. Nachdem ich am 1. September meine Papiere in der Schule eingereicht hatte, 92 00:12:53,933 --> 00:13:02,832 stellte sich heraus, dass die finanziellen Möglichkeiten meiner Eltern überprüft wurden. Die Schulen waren zu der Zeit gebührenpflichtig. 93 00:13:02,833 --> 00:13:10,899 Man hatte nur diejenigen Kinder aufgenommen und benachrichtigt, deren Eltern ein regelmäßiges Einkommen hatten. 94 00:13:10,900 --> 00:13:18,599 Ich wurde darüber nicht informiert. Also hat mein Vater anders über mich verfügt. 95 00:13:18,600 --> 00:13:26,866 Er sagt zu mir: "Hör mal, ich eröffne eine Werkstatt. Ich werde Dienste für die Nachkriegsbevölkerung verrichten, 96 00:13:26,867 --> 00:13:34,199 der Krieg verursacht große Schäden. Das Geld bleibt zu Hause. Ab jetzt wirst du in meiner Werkstatt als Schlosser arbeiten, eine Lehre in diesem Beruf machen." 97 00:13:34,200 --> 00:13:46,666 In der Zwischenzeit verkündeten die deutschen Behörden, dass Jugendliche nur in den berufsbildenden Schulen rekrutiert werden dürften. 98 00:13:46,667 --> 00:14:00,066 Und so kam es auch. Auf diese Weise absolvierte ich eine 3-jährige Berufsschule. Die Deutschen erlaubten eine zusätzliche vierte Klasse zu eröffnen, 99 00:14:00,067 --> 00:14:16,866 diese wurde zu einer geheimen Vorbereitungsstufe geisteswissenschaftlicher und humanistischer Bildung für junge Menschen. 100 00:14:16,867 --> 00:14:32,632 Auf diese Weise, durch die geheime Schullektüre, die ich dort las, lernte ich bei offiziellen polnischen Professoren die Geschichte Polens. 101 00:14:32,633 --> 00:14:50,299 Der Durchbruch kam für mich mit der Zeit, als ich meine Unterlagen in das Wawelberg Gymnasium - eine technische Schule für Maschinenbau - eingereicht hatte. 102 00:14:50,300 --> 00:14:56,699 Nebenbei bemerkt, war das eine deutsche Schule, bekannt in ganz Europa. 103 00:14:56,700 --> 00:15:00,432 Ich war sehr glücklich darüber, dass ich in diesem Gymnasium lernen würde. 104 00:15:00,433 --> 00:15:14,666 Die Jungs dort trugen charakteristische braune Mützen, sie waren in ganz Warschau bekannt. Im Wawelberg zu lernen, war etwas besonderes. 105 00:15:14,667 --> 00:15:28,266 Doch leider, so wie 1939, nach der Prüfung für das Gymnasium, brach der II Weltkrieg aus, so wiederholten sich jetzt die Umstände, 106 00:15:28,267 --> 00:15:39,232 ich reichte die Unterlagen am Wawelberg-Gymnasium ein und sollte am 1. September mit der Lehre beginnen. 107 00:15:39,233 --> 00:15:54,799 Doch am 1. August brach der Warschauer Aufstand aus. Wir arbeiteten in der Werkstatt und erfuhren dort vom Ausbruch des Aufstandes. 108 00:15:54,800 --> 00:16:04,599 Der Vater schloss um drei Uhr die Werkstatt und wir fuhren mit der letzten Straßenbahn über die Kierbedz-Brücke nach Praga. 109 00:16:04,600 --> 00:16:19,332 Die Weichsel trennt das Praga-Viertel von anderen Stadtteilen Warschaus. Um 15 Uhr begann der Aufstand in Warschau. Praga blieb von dieser Tragödie verschont. 110 00:16:19,333 --> 00:16:30,632 Dann die Familientragödie: Meine Schwester kam von der Arbeit nicht nach Hause zurück. "Was ist mit Danka? Lebt sie? Ist sie tot? Wo ist sie?" 111 00:16:30,633 --> 00:16:36,232 Wir hofften die ganze Zeit, dass sie bei der Tante, 112 00:16:36,233 --> 00:16:44,832 die in Krakowskie Przedmieście lebte, unterkam, bei ihrer Familie verweilte und Unterstützung bekam. 113 00:16:44,833 --> 00:16:50,332 Genauso hat es sich auch zugetragen. Ich habe aber erst nach dem Krieg von der ganzen Situation erfahren. 114 00:16:50,333 --> 00:17:06,632 Über meine Situation zu der Zeit hat die Kriegsmaschinerie und die Verordnungen der deutschen Ämter entschieden. 115 00:17:06,633 --> 00:17:22,099 Am 28. August, im Hinterhof meines Hauses, hielten wir Bewohner uns im Raum zwischen den benachbarten Blöcken auf. 116 00:17:22,100 --> 00:17:30,732 Bewaffnet bis an die Zähne, wie man so sagt, erschienen plötzlich die Deutschen mit Maschinengewehren in der Hand. 117 00:17:30,733 --> 00:17:41,132 Einer der Offiziere ging in die Mitte, und kündigte etwas an, was alle erschreckte: 118 00:17:41,133 --> 00:17:52,199 "Innerhalb von 5 Minuten haben alle Männer zwischen 14 und 65 Jahren auf dem Hof zu ​​erscheinen." 119 00:17:52,200 --> 00:17:59,999 Ihr habt 5 Minuten. Wenn jemand in der Wohnung angetroffen wird, wird er auf der Stelle erschossen". 120 00:18:00,000 --> 00:18:10,366 Sie können sich vorstellen, was passierte: Schock, Panik, Tränen, Verzweiflung. Diejenigen auf dem Hof, durften nicht nochmal nach Hause gehen. 121 00:18:10,367 --> 00:18:26,166 Sie stellten uns in Reihen auf und führten uns in die Militärkaserne ab, wo man uns auf einem leeren Platz versammelte. Wir sahen einige Hütten, Schuppen. 122 00:18:26,167 --> 00:18:35,166 Man hatte uns unbeaufsichtigt in diese Richtung geschickt. 123 00:18:35,167 --> 00:18:42,466 Hier sah ich das erste Mal etwas, das mich erschreckte. Zu meiner linken Seite sah ich eine Gruppe von Menschen, 124 00:18:42,467 --> 00:18:57,866 die sehr erschöpft waren. Menschen, die wie Bettler in Lumpen aussahen. Offen gesagt, erweckten sie in mir ein Gefühl des Ekels. 125 00:18:57,867 --> 00:19:10,432 Sie riefen uns etwas zu. Ich konnte nicht so richtig verstehen. Kurz danach trat ein Teil unserer Gruppe in diese Schuppen ein und lief sofort von dort weg. 126 00:19:10,433 --> 00:19:14,466 Diese Menschen warnten uns vor den Flöhen. 127 00:19:14,467 --> 00:19:25,532 Diejenigen, die in die Baracken hineingingen, waren am ganzen Körper von Flöhen zerbissen. Die Warner waren russische Kriegsgefangene. 128 00:19:25,533 --> 00:19:30,732 {Schweigt und kämpft mit Tränen} 129 00:19:30,733 --> 00:19:46,632 IV: Ich erkläre gleich, worum es geht. Ok. Er hat jetzt ganz ausführlich über die Familie der Seite des Vaters und der Mutter erzählt. 130 00:19:46,633 --> 00:19:57,332 Wie sie sich kennengelernt haben. Am Schluss als der Vater aus Magdeburg zurück gekommen ist und wollte sich ein neues Leben aufbauen in Bromberg. 131 00:19:57,333 --> 00:20:10,766 Und die Mutter aus Russland, aus Odessa, nach Polen auch gekommen ist, haben sie sich in Bromberg kennengelernt und die Familie gegründet. Er hat noch eine Schwester, Danuta heißt sie. 132 00:20:10,767 --> 00:20:23,466 Und dann hat er erzählt, wie sie ... vom Hof wegbrachten. War Ihr vater mit Ihnen? 133 00:20:23,467 --> 00:20:25,966 ZK: Kann ich beginnen? 134 00:20:25,967 --> 00:20:30,132 IV: Ich hätte... Er möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.. 135 00:20:30,133 --> 00:20:37,166 ZK: So. Mein Vater ist in der Wohnung geblieben. Er konnte wunderschön Deutsch sprechen. 136 00:20:37,167 --> 00:20:41,299 IV: Sein Vater ist in der Wohnung geblieben, weil er sehr gut Deutsch gesprochen hat. 137 00:20:41,300 --> 00:20:47,599 ZK: Während der Kontrolle kam ein alter Deutscher mit einem jungen in die Wohnung. 138 00:20:47,600 --> 00:20:56,366 IV: Und während sie sie kontrolliert haben, ob noch jemand in der Wohnung zurückgeblieben ist, kam ein älterer Deutscher mit einem jungen. 139 00:20:56,367 --> 00:20:59,766 ZK: Mein Vater lag im Bett. 140 00:20:59,767 --> 00:21:03,399 IV: Erzählen Sie weiter, ich soll nicht übersetzen... 141 00:21:03,400 --> 00:21:14,732 ZK: Die Situation sah so aus, dass ich in die deutsche Kaserne ohne meinen Vater eingeliefert wurde. Er war zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung. 142 00:21:14,733 --> 00:21:25,099 In diesem Moment betraten die Wohnung zwei Deutsche, ein älterer, über 60 Jahre alt, mit einem jungen. 143 00:21:25,100 --> 00:21:31,899 Sie sahen meinen Vater und fragten ihn: "Und was machst du hier in der Wohnung? Es gab einen Befehl. Du solltest im Hof erscheinen!“ 144 00:21:31,900 --> 00:21:40,499 Mein Vater antwortete in schönem Deutsch, dass er krank ist und nicht vom Bett aufstehen kann. 145 00:21:40,500 --> 00:21:46,399 Das überraschte den Deutschen. Er fragte: "Wer bist du? Ein Deutscher?“ 146 00:21:46,400 --> 00:21:55,932 „Nein“. "Und woher kannst du Deutsch?" Mein Vater erzählte, dass er fünf Jahre in Deutschland lebte und Deutsch kann. 147 00:21:55,933 --> 00:22:07,232 Es kam eine Kontrollfrage: „In Magdeburg?“ „Wo hast du gearbeitet?" „In irgendwelchen Eisenbahn-Werkstätten.“ Hier nannte er die Straße. 148 00:22:07,233 --> 00:22:16,799 Dieser sagt: "Warst du dort?" „Das ist richtig. Denn auch ich bin aus Magdeburg“. Und es folgte ein Informationsaustausch vor Ort. 149 00:22:16,800 --> 00:22:21,299 Und der Vater fügte noch hinzu, dass er nach der Arbeit in diese und diese Brauerei zum Bier trinken gegangen war. 150 00:22:21,300 --> 00:22:26,299 Das hat den Deutschen überrascht, dass sie nach der Arbeit in die gleiche Brauerei zum Bier trinken gegangen waren und er sagte zu dem jungen: 151 00:22:26,300 --> 00:22:35,032 "Lass den alten und komm schon." Und so hatte die Kenntnis der deutschen Sprache meinem Vater das Leben gerettet. 152 00:22:35,033 --> 00:22:42,732 Ich weiß nicht, ob es sich lohnt zu erwähnen, dass ich eine ähnliche Situation erlebte? Aber mehr dazu später. 153 00:22:42,733 --> 00:22:50,299 Jetzt zurück zu den russischen Gefangenen. Es war ein erschreckender Anblick. 154 00:22:50,300 --> 00:23:01,566 Ich sah sie ohne zu ahnen, dass ich bald ganz ähnlich wie sie aussehen würde. 155 00:23:01,567 --> 00:23:13,866 Aber das kam später. Als wir aus der Kaserne über die Brücke Kierbedzia auf die Seite, wo der Warschauer Aufstand stattfand, gebracht wurden. 156 00:23:13,867 --> 00:23:22,799 Ich beobachtete brennende Häuser. In der Hala Mirowska in Warschau verbrannte man die Leichen. 157 00:23:22,800 --> 00:23:34,732 Jeden Tag ging Rauch hoch. Der Geruch von verbrannten Leichen. Man führte uns nach Wola in die Vorstadt, und wir gingen in die Kirche hinein. 158 00:23:34,733 --> 00:23:49,299 Dort wurden verschiedene Gruppen aus verschiedenen Bezirken der Stadt gesammelt. Die Deutschen jagten die Aufständischen. 159 00:23:49,300 --> 00:24:02,899 Sie hatten ein leichtes Spiel, weil diese anders gekleidet waren. Jede normale Gruppe trug Bekleidung, in der man üblicherweise die Wohnung verlässt. 160 00:24:02,900 --> 00:24:07,166 Die Aufständischen aber trugen Spuren des - seit bereits einem Monat andauernden - Kampfes, 161 00:24:07,167 --> 00:24:17,832 Es gab Spuren des Schlafmangels. Sie waren unrasiert, schmutzig, trugen zerlumpte Kleider. Man sah, dass sie an dem Aufstand teilnahmen. 162 00:24:17,833 --> 00:24:22,099 Die Deutschen erschossen die Aufständischen auf der Stelle. 163 00:24:22,100 --> 00:24:30,232 Über diese Tragödie, in der Geschichte des Aufstands detailliert beschrieben, werde ich jetzt nicht erzählen, weil dies sehr umfassendes Material ist. 164 00:24:30,233 --> 00:24:39,599 Unsere Gruppe wurde für die Nacht in der Kirche eingeschlossen. Man sagte uns: „Wer die Toilette benutzen will, 165 00:24:39,600 --> 00:24:47,599 hat jetzt die einzige Gelegenheit dazu, weil die Kirche in der Nacht abgeschlossen wird. Niemand wird die Kirche verlassen können.“ 166 00:24:47,600 --> 00:24:57,232 Stellen Sie sich das vor. In der Kirche sind Tausende von Menschen versammelt: Kinder, Kranke, Verwundete, Frauen, Männer, Mädchen, Jungen. 167 00:24:57,233 --> 00:25:08,066 Das ist eine Tragödie. In dem, für die Katholiken heiligen Ort, müssen wir mit physiologischen Bedürfnissen zurechtkommen. 168 00:25:08,067 --> 00:25:25,366 Dunkle Nacht, das Echo des menschlichen Leidens hallt in diesem riesigen Raum und in der Dunkelheit. Eine unvorstellbare Geschichte. 169 00:25:25,367 --> 00:25:31,766 All die Geräusche mischten sich mit dem Geweine und den Hysterieanfällen einiger, weil es auch solche gab. 170 00:25:31,767 --> 00:25:41,799 Am Morgen öffnete man die Kirche und führte uns auf den Kirchenhof. Die Männer mussten Reihen bilden. 171 00:25:41,800 --> 00:26:01,032 Hier war der erste Zufall, der über mein Leben bestimmte: Ein Deutscher kam zu mir, legte seine Hand auf meinen Rücken und schrie: "Die ganze Gruppe 15 Schritte vorwärts!". 172 00:26:01,033 --> 00:26:07,299 Die Gruppe wurde in zwei Teile geteilt. Eine Gruppe ging nach vorne, 173 00:26:07,300 --> 00:26:20,499 unsere Gruppe marschierte über die Gleise und man fuhr uns nach Pruszkow zum Durchgangslager 121. 174 00:26:20,500 --> 00:26:35,099 In den Eisenbahn-Werkstätten von Pruszkow sah ich eine neue Tragödie: Viele verletzte Menschen, die zuvor aus allen Teilen Warschaus versammelt wurden. 175 00:26:35,100 --> 00:26:48,566 Man verkündete uns: "Hier seid ihr nur vorübergehend. Es werden Züge vorfahren. Ihr sollt in die Züge einsteigen“. 176 00:26:48,567 --> 00:26:56,699 Die Deutschen waren hier relativ mild mit uns und versuchten zu erklären was hier vor sich geht. 177 00:26:56,700 --> 00:27:07,832 Und zwar: „Einige Züge fahren zu den Bauern, diejenigen, die auf dem Land arbeiten wollen, sollen in diese Züge einsteigen, 178 00:27:07,833 --> 00:27:18,299 diejenigen die in mechanischen Werkstätten und Fabriken arbeiten wollen, sollen in andere Züge einsteigen. 179 00:27:18,300 --> 00:27:27,032 Zu Ihrer Information, es bleibt niemand hier. Es gibt hier keine Nahrung, es existieren keine Schlafmöglichkeiten und es mangelt an Hygiene. 180 00:27:27,033 --> 00:27:31,866 Daher müsst ihr diesen Ort alle verlassen. Von euch hängt es ab wohin ihr gehen werdet". 181 00:27:31,867 --> 00:27:41,399 Wie eine Herde von Schafen sind wir in den Zug zu den Bauern eingestiegen und wohin wir fuhren, stellte sich heraus, 182 00:27:41,400 --> 00:27:53,432 nach der Öffnung der Wägen. Die Wägen blieben geschlossen. Man öffnete sie erst nach drei Tagen. Wir waren 60 Personen ohne Trinkwasser, ohne Essen. 183 00:27:53,433 --> 00:28:02,766 Die Gruppe war gemischt: Familien, Kinder: Mädchen und Jungen, jung und alt. 184 00:28:02,767 --> 00:28:15,299 Und hier wiederholte sich das Gleiche wie in der Kirche - wir mussten unsere physiologische Bedürfnisse befriedigen! Jemand hatte ein Messer, eine Flasche. {Reibt sich an der Schläfe}. 185 00:28:15,300 --> 00:28:28,266 Nach drei Tagen, nachdem man den Wagen geöffnet hatte, sah ich, dass wir an einem Hang gehalten hatten. Ich erblickte in der Ferne graue Baracken. 186 00:28:28,267 --> 00:28:45,699 Frauen gingen herum, manche mit einem Kopftuch, die anderen ohne. Neben ihnen liefen einige Kinder. Ihre Kleider waren grau-blau gestreift und schmutzig. 187 00:28:45,700 --> 00:28:57,732 Ich wusste zu der Zeit nicht, dass dies das Lager in Ravensbrück war. Man hat uns zugerufen: "Alle Frauen und Kinder sollen den Wagen verlassen." 188 00:28:57,733 --> 00:29:11,232 Die Verzweiflung. Familien wurden getrennt. Kinder klammerten sich an ihre Väter. Brutal wurden alle rausgeworfen. Der Zug fuhr weiter. 189 00:29:11,233 --> 00:29:23,899 Nach ein paar Stunden öffnete man die Wägen. Ich sah in einem Halbkreis, die SS-Leute mit Maschinengewehren und Hunden. Das Heulen der Hunde hörte man. 190 00:29:23,900 --> 00:29:37,299 Auf der linken Seite sah ich eine hohe Mauer, einen Turm und einige Tischlerwerkstätten, geordnete Baumstämme und Bretter. Und ich erschrak. 191 00:29:37,300 --> 00:29:45,499 Bellende Hunde, Stacheldraht, Reflektoren, Maschinengewehre. O mein Gott, wir sind in einem Konzentrationslager. 192 00:29:45,500 --> 00:29:53,466 Wir gingen durch das Tor mit einem Wachturm auf das Lagergelände. 193 00:29:53,467 --> 00:30:01,299 Eine seltsame Sache: wunderbare Sonne, die Bebauung in weiß, 194 00:30:01,300 --> 00:30:12,166 in einem Halbkreis grüne saubere Baracken, rote Fensterrahmen und nirgendwo Menschen. Nur wir. 195 00:30:12,167 --> 00:30:21,932 Auf der linken Seite irgendwelche Gebäude, Schornstein, im Hintergrund ein Wald. Man hatte uns allein gelassen. 196 00:30:21,933 --> 00:30:35,732 Die Wachen waren weg. Wir warteten, aber nichts passierte. Auf einmal sahen wir, wie eine Gruppe von fünf Häftlingen eine Auto-Plattform schob. 197 00:30:35,733 --> 00:30:43,366 Auf der Plattform stand eine Treppe und neben der Plattform gingen vier Männer, zwei Offiziere und zwei Zivilisten. 198 00:30:43,367 --> 00:30:57,666 Schnell begriff ich, dass das Deutsche sind, weil die zwei Zivilisten so Jägerhüte mit einer Borste auf dem Hutband trugen. 199 00:30:57,667 --> 00:31:08,166 Sie kletterten auf die Plattform. Der Kommandant sprach. Einer der Zivilisten dolmetschte: 200 00:31:08,167 --> 00:31:27,499 "Ihr seid im KZ Sachsenhausen. Zu eurer Information: Hier kommt man nicht lebendig heraus. Seht ihr den Schornstein? Höchstens euer Rauch fliegt auf die polnische Seite. 201 00:31:27,500 --> 00:31:37,032 Von hier gibt es kein Entkommen. Die Lagerordnung besagt, es gibt hier keine extra Lebensmittel. 202 00:31:37,033 --> 00:31:46,799 Wenn jemand Lebensmittel dabei hat, muss er sie auf der Plattform ablegen. Für die Wertsachen bekommt ihr einen Umschlag. 203 00:31:46,800 --> 00:31:56,932 Auf den Umschlag soll der Vorname, Nachname, Geburtsdatum und woher man kommt, aufgeschrieben werden, 204 00:31:56,933 --> 00:32:06,866 damit bei der Rückgabe der Sachen alles richtig verläuft und keiner behaupten kann, dass man ihm etwas gestohlen hätte." 205 00:32:06,867 --> 00:32:18,166 Wir wurden ein bisschen stutzig. Gerade eben sagte er, dass keiner hier rauskommt, und jetzt, dass bei einer Entlassung unsere Sachen richtig zugeordnet werden sollen. 206 00:32:18,167 --> 00:32:25,566 Blankes Entsetzen. Er lügt, wir wissen doch, dass uns der Tod erwartet. Das hatte uns überzeugt. 207 00:32:25,567 --> 00:32:32,099 Jeder, der etwas besaß, zerstörte schnell alles, damit sie nichts bekommen. 208 00:32:32,100 --> 00:32:38,532 Unsere Gruppe zählte einige hundert Personen. Nun, jeder, der was hatte, versuchte die wertvollen Sachen 209 00:32:38,533 --> 00:32:45,432 in der Erde zu vergraben. Jeder fummelte im Boden. Sie kriegen von uns nichts. 210 00:32:45,433 --> 00:32:51,966 Ich zum Beispiel hatte einen Schulranzen, in dem ich einen halben Liter Spiritus hatte. Meine Mutter bereitete ihn immer für mich. 211 00:32:51,967 --> 00:33:00,966 Es war ein Reserve-Rucksack für den Fall der Verhaftung. Ich öffnete den Rucksack erst im Lager. 212 00:33:00,967 --> 00:33:13,166 Ich hatte zwei Fischdosen, einen halben Liter Spiritus, ein Stück Leder für Schuhsohlen, ein Stück Seife „Schichta“ und eine Taschenuhr. 213 00:33:13,167 --> 00:33:23,466 Ich öffnete den Rucksack und bot den Kollegen etwas davon an. Einer sagte: "Deine Uhr ist nichts wert. Du kriegst von mir eine andere." 214 00:33:23,467 --> 00:33:32,199 Jemand hatte ein Messer und ich schnitt die Seife in zwei Hälften. Ich habe ihm für die Uhr ein halbes Stück Seife abgegeben. 215 00:33:32,200 --> 00:33:39,066 In die andere Hälfte habe ich diese Omega Uhr versteckt 216 00:33:39,067 --> 00:33:48,699 und präparierte die Seife so, dass man glaubte, sie wäre bereits benutzt. 217 00:33:48,700 --> 00:33:56,232 Auf diese Weise habe ich diese Uhr durch die nächsten 8 Kontrollen geschmuggelt. 218 00:33:56,233 --> 00:34:13,932 Das Resultat war auch so... Weil wir es kannten... Als wir aus der Kolonne rauskamen, fingen in den Baracken die Kontrollen an. 219 00:34:13,933 --> 00:34:24,399 Wir mussten uns nackt ausziehen, unsere Jacken auf den Boden werfen und die restlichen Kleider auf die Jacke hinlegen, 220 00:34:24,400 --> 00:34:30,899 und mit den Jackenärmel das Ganze zu einem Bündel schnüren und zum Tisch gehen. 221 00:34:30,900 --> 00:34:43,666 Der Umschlag war am Tisch abzugeben. Ein Deutscher schrieb den Namen vom Umschlag in ein Buch. Die Kleidung warfen sie in die Ecke des Raumes. 222 00:34:43,667 --> 00:34:53,166 Erst jetzt wurde uns erlaubt in den nächsten Raum zu gehen. Wir durften ein Handtuch, 10 Zigaretten, Seife und eigene Schuhe mitnehmen. 223 00:34:53,167 --> 00:35:01,732 Im nächsten Raum wurden wir rasiert. Wir wurden alle Körperhaare los. 224 00:35:01,733 --> 00:35:14,266 Und nun - ekelhafte Situation - eine persönliche Kontrolle mit Licht, ob sich im Körper etwas befindet, was wir verstecken wollten. 225 00:35:14,267 --> 00:35:25,832 Danach konnten wir in den nächsten Raum zum Duschen. Hier klaute man mir meine Schuhe und Zigaretten. Das Handtuch und die Seife blieben. 226 00:35:25,833 --> 00:35:40,332 In der anderen Baracke bekamen wir ein Papierhemd. Das war ein Sack, wie für Zucker oder Kalk, mit abgeschrägten Ecken und einem Loch für den Kopf. 227 00:35:40,333 --> 00:35:51,266 Das war der Schlafanzugsersatz. Wir bekamen auch Unterhosen, Hosen, Hemden, runde Kappen, alles gestreift. 228 00:35:51,267 --> 00:36:05,432 Wir marschierten aufs Feld und dann weiter in 5 Reihen zum Block 54. 229 00:36:05,433 --> 00:36:19,199 Wir bekamen Bänder mit Nummern, die ins Register eingetragen wurden. Wir mussten Vornamen, Geburtsdatum und Herkunftsort angeben. 230 00:36:19,200 --> 00:36:29,299 Auf meinem beigen Band, das ich bekam, war ein rotes Dreieck und die Nummer 85625. 231 00:36:29,300 --> 00:36:40,566 Von diesem Zeitpunkt an hatte ich keinen Namen mehr, nur eine Häftlingsnummer 85625. Das vergisst man sein Leben lang nicht. 232 00:36:40,567 --> 00:36:50,999 Warum erzähle ich das? Als ich in Bydgoszcz lebte und dort zur Schule ging, hatte ich auch deutsche Freunde. 233 00:36:51,000 --> 00:36:58,199 Die deutsche Sprache war mir nicht fremd. Ich kannte deutsche Zahlen, es gab keine Schwierigkeiten. 234 00:36:58,200 --> 00:37:07,899 Und beim Einkaufen sprach ich sogar mal polnisch mal deutsch.: ein halbes Pfund oder ćwierć kilo, auf deutsch oder polnisch. 235 00:37:07,900 --> 00:37:10,832 Ich kannte die wichtigsten Ausdrücke. 236 00:37:10,833 --> 00:37:20,799 Für die Menschen im Lager, die aus den östlichen Grenzgebieten, aus Galizien, kamen, die nie Deutsch hörten, 237 00:37:20,800 --> 00:37:29,166 war die deutsche Sprache ein schreckliches Problem. Warum erwähne ich das? Deshalb, weil davon oft ein Menschenleben abhing. 238 00:37:29,167 --> 00:37:42,666 Als wir die Nummern schon annähten, führte man uns zum Appellplatz. Der Kapo schrie: „85625 komm zu mir“ 239 00:37:42,667 --> 00:37:55,366 Ich verstand, dass ich aus der Reihe raus muss, mich 3 Metern vor ihn stellen und mich mit meiner Häftlingsnummer melden. 240 00:37:55,367 --> 00:38:01,999 Wenn es aber einen traf, der nie zuvor die deutsche Sprache hörte, wusste er nicht, was los war. 241 00:38:02,000 --> 00:38:08,999 Einer der Kollegen half ihm, als er sah, welche Nummer er trug als der deutsche Kapo ihn rief. 242 00:38:09,000 --> 00:38:20,666 Selbst wenn ein Kollege ihn herausschubste, konnte sich derjenige nicht auf Deutsch mit der Nummer anmelden, weil er sie nicht lesen konnte. 243 00:38:20,667 --> 00:38:28,666 Daraufhin verpasste ihm der Kapo mit dem Stock einen Kopfschlag {hebt rechte Hand}. Er bedeckte seinen Kopf und bekam den zweiten Schlag auf die Hände, 244 00:38:28,667 --> 00:38:38,999 er senkte die Arme und bekam dann den dritten Schlag auf den Kopf. Danach fiel er bewusstlos zu Boden. 245 00:38:39,000 --> 00:38:49,032 So sah die Begrüßung der Häftlinge im KZ Sachsenhausen aus. 246 00:38:49,033 --> 00:38:57,699 Ironischerweise, damit es lustiger wird, wie sie es nannten, mussten wir bei dieser Zeremonie schnell marschieren, als die Nummer gerufen wurde. 247 00:38:57,700 --> 00:39:05,499 Nun, für einen jungen und gesunden Mann war das auszuhalten, er sprang aus der Reihe und sagte seine Nummer. 248 00:39:05,500 --> 00:39:21,999 Aber wenn es einen Kranken traf, der nach Luft schnappte und das Tempo nicht halten konnte, er fiel und stand auf bis er nach den Schlägen schließlich tot umfiel. 249 00:39:22,000 --> 00:39:35,699 Ich erzähle noch eine Episode, die passierte als wir in den Reihen standen. Der Kapo kam und fragte einen meiner Kollegen nach etwas und schlug auf ihn. 250 00:39:35,700 --> 00:39:47,599 Das Ergebnis war: Der Kapo fiel um. Er war auf einen Boxer getroffen. Dieser hat ihm einen Kinnhaken verpasst und ihn zu Boden geschlagen. 251 00:39:47,600 --> 00:39:57,866 Diesen Moment vergesse ich für den Rest meines Lebens nicht. Alle Kapos eilten sofort auf meinen Kollegen zu und schlugen ihn zu Tode. 252 00:39:57,867 --> 00:40:22,666 Nach dem KO am Deutschen lachten alle auf, später lachte aber niemand mehr. Jeder hörte auf zu lachen. {schweigt und trinkt Wasser}. Also.. schon? 253 00:40:22,667 --> 00:40:24,166 MA: Ok.. 254 00:40:24,167 --> 00:40:34,899 ZK: Diesen Moment habe ich in meinem Leben nie vergessen. Wie ich schon sagte, niemand lachte mehr. Es war vorbei. 255 00:40:34,900 --> 00:40:43,866 Wir wussten, dass die Kapos, die eine grüne Kennzeichnung trugen, verurteilte Banditen waren. 256 00:40:43,867 --> 00:40:54,966 Und ehrlich gesagt, ich kann mich nicht wirklich erinnern - es gab Ausnahmen, dass ein SS-Mann im Lager tötete. 257 00:40:54,967 --> 00:41:01,732 Das taten die Kapos. Warum erzähle ich darüber was die Kapos machten? 258 00:41:01,733 --> 00:41:18,666 Die Kapos waren genauso KZ-Häftlinge wie wir, nur hatten sie eine Funktion. Um die Funktion halten zu können 259 00:41:18,667 --> 00:41:29,432 und nicht für die Verbrechen, die sie begingen, bestraft zu werden, mussten sie diese Funktion gut ausüben und waren auch bereit zu grausamen Dingen. 260 00:41:29,433 --> 00:41:37,232 Zum Beispiel, wenn sie hungrig waren: Wir bekamen im Lager 100 g. Brot zum Frühstück, 100 g. zum Abendessen, zum Mittag gab es eine Suppe. 261 00:41:37,233 --> 00:41:45,799 Wir hatten Suppen... Als ob es ein zerhackter Hausmeisterbesen wäre... 262 00:41:45,800 --> 00:41:53,066 Es war einfach nicht klar, ob das Weidenruten waren oder etwas anderes. 263 00:41:53,067 --> 00:42:00,232 Die beste Suppe, die ich im Lager aß, war eine Rübensuppe. Sehr oft gab es eine Petersiliensuppe, sehr harntreibend. 264 00:42:00,233 --> 00:42:10,432 Nie war ein Mensch satt davon. Es herrschte ewiger Hunger. Der Körper fing an das eigene Körperfett zu verbrennen. 265 00:42:10,433 --> 00:42:24,899 Die Ernährungswissenschaftler über Ernährung der Häftlinge in den Konzentrationslagern, hatten dafür einen besonderen Begriff. 266 00:42:24,900 --> 00:42:32,732 Ich erinnere mich nicht mehr, wie es hieß. Auf jeden Fall, hat der Körper sich einfach selbst aufgefressen. 267 00:42:32,733 --> 00:42:44,466 Bei mir hat es dazu geführt, dass die breiteste Stelle an meinen Beinen das Kniegelenk war. 268 00:42:44,467 --> 00:42:53,766 An der Hüfte, konnte ich meine zu Fäusten geballten Hände ablegen und trotzdem ragten sogar noch Knochen heraus. Aber das war später. 269 00:42:53,767 --> 00:43:03,266 Denn jetzt bin ich noch in Sachsenhausen. Ich möchte jetzt nochmal auf die Behandlung der Häftlinge durch die Kapos 270 00:43:03,267 --> 00:43:11,066 und auf ihre Essgewohnheiten eingehen. Warum schlug der Deutsche einen Häftling zu Tode? 271 00:43:11,067 --> 00:43:20,499 Er hatte zwar in seinem Bericht den Tod des Häftlings gemeldet, aber seine Portion Brot hat er gegessen. 272 00:43:20,500 --> 00:43:26,499 Wenn er hungrig war, tötete er drei und hatte dadurch 300 g. Brot zum Frühstück mehr. Das gleiche zum Abendessen. 273 00:43:26,500 --> 00:43:39,399 Also im Lager hatten die Kapos solche Freiheiten. Das war überhaupt kein Problem für die Deutschen, sie schauten nur zu. Das interessierte sie nicht. 274 00:43:39,400 --> 00:43:51,032 Die Ankündigung des Lagerkommandanten: „Ihr verlasst das Lager nur durch den Schornstein“ galt für die Kapos genauso wie für uns. 275 00:43:51,033 --> 00:43:57,066 Ich sah in Sachsenhausen eine Gruppe gefesselter Häftlinge. 276 00:43:57,067 --> 00:44:09,499 Als Kennzeichen trugen sie rot-schwarze Kreise an ihrer Kleidung. Ich hatte eine Nummer auf einem beigen Band. 277 00:44:09,500 --> 00:44:14,766 Später erfuhr ich, dass sie zum Tode verurteilt wurden. Sie hatten keine Rechte. 278 00:44:14,767 --> 00:44:25,332 Sie hatten kein Recht auf einen Platz in der Baracke und mussten bei Regen oder Schnee, im Winter, wie im Sommer im Freien bleiben. 279 00:44:25,333 --> 00:44:36,832 Diese Gruppe hatten die Deutschen für das Sammeln und Transportieren von Blindgängern benutzt. 280 00:44:36,833 --> 00:44:43,566 Und wenn sie damit nicht richtig umgegangen sind, starben sie bei der Explosion. 281 00:44:43,567 --> 00:44:54,666 Ich habe später davon erfahren, dass sie auf die Idee gekommen sind, die Deutschen an ihrer statt sterben zu lassen. 282 00:44:54,667 --> 00:45:02,532 Sie streuten das Gerücht vom Gold in einer Ruine. Die Deutschen kamen dorthin und die Häftlinge ließen in diesem Moment eine Bombe detonieren. 283 00:45:02,533 --> 00:45:12,866 Wenn wir umkommen sollen, dann sollen die Deutschen auch sterben. Später waren die Deutschen vorsichtiger. Über diese Tatsache erfuhr ich erst später. 284 00:45:12,867 --> 00:45:20,699 Jetzt die Deutschen... Man hatte erst nach dem Krieg erfahren, dass die Deutschen ein System von Häftlingsmarkierungen verwendet hatten. 285 00:45:20,700 --> 00:45:31,332 Diese Dreiecke, von denen ich bereits sprach. Grüne Kennzeichen hatten verurteilte Kriminelle, Zeugen Jehovas bekamen die Farbe lila. 286 00:45:31,333 --> 00:45:46,199 Juden hatten Dreiecke in schwarz und gelb, die einen Stern bildeten. Es gab verschiedene Kreuzungen: Ein Jude mit einer Deutschen oder umgekehrt, verheiratete Paare. 287 00:45:46,200 --> 00:45:56,299 Solche gab es auch im Lager. Für diese Kennzeichnungen gibt es eine separate Tabelle mit umfassenden Informationen, sicherlich in der Geschichte bekannt. 288 00:45:56,300 --> 00:46:12,299 Kehren wir aber zu meiner Situation in Sachsenhausen zurück. Nach der Geschichte des Herummarschierens im Kreise und dem Ausrufen der Häftlingsnummern im Hof, 289 00:46:12,300 --> 00:46:25,366 bekamen wir abends etwas zu essen. Wir waren in den Baracken. Am nächsten Morgen marschierten wir in die Flugzeugfabrik Heinkel, 7 km von Sachsenhausen. 290 00:46:25,367 --> 00:46:35,099 Dort hatten wir zwei Wochen Quarantäne. In der Zeit bauten wir uns 5-stöckige Holzbetten. 291 00:46:35,100 --> 00:46:43,199 Plötzlich hörten wir vom Weiten einen Krach, Geräusche, als würde etwas auf uns zukommen. 292 00:46:43,200 --> 00:46:54,866 Es stellte sich heraus, dass 10.000 Belgier und Holländer in Holzschuhen eintrafen. Das erste Mal sah ich Häftlinge in solchen Schuhen. 293 00:46:54,867 --> 00:47:10,332 Die Gruppe hatte bereits Nummern über 120.000. Das heißt, innerhalb von zwei Wochen nach uns waren die Nummern über 120.000. 294 00:47:10,333 --> 00:47:16,732 Das gibt zu denken, wie schnell die Zahl der Gefangenen in Konzentrationslagern wuchs. 295 00:47:16,733 --> 00:47:30,699 Nach zwei Wochen waren wir wieder in Sachsenhausen. Es folgte eine kurze Kontrolle und am nächsten Tag bekamen wir auf dem Appellplatz einen Laib Brot. 296 00:47:30,700 --> 00:47:44,166 Mein Gott, ein ganzer Brotlaib, so viel. Jeder der Häftlinge fing sofort an, die Brotkruste zu brechen und Stück für Stück zu essen. Aus Hunger. 297 00:47:44,167 --> 00:47:55,132 Ich war so schlau und hinsichtlich der Strenge der Deutschen bereits von Zuhause geschult, so dass ich wusste, 298 00:47:55,133 --> 00:48:08,366 dass sie auf einer Seite sehr ehrenvoll waren, auf der anderen wieder sehr sorgfältig und konsequent, und es kam nicht vor, dass sie das Wort nicht hielten. 299 00:48:08,367 --> 00:48:14,432 Ich wusste von klein auf, wenn sie sagten, "hier ist deine Ration Brot," 300 00:48:14,433 --> 00:48:21,199 ich wusste, dass ich zum Früstück 100 g., zum Abendessen 100 g. bekomme und machte mit einem Nagel für jede Mahlzeit eine Ritze auf das Brot. 301 00:48:21,200 --> 00:48:28,799 Zum Frühstück so viel, zum Abendessen.. Zu Mittag vielleicht zwei Scheiben. 302 00:48:28,800 --> 00:48:34,132 Aus meiner Berechnung ging hervor, dass ich eine drei Tagesration bekommen hatte. 303 00:48:34,133 --> 00:48:46,899 Dieses Stück Brot aß ich nur bis zur Markierung. Den Rest hielt ich an der Brust. Andere aßen ohne Pause, obwohl ich sie darauf hingewiesen hatte. 304 00:48:46,900 --> 00:48:54,599 Es stellte sich heraus, dass ich richtig gehandelt hatte. Während dieses Transports hatte ich einen Platz. 305 00:48:54,600 --> 00:48:59,666 Ich sah, wo die Lokomotive war und setzte mich sofort in die Waggonecke hinten. 306 00:48:59,667 --> 00:49:08,599 In der Fahrtrichtung der Lokomotive saß ich hinten und wurde durch die Körper der anderen vor Wind geschützt. 307 00:49:08,600 --> 00:49:22,099 Ich hatte einen Schutz, um nicht zu wanken. Das hatte mir mein Instinkt geraten. Schweigend aß ich in der Ecke mein Brot. 308 00:49:22,100 --> 00:49:31,499 Es war schon wieder ein dreitägiger Transport. Der Zug fuhr und hielt. Immer wieder. 309 00:49:31,500 --> 00:49:42,866 Wir merkten es später. Die Gleise waren unterwegs teilweise kaputt aber wen kümmerte es schon, dass sich drinnen Häftlinge befanden. 310 00:49:42,867 --> 00:49:44,799 Wenn sie sterben, dann sterben sie. Der Zug fährt weiter. 311 00:49:44,800 --> 00:49:54,632 Als wir ankamen, öffnete man den Wagen und ich erblickte eine riesengroße Halle, ein Eisenbahndepot. 312 00:49:54,633 --> 00:50:02,966 Eisenbahngleise nach rechts und nach links, in der Mitte ein Laufkran auf dem man die Wägen in die entsprechende Richtung befördert hatte. 313 00:50:02,967 --> 00:50:19,899 Ich erfuhr, dass wir in den Reichsaufbesserungswerken in Dresden waren. Hier wurden wir vom Lagerkommandanten begrüßt, eine Karikatur von Hitler: 314 00:50:19,900 --> 00:50:26,732 Hitlers Frisur, Schnurrbart, Reithose, Stiefel. 315 00:50:26,733 --> 00:50:34,199 Obwohl wir Angst vor den Prügeln hatten, fiel es uns schwer, nicht zu lachen. Wir hatten Angst, wegen Lachen verprügelt zu werden. 316 00:50:34,200 --> 00:50:50,432 Er erzählte uns, mit Hilfe eines Dolmetschers, dass die Männer, die dort standen Meister seien. Sie würden ihre Berufe nennen 317 00:50:50,433 --> 00:51:00,299 und wir sollten uns entsprechend unseren Berufen zu ihnen hinstellen. Unter ihnen waren: Schmied, Spengler, Schreiner, Maler und noch andere Berufe. 318 00:51:00,300 --> 00:51:07,166 Ich hatte die Wahl: Entweder den Schlosser oder den Schweißer zu wählen. Bei meinem Vater in der Werkstatt war es für mich von Vorteil, 319 00:51:07,167 --> 00:51:19,232 dass ich verschiedene Berufe gelernt hatte, nicht nur Schmieden, Schweißen, sondern nebenbei auch Drehen und Fräsen, das heißt, die Metallverarbeitung. 320 00:51:19,233 --> 00:51:33,266 Ich überlegte, wo ich mich hinstellen sollte. Das Schweißen lag mir nicht so und auch wusste ich um die Notwendigkeit des Milchtrinkens beim Umgang mit dem Karbid und Gas. 321 00:51:33,267 --> 00:51:47,632 Somit ging ich zu einem Schlosser. Leider machte ich einen Fehler. Ich geriet unter das Kommando Liebscher. Ein Nazi-Deutscher, der Gesichter verprügelte. 322 00:51:47,633 --> 00:51:52,766 Ein Zufall entschied, dass ich von seinem Kommando wegverlegt wurde. 323 00:51:52,767 --> 00:52:04,632 Der Grund war folgender: Ein Kollege, der mit der Hydraulik und der Reparatur abgenutzter Bremsbeläge beschäftigt war, 324 00:52:04,633 --> 00:52:15,499 brach beim Anziehen der Bremsbeläge eine Feder ab, die die Bremsbeläge an das Wagenrad drückte. 325 00:52:15,500 --> 00:52:24,566 Aus Angst kam er zu mir und bat mich, er wusste, dass ich schweißen kann: "Zbyszek! Schweiße es bitte, sonst töten sie mich! Das wäre für sie Sabotage!" 326 00:52:24,567 --> 00:52:36,366 Ich lieh mir das Schweißgerät, setzte mich in eine Ecke und schweißte diese Feder. 327 00:52:36,367 --> 00:52:46,499 Es war eine Blattfeder. Beim Schweißen entsteht ein lautes Geräusch, so dass ich, vertieft in die Arbeit, 328 00:52:46,500 --> 00:52:55,532 gar nicht bemerkte, dass jemand hinter mir stand. Und auf einmal 329 00:52:55,533 --> 00:53:07,532 spürte ich eine Hand auf meiner Schulter {macht Geste} und hörte auf deutsch: "Das ist gut". 330 00:53:07,533 --> 00:53:17,699 Ich erschrak. Hinter mir stand der Schweißer-Meister und sagte: „Keine Angst". 331 00:53:17,700 --> 00:53:27,566 "Du kannst schweißen? Warum bist du nicht zu mir gekommen?“ Ich sagte, dass die Tätigkeit eines Schweißers schlechter ist, 332 00:53:27,567 --> 00:53:33,999 obwohl es scheinbar leichter ist, weil man nichts heben muss, aber für die Gesundheit viel schlimmer. 333 00:53:34,000 --> 00:53:41,132 „Nein, komm zu mir" sagte er und nahm mich in seine Gruppe. 334 00:53:41,133 --> 00:53:54,166 Um meine Kenntnisse zu überprüfen, gab er mir ein Stück Flacheisen, 8 Millimeter dick und ließ mich das Stück entzwei schneiden und wieder schweißen. 335 00:53:54,167 --> 00:54:07,566 Also griff ich mir das Stück, machte einen schrägen Schnitt, setzte die zwei Stücke wieder zusammen und schweißte sie. 336 00:54:07,567 --> 00:54:18,432 Er sah, wie ich das machte und sagte nichts. Ich tauchte es ins Wasser. Er nahm die Stange, holte einen Hammer und schlug einmal drauf. Die Stange hielt. 337 00:54:18,433 --> 00:54:30,032 Er dachte, es fällt auseinander. Nein. Daraufhin nahm er einen 5 Kilogramm schweren Hammer und verbog die Stange zu einem „U“. 338 00:54:30,033 --> 00:54:42,699 Ich hatte die Prüfung bestanden. Er sagte: "Komm mit zum Quartiermeister." Ich legte meine Häftlingskleidung ab und bekam Schweißerkleidung in brauner Farbe. 339 00:54:42,700 --> 00:54:57,066 Warum ich es erzähle? Solche Kleider trugen Deutsche von der SA. Sie waren aus einem dicken Stoff. Dazu bekam ich noch Lederstiefel und Lederhandschuhe. 340 00:54:57,067 --> 00:55:02,599 Es war ab sofort wärmer. Und natürlich gab es auch Arbeit. 341 00:55:02,600 --> 00:55:10,632 Er organisierte für mich einen Arbeitsbereich vor der Halle, wo alle arbeiteten. 342 00:55:10,633 --> 00:55:22,932 Ich half ihm beim Eingraben der Pfosten für den symbolischen Stacheldrahtzaun. Ich hatte zwei Güterzüge, einen ganzen Wagen, der an die Stelle kam, 343 00:55:22,933 --> 00:55:35,199 mit einem mobilen Schweißgerät, mit einem Karbid-Ladegerät, das ich mit Wasser füllte, ich hatte schon Gas zur Verfügung, 344 00:55:35,200 --> 00:55:40,932 und musste den Wagen zu einer Plattform für den Transport von Autos und Panzern umfunktionieren. 345 00:55:40,933 --> 00:55:48,232 Also schnitt ich die Teile sauber glatt, damit man sie nicht danach zu feilen brauchte. 346 00:55:48,233 --> 00:55:54,332 Er besuchte mich bei der Arbeit, kontrollierte, klopfte mir auf die Schulter und sagte: "Du bist jung (???), gut Fachmann". 347 00:55:54,333 --> 00:56:06,632 Der Vorarbeiter, fand ich später heraus, hieß Weber. Eines Tages sagte er zu mir: 348 00:56:06,633 --> 00:56:17,899 „Suche, in diesem Waggon ist ein Stück Brot“. "Such in diesem Wagen, dort ist ein Stück Brot" {Führt den Zeigefinger an die Lippen}. 349 00:56:17,900 --> 00:56:32,366 Und legte den Finger auf die Lippen. Nichts sagen. Ab diesem Tag gab es jeden Morgen ein Stück Brot zusätzlich für mich. Ich traf einen Menschen {weint}. 350 00:56:32,367 --> 00:56:42,399 Jahre später erfuhr ich, dass er im Krieg zwei Söhne in meinem Alter verloren hatte. 351 00:56:42,400 --> 00:57:00,532 Nun zurück zu den Wägen. Die Situation war so ernst, dass die Polen Angst vor Kapo Otto hatten. Es gab einige Kapos. Darunter auch einen Polen. 352 00:57:00,533 --> 00:57:12,866 Ganz am Anfang versäumte ich zu sagen, dass der Kommandant während des Appells in den Reichsaufbesserungswerken sagte: 353 00:57:12,867 --> 00:57:27,132 "Wer von euch kennt sich mit erster Hilfe und mit Medikamenten aus und kann Deutsch sprechen, der wird hier Dolmetscher sein". 354 00:57:27,133 --> 00:57:37,266 Es hatten sich ein paar Freiwillige gemeldet. Der Kommandant hielt ein Gespräch mit ihnen und es fiel auf einen Kerl aus unserer Gruppe, Herrn Kasprzak. 355 00:57:37,267 --> 00:57:48,399 Er war Apotheker. Seine Apotheke hatte er in der Brzeska, Bialystocka oder Białobrzeska Straße, 356 00:57:48,400 --> 00:57:57,699 ich kann mich leider nicht wirklich erinnern, wo. Der Straßenname fing aber mit einem "B" an. 357 00:57:57,700 --> 00:58:02,799 Ich erwähne das, weil ich ihn nach Kriegsende gesucht habe. 358 00:58:02,800 --> 00:58:25,366 Zurück zum Thema des Lagers und der Halle in Dresden. Wir arbeiteten ein halbes Jahr. Kapo Otto rächte sich an uns, seinen Namen kenne ich nicht mehr. Außer Meister Hakata. 359 00:58:25,367 --> 00:58:42,766 Und jetzt kommt der Moment, in dem ich einen Unfall mit dem Behälter des Acetylen-Wandlers hatte. Als ich die Flasche auf einen Wagen auflud, 360 00:58:42,767 --> 00:58:51,966 blieb ein Gefangener mit einem Material an meinem Wagen hängen. Der Behälter fiel um. Er wurde schon von mir mit Wasser aufgefüllt. 361 00:58:51,967 --> 00:59:10,466 Als die Flasche umfiel, entwich sofort der Acetylen. Das Sicherheitsventil platzte und es leckte. Die milchige Substanz lief aus und es breitete sich der Geruch von Hartmetall aus. 362 00:59:10,467 --> 00:59:19,799 Ich erkannte, was los war, stürzte mich auf den Behälter und fiel auf den Boden. Die Flasche fiel auf meinen Körper. 363 00:59:19,800 --> 00:59:27,766 Ich stand erst später auf und öffnete den Karbidbehälter. Alles explodierte natürlich. 364 00:59:27,767 --> 00:59:35,266 Ich war voll mit der Karbidmilch übergossen. Der Kapo stürzte sich auf mich und begann mich zu schlagen. 365 00:59:35,267 --> 00:59:40,299 Aber der Kapo.... Als Meister Weber sah, was der Kapo mit mir machte, 366 00:59:40,300 --> 00:59:48,132 nahm er mich in Schutz, weil er wusste, dass ich ein Unglück verhindert hatte und er verwarnte den Kapo. 367 00:59:48,133 --> 00:59:58,332 Er würde beim nächsten solchen Vorfall den Kommandanten darüber verständigen und dieser schicke ihn mit größter Wahrscheinlichkeit wieder ins KZ-Lager. 368 00:59:58,333 --> 01:00:06,332 Der Kapo war in dem Maße verängstigt, dass er wusste, dass es unter Deutschen keine belanglose Diskussion gibt. 369 01:00:06,333 --> 01:00:18,599 Der Kapo rührte mich nicht mehr an. Der Meister nahm mich mit, führte mich in ein öffentliches Bad und gab mir neue Kleider. 370 01:00:18,600 --> 01:00:22,932 In einer neuen Uniform von ihm begleitet, gingen wir in das Büro des Quartiermeisters, eines Bahnarbeiters, 371 01:00:22,933 --> 01:00:41,366 eine Hand fehlte ihm, und er sagte zu ihm, dass ich ein zusätzliches Stück Brot bekommen solle. Solch eine Kleinigkeit, aber das war ein Stück Brot mehr. 372 01:00:41,367 --> 01:00:50,632 Ich würde an dieser Stelle aufhören, über die Lagersituation zu sprechen. Bis es zu einer Tragödie kommt. 373 01:00:50,633 --> 01:01:02,332 Eines Nachts kam eine Gruppe von Gefangenen, von denen wir wussten, dass sie auch hier arbeiteten. Wir arbeiteten in zwei Schichten. 374 01:01:02,333 --> 01:01:15,932 Die große Halle war in eine kleinere und eine größere aufgeteilt. Die Schlafplätze, Pritschen, waren mit Holzwolle ausgestopft. 375 01:01:15,933 --> 01:01:27,099 Es war unser Schlafzimmer, mittendrin geteilt durch Esstische - dies war unser Esszimmer. 376 01:01:27,100 --> 01:01:37,532 Wir haben im 12-stündigen Wechsel gearbeitet. Eine Gruppe nachts, die andere tagsüber, im zweiwöchigen Rhythmus. 377 01:01:37,533 --> 01:01:47,232 Eine Gruppe arbeitete tagsüber, die andere nachts. Einmal in der Woche gab es einen Wechsel: Eine Gruppe ging in einen Teil der Halle, die andere ging nach draußen. 378 01:01:47,233 --> 01:01:53,699 Als eine Gruppe im Hof stand, wurde die andere in die Werkstatt reingelassen, diese ging zum Schlafen. 379 01:01:53,700 --> 01:02:02,232 Es gab eine Rotation. Auf diese Weise sahen wir uns 6 Monate lang nicht. Wir wussten, dass sie da sind. Aber wir sahen uns nicht. 380 01:02:02,233 --> 01:02:08,866 Bis zum 12. oder 13. Februar. 381 01:02:08,867 --> 01:02:26,099 Vorher noch: Ein Kapo, ein Pole kam mit dieser Gruppe und übernahm das Kommando über die polnische Gruppe. Otto wurde in eine andere versetzt. 382 01:02:26,100 --> 01:02:35,132 Nach jahrelanger Recherche erfuhr ich, dass es Häftlinge aus Groß-Rosen waren, eine internationale Gruppe, nicht nur Polen. 383 01:02:35,133 --> 01:02:51,032 Bis zum 12. oder 13. Februar, wir arbeiteten nachts, als Bomben explodierten. Riesenkrach, Bomben mit Wasserphosphor. 384 01:02:51,033 --> 01:03:06,399 Die Alliierten hatten Dresden angegriffen. Also das erste, was flog, das waren Fensterrahmen, Türen und das Einfahrtstor. 385 01:03:06,400 --> 01:03:11,366 Um unser Leben zu retten, hatten wir uns in den Kanälen unter den Wägen versteckt. 386 01:03:11,367 --> 01:03:29,466 Die Decke war nur eine 5 cm dicke Schicht. Die Phosphor Bomben waren 30 cm hoch und mit einem Gewicht versehen. 387 01:03:29,467 --> 01:03:36,666 Als der Phosphor auf den Boden fiel, spritzte er in alle Richtungen. 388 01:03:36,667 --> 01:03:45,132 Jedes Element des Phosphors zerfiel wieder in neue Teile und breitete sich an mehreren Stellen aus. 389 01:03:45,133 --> 01:03:53,466 Soweit die Eigenschaft des Phosphors. Den Phosphor konnte man nur mit Erde oder mit Sand löschen. Sand gab es in der Halle an mehreren Stellen. 390 01:03:53,467 --> 01:04:06,166 Und nach dem ersten Schock des Angriffs versuchten wir die Feuerherde mit Sand zu löschen. Ich selbst rief zu den anderen: „Rettet die Werkstatt!“ 391 01:04:06,167 --> 01:04:12,966 Wir haben gemerkt, ich schrie sogar selber, ich schrie: "Hört mal..." 392 01:04:12,967 --> 01:04:19,632 Wir wollten unseren Arbeitsplatz retten, damit wir nicht nach Sachsenhausen zurück müssten. 393 01:04:19,633 --> 01:04:32,732 Es ist besser hier zu sein. Das wirkte. Die Deutschen kamen in Erwartung, dass die Bomben die Halle beschädigten und die Häftlinge die Flucht ergriffen. 394 01:04:32,733 --> 01:04:42,332 Als die Deutschen mit Maschinengewehren, bereit zum Schießen, in die Halle stürmten, sahen sie, dass wir mit Schaufeln in den Händen gegen das Feuer kämpften. 395 01:04:42,333 --> 01:04:52,699 Das hat sie dermaßen verwundert, dass sie uns später mit einem Stück Brot belohnten. Für mich war das ein Schock, denn, 396 01:04:52,700 --> 01:05:06,932 wenn sie wüssten, was uns dazu bewegt hatte, hätten sie das nicht gemacht. Es war nicht viel zu retten, die Reichsbahnausbesserungswerke bestanden aus 87 Hallen. 397 01:05:06,933 --> 01:05:22,266 Es blieb nur unsere Halle Nummer 12, der Rest war von der Erdoberfläche verschwunden. 398 01:05:22,267 --> 01:05:36,299 Zum ersten Mal sahen wir die andere Gruppe und wir mischten uns untereinander und tauschten Informationen aus. Die Deutschen trennten uns nicht mehr. 399 01:05:36,300 --> 01:05:53,266 Es stellte sich heraus, dass die Russen am schlimmsten behandelt wurden. Sie wurden aller Rechte beraubt, gefolgt von den Italienern. 400 01:05:53,267 --> 01:06:07,232 Es gab nichts mehr zu reparieren. Am nächsten Tag, als der Morgen graute, wurden wir auf die Züge verladen. Wohin die Reise führte, wusste ich nicht. 401 01:06:07,233 --> 01:06:17,499 Ich erinnere mich nur an eine Linkskurve bergauf, an Werkstätten tief im Wald, 402 01:06:17,500 --> 01:06:27,999 die wie Kalkofenstellen aussahen. 403 01:06:28,000 --> 01:06:42,099 Daran erinnere ich mich. Durch den Spalt zwischen der Wand und der Tür beobachteten wir die Gegend. 404 01:06:42,100 --> 01:06:53,666 Im Wagen waren 60 Personen. Beim Schließen der Türe sagte man uns: 405 01:06:53,667 --> 01:07:00,499 "Versucht nicht zu fliehen. Wenn jemand aus dem Wagen entkommt, wird der ganze Wagen erschossen. 406 01:07:00,500 --> 01:07:15,599 Also beaufsichtigt euch gegenseitig." Ich wusste, das ist keine leere Drohung, kein dummer Witz von den Deutschen. Die deutsche Ordnung war dies wieder. 407 01:07:15,600 --> 01:07:20,899 Allerdings hatten wir Slawen einen anderen Standpunkt. Wir versuchen immer, etwas anderes auszudenken. 408 01:07:20,900 --> 01:07:33,466 Plötzlich sah ich, dass sich die Menschen im Wagen auf den Spalt zwischen der Wand und der Tür stürzten, 409 01:07:33,467 --> 01:07:37,999 und wir sehen, wie die Deutschen kommen und unter die Wägen schauen. 410 01:07:38,000 --> 01:07:48,166 Plötzlich näherten sich die Deutschen im Halbkreis einem Wagen, um mit ihren Maschinengewehren auf den Wagen zu feuern. 411 01:07:48,167 --> 01:08:02,666 Man sah wie Holzsplitter durch die Gegend flogen. Die Deutschen öffneten den Wagen, mit hochgekrempelten Ärmeln und mit Bajonetten in den Händen gingen sie hinein. 412 01:08:02,667 --> 01:08:07,099 Wir wussten, dass sie den noch Lebenden, den Todesstoß verpassen würden. 413 01:08:07,100 --> 01:08:16,099 Und tatsächlich ist jemand aus dem Wagen geflohen. Er hatte ein Messer gehabt, schnitt ein Loch in den Wagenboden und floh. 414 01:08:16,100 --> 01:08:25,166 Er ahnte nicht, dass auf dem letzten Wagen, 415 01:08:25,167 --> 01:08:29,366 auf dem Turm auf dem letzten Wagen, ein Deutscher saß - bereit zu schießen. 416 01:08:29,367 --> 01:08:34,499 Als er den Häftling auf den Bahngleisen sichtete, schoss er. 417 01:08:34,500 --> 01:08:43,466 Und das war das Signal zum Anhalten des Zuges. Der Wagen kam in Flossenbürg an. Sie wurden alle erschossen. 418 01:08:43,467 --> 01:08:48,132 Vielleicht mache ich eine Pause. 419 01:08:48,133 --> 01:08:46,832 Beginnen wir? 420 01:08:46,833 --> 01:08:54,432 IV: Wir sind an der Stelle stehengeblieben, als die Deutschen die Häftlinge erschossen. 421 01:08:54,433 --> 01:08:55,399 ZK: Aha.. Ich verstehe..ja. 422 01:08:55,400 --> 01:09:04,099 IV: Über den Fluchtversuch... (???) 423 01:09:04,100 --> 01:09:17,766 ZK: Als wir den Bahnhof erreichten, wussten wir noch nicht, wo wir sind, aber auf dem Rücken spürte ich ein Schaudern, kalten Schweiß. Warum? 424 01:09:17,767 --> 01:09:27,732 Auf den Gleisen lagen Steine gestapelt. Mein erster Gedanke - Steinbruch. Wir wussten bereits, 425 01:09:27,733 --> 01:09:36,232 dass ein Steinbruch das Schlimmste war, was man sich vorstellen konnte. 426 01:09:36,233 --> 01:09:49,166 Hier starb man schnell. Einerseits der Transport von Steinen und andererseits außergewöhnlich grausame Kapos. Aber wir wussten noch nicht, wo wir waren. 427 01:09:49,167 --> 01:10:03,866 Trotz Angst, im Vorbeigehen, hatte ich einen Blick auf den vorher beschriebenen Wagen geworfen. 428 01:10:03,867 --> 01:10:15,432 Wir sahen jede Menge Blut auf dem Wagen, das jetzt zu allen Seiten an den Holzbrettern und Eisenteilen hinab geflossen war. 429 01:10:15,433 --> 01:10:27,366 Einige andere Gefangene und auch einige Soldaten schauten zu. Wir passierten den Wagen. Er wurde nicht geöffnet. 430 01:10:27,367 --> 01:10:45,566 Man führte uns aus dem Bahnhof heraus. Wir gingen bergauf, auf einer asphaltierten Straße an einigen Einfamilienhäusern und anderen Gebäuden vorbei. 431 01:10:45,567 --> 01:10:54,432 Ich war sehr verängstigt. Nach einiger Zeit zog ein Haus meine Aufmerksamkeit auf sich. 432 01:10:54,433 --> 01:11:05,766 Ein großer Balkon zog sich über die gesamte Breite des Gebäudes und auf dem Balkon 433 01:11:05,767 --> 01:11:11,532 war ein junges Mädchen in einem hellen Kleid. 434 01:11:11,533 --> 01:11:29,432 Zwei Welten, sie konnte in meinem Alter gewesen sein und ich wusste, es gibt ein anderes, ziviles Leben. Beim Abbiegen nach rechts verschwand das Bild. 435 01:11:29,433 --> 01:11:40,632 Wir kamen auf das Lagergelände, mit einer riesigen Kommandantur. Auf der linken Seite stand ein kleines Ziegelgebäude. 436 01:11:40,633 --> 01:11:55,566 Wir gingen dorthin und die erste Nachricht hier war: „Nackt ausziehen!" Es war, glaube ich, der 19. März, starker Frost und Schnee. 437 01:11:55,567 --> 01:12:11,599 Nackt ausgezogen, jagte man uns von dort aus quer durch den Hof zu einem länglichen Gebäude und dort die Treppe runter in den Keller. 438 01:12:11,600 --> 01:12:26,199 Meine erste Reaktion war das Grauen vor der Kälte, die zweite - eine große Angst vor dem Unbekannten. 439 01:12:26,200 --> 01:12:36,199 Während des Laufens bemerkte ich, dass die Fenster im Keller ausgeschlagen waren, und so wusste ich, dass das keine Gaskammer war. Ein Freudentaumel! 440 01:12:36,200 --> 01:12:40,666 Es ist keine Gaskammer, von der wir wussten, dass es sie im Lager gibt. 441 01:12:40,667 --> 01:12:47,066 Unser Laufen beschleunigten die Kapos mit ihren Schlagstöcken. 442 01:12:47,067 --> 01:12:56,532 Im Keller gesammelt, warteten wir in einer großen Halle auf das Wasser. 443 01:12:56,533 --> 01:13:07,532 Es passiert nichts. Es ist kalt. Die Halle war ziemlich hoch. Auf einmal kam brühend heißes Wasser von der Decke hinunter. 444 01:13:07,533 --> 01:13:17,832 Entsetzt flohen alle bis an die Wände. Wir verbrannten, so heiß war das Wasser. 445 01:13:17,833 --> 01:13:25,966 Trotzdem streckten wir unsere Hände aus und versuchten davon zu trinken, obwohl das Wasser brühend heiß war. 446 01:13:25,967 --> 01:13:36,932 Das dauerte vielleicht eine Minute. Entsetzen und Stille. Wieder Pause. Wir standen und warteten. Ich weiß nicht, wie lange. Auf jeden Fall war es recht lang. 447 01:13:36,933 --> 01:13:48,899 Nach dem wir uns einigermaßen eingefunden hatten, passierte das genaue Gegenteil. Jetzt floss eiskaltes Wasser. Es flohen wieder alle an die Wände. 448 01:13:48,900 --> 01:13:58,766 Und versuchten mit der Hand Wassertropfen aufs Gesicht zu spritzen und zu trinken. Wieder Pause. Auch etwa eine Minute. Das waren solche Überraschungen. 449 01:13:58,767 --> 01:14:15,166 Schließlich öffnete man die Stahltüren. Wir sahen Reihen von Tischen, auf denen in großen Haufen Jacken, Hosen, Unterhosen, Hemden und Schuhe lagen. 450 01:14:15,167 --> 01:14:24,366 Man reichte uns die Sachen nicht, der Kapo hat sie uns zugeworfen. Während wir liefen, schlugen die Kapos auf uns. 451 01:14:24,367 --> 01:14:32,299 Wir mussten die Kleider während des Laufens fangen und die Treppe nach oben laufen. 452 01:14:32,300 --> 01:14:43,099 Oben wartete die nächste Überraschung. Hier mussten wir uns im Schnee anziehen und es wurde eine Kontrolle durchgeführt. 453 01:14:43,100 --> 01:14:51,566 Die Kontrolle war streng und sorgfältig. Hast du Schuhe, oder Filzschuhe, oder Hose... 454 01:14:51,567 --> 01:14:56,866 Hast du eine Jacke, eine Mütze oder Handschuhe. Die Handschuhe überraschten uns. 455 01:14:56,867 --> 01:15:09,766 Auch gab es noch solche grüne Sturmhauben {zeigt auf den Kopf}, wie sie heutzutage Verbrecher in Filmen tragen. Diese Sturmhauben waren recht warm. 456 01:15:09,767 --> 01:15:17,166 Wem ein Element der Kleidung fehlte, musste zum zweiten Mal in den Keller und es holen. 457 01:15:17,167 --> 01:15:26,666 Dabei wurde man wieder geprügelt. Verletzt und verwundet kamen wir von dort heraus. 458 01:15:26,667 --> 01:15:35,599 Das war die Begrüßung in Flossenbürg. Wir wurden in die erste Baracke rechts von der Kommandatur gebracht. 459 01:15:35,600 --> 01:15:42,599 Hier gab es eine Garage zu einer anderen Hütte, welche von Stacheldraht umzäunt war. 460 01:15:42,600 --> 01:15:48,332 Diese Garage war mit einer anderen Baracke verbunden, die gemeinsamen Stacheldrahtzaun hatten. 461 01:15:48,333 --> 01:16:01,466 Dahinter sah ich eine große Menge Baracken, die an den Hängen auf der linken und rechten Seite in parallelen Reihen angeordnet waren. 462 01:16:01,467 --> 01:16:18,999 Sauber, gestrichen, etc. In meiner Baracke standen 3-stöckige Betten. Hier pferchten sie 1.500 Menschen hinein, bei nur 300 Betten. 5 Personen auf einer Pritsche. 463 01:16:19,000 --> 01:16:25,499 Mit der Zeit bekamen wir mehr Platz, weil die Sterblichkeit unter uns so hoch war, 464 01:16:25,500 --> 01:16:39,532 dass man täglich 40 bis 70 Leichen zum Appell vor die Hütte heraustragen musste. Man zog ihnen die Jacken aus und die Nummern von der Jacke wurden entfernt. 465 01:16:39,533 --> 01:16:47,932 Der Kapo hat während des Appells, in Anwesenheit eines uniformierten Deutschen, die Nummer des toten Häftlings 466 01:16:47,933 --> 01:16:52,632 aufgeschrieben und sie mit roter Farbe auf den Brustkorb der Leiche gemalt. 467 01:16:52,633 --> 01:17:04,166 Hier ist ein Beispiel für die deutsche Pedanterie. Das war perfekt organisiert. Keiner wurde übergangen. 468 01:17:04,167 --> 01:17:11,932 Die Leiche wurde auf den Karren geladen und ins Krematorium gebracht. Wo das Krematorium war, weiß ich nicht. 469 01:17:11,933 --> 01:17:22,699 Ich weiß nur, dass das irgendwo auf der rechten Seite, am Ende war. Wir rochen den Geruch von verbrannten menschlichen Körpern. 470 01:17:22,700 --> 01:17:28,632 Der braune Rauch stieg, je nach Wetterlage, nach oben oder schlängelte sich zwischen den Baracken. 471 01:17:28,633 --> 01:17:43,299 So hat das Willkommen in Flossenburg ausgesehen. Wir taten nichts. Keiner hat uns zum Arbeiten abgeführt. Wir saßen, ein Teil von uns starb. 472 01:17:43,300 --> 01:17:45,899 Auf einmal kam in unsere Baracke... 473 01:17:45,900 --> 01:17:58,332 Bei uns gab es einen Kapo, einen Polen. Er war klein, etwa 160 cm groß, ziemlich mollig. Es überraschte uns. 474 01:17:58,333 --> 01:18:12,199 Er war unangenehm, aber im Vergleich zu einigen anderen Kapos war er anständig. So würde ich das ausdrücken. 475 01:18:12,200 --> 01:18:20,066 Eines Tages kam eine Gruppe holländischer Kriegsgefangener in unsere Baracke. Der erste Kontakt mit dieser Gruppe. 476 01:18:20,067 --> 01:18:28,799 Ich muss hier sagen, es war überraschend, denn alle im Lager waren hinter dem Stacheldrahtzaun. 477 01:18:28,800 --> 01:18:36,632 Man könnte denken, dass es im Lager keine Informationen gab. Wir waren aber die ganze Zeit über die gesamte Situation in Europa auf dem Laufenden. 478 01:18:36,633 --> 01:18:42,399 Wir wussten, wo die Front verlief und warum. Kein Radio war notwendig. 479 01:18:42,400 --> 01:18:47,932 Es kamen so viele Häftlinge ins Lager, dass sie uns laufend mit aktuellen Informationen versorgten. 480 01:18:47,933 --> 01:18:55,966 Eines Tages kam eine Gruppe holländischer Kriegsgefangener in unsere Baracke. Diese Gruppe wurde von einem Bruder eines verhafteten Kameraden verraten. 481 01:18:55,967 --> 01:19:02,332 Dieser Bruder hatte die gesamte Organisation an die Deutschen verraten, um das Leben seines Bruders zu retten. 482 01:19:02,333 --> 01:19:14,366 Die Holländer erzählten uns über die Kontakte mit den polnischen Fallschirmjägern, die auf ihrem Territorium abgeworfen wurden. 483 01:19:14,367 --> 01:19:25,432 Die Informationen über die polnische Armee und wie sie sich verhalten hatte, waren sehr positiv. Ehrlich gesagt, wurde sie sehr gelobt. Ich war stolz. 484 01:19:25,433 --> 01:19:32,299 Erst in diesem Moment begriff ich eine Sache, gegen die ich mich früher gesträubt hatte. 485 01:19:32,300 --> 01:19:43,566 Mein Vater konnte perfekt Deutsch, meine Mutter Russisch. Sie lehrten sie uns Kinder, "ihr müsst lernen." Alles, was ich von ihm lernte, war: 486 01:19:43,567 --> 01:19:54,732 "Seien Sie so gut, schaffen Sie Streichholz" - oder so ähnlich. Ich wollte nicht lernen. Ich wollte, dass das Ei schlauer war als das Huhn. 487 01:19:54,733 --> 01:20:03,066 Erst im Lager am eigenen Leib verstand ich, was es heißt, nicht zu können. Denn man konnte vom Können profitieren. 488 01:20:03,067 --> 01:20:14,699 Die zweite Sache war, dass man die deutsche Sprache nicht hassen soll. Man kann einen Deutschen hassen dafür, was er tut, aber die Sprache ist unschuldig. 489 01:20:14,700 --> 01:20:20,732 Erst hier drang etwas Wichtiges in mein Bewußtsein. 490 01:20:20,733 --> 01:20:26,999 Und jetzt wollte ich alles, was ich versäumt hatte, schnell aufholen und Deutsch lernen. 491 01:20:27,000 --> 01:20:38,099 Obwohl ich 5 Jahre eine Berufsschule besuchte, tat ich so, als ob ich nicht lernen müsse. Der Lehrer hakte es einfach ab und im Zeugnis stand: Er kann es. 492 01:20:38,100 --> 01:20:41,966 Es ist eine kurze Anmerkung zur deutschen Situation. 493 01:20:41,967 --> 01:20:47,132 Es gibt die Geschichte über die Holländer. Sie haben uns Polen sehr gelobt. 494 01:20:47,133 --> 01:21:01,432 Jetzt komme ich dazu, wie ein LKW Opel Blitz voll beladen mit Baumstämmen vorfuhr. 495 01:21:01,433 --> 01:21:16,699 Der Kapo rief: "1 2 3 4 5 kommt zum Auto." Wir stiegen ein und fuhren zum Krematorium. 496 01:21:16,700 --> 01:21:24,732 Wir fuhren den Hang hinunter und jetzt konnte ich zum ersten Mal das aus Ziegelsteinen gebaute Krematorium sehen. 497 01:21:24,733 --> 01:21:40,499 Vor dem Krematorium auf der rechten Seite am Hang war ein Graben, in dem die Leichen lagen, daneben Holzbalken. Der Graben war ca. 6 x 8 Meter groß. 498 01:21:40,500 --> 01:21:51,066 Eine große Menge von Leichen brannte bereits. Wir haben das Holz abgeladen und gingen zurück zum Auto. Hier gab es eine Überraschung. 499 01:21:51,067 --> 01:22:03,566 Hier erfuhren wir, dass wir ab jetzt dem Sonderkommando zugeordnet waren. Zum Teufel. 500 01:22:03,567 --> 01:22:12,566 Was Sonderkommando bedeutete, wussten wir bereits. Das Sonderkommando wurde alle zwei Wochen ausgetauscht. 501 01:22:12,567 --> 01:22:18,166 Die Gruppe, die arbeitete, wurde nach zwei Wochen liquidiert und man bildete eine neue Gruppe. 502 01:22:18,167 --> 01:22:31,132 Ich wusste, dass ich nur noch 2 Wochen zum Leben hatte. Ich vergaß zu erwähnen: In meiner Baracke Nummer 17 waren alle zwei Wochen Selektionen. 503 01:22:31,133 --> 01:22:38,466 Die Selektion bedeutete: Man führte uns in die Baracke 18, wo bereits zwei Deutsche und ein Arzt auf uns warteten. 504 01:22:38,467 --> 01:22:53,032 Der eine hatte ein Notizbuch, der zweite ein Tintenfass. Der Arzt sah die nackten Menschen an und bestimmte kurz: eins, eineinhalb, zwei, zweieinhalb, drei. 505 01:22:53,033 --> 01:23:04,366 Das bedeutete, dass diese Zahl auf die Stirn des Häftlings geschrieben wurde. Wenn er eine drei trug, führte man ihn in ein anderes Zimmer. 506 01:23:04,367 --> 01:23:10,866 Dort erhielt er eine Injektion aus Phenol oder Benzin, wurde auf die Trage gelegt und ins Krematorium gebracht. Die Häftlingsnummer wurde gelöscht. 507 01:23:10,867 --> 01:23:21,866 Beim ersten Mal ging ich mit 1,5 raus. Nach folgenden Selektionen war ich bereits bei 2,5 angelangt. Eine weitere Selektion sollte in 2 Wochen folgen. 508 01:23:21,867 --> 01:23:30,066 Es wird schwierig sein. Also war ich schon verängstigt. Ich hatte nur noch so wenig zu leben. 509 01:23:30,067 --> 01:23:40,432 Es verging eine Woche, als ich zum Sonderkommando kam. Meine Rechnung zeigte, dass man mir eine dritte Woche des Lebens geschenkt hatte. 510 01:23:40,433 --> 01:23:49,032 Denn anstelle von zwei Wochen bekam ich hier noch zwei weitere. Aber eine Woche arbeitete ich schon dort. 511 01:23:49,033 --> 01:24:03,332 Warum lebe ich? Ein deutscher Offizier kam zum Krematorium. Auf einem Motorrad Typ NSU 350. Nachdem er seine Sachen erledigt hatte, wollte er zurückfahren. 512 01:24:03,333 --> 01:24:11,332 Er ging zu seinem Motorrad und versuchte es, mit Hilfe des Kickstarters zu starten. Das Motorrad zündete nicht. 513 01:24:11,333 --> 01:24:18,866 Er versuchte es noch Mal - wieder nichts. Ermüdet von seinen Versuchen rief er mir zu: "Komm zu mir, hilf mir!" 514 01:24:18,867 --> 01:24:30,266 Die Gegend in Flossenbürg ist hügelig. Das Gelände steigt um 25 Meter an, 200 bis 300 Meter bis zur Kommandantur. 515 01:24:30,267 --> 01:24:38,799 Ich musste das Motorrad zusammen mit ihm 200 bis 300 Meter bergauf schieben. Das Motorrad rasselte mal, mal soff es ab. 516 01:24:38,800 --> 01:24:52,566 In der Entfernung von etwa 20 bis 25 Metern vor dem Tor der Kommandantur, außerhalb des Lagers, sprang es endlich an. 517 01:24:52,567 --> 01:25:00,899 Er stieg aufs Motorrad und rief zu mir: „Geh zurück, geh zurück!“. Aber als er mich ansah, änderte er seine Meinung. 518 01:25:00,900 --> 01:25:09,099 Er merkte, dass ich nicht gerne freiwillig zurück laufen würde und mich auf dem Weg verirren könnte. 519 01:25:09,100 --> 01:25:19,299 Er befahl mir, auf das Motorrad zu steigen und fuhr mich, zum Eingangstor, obwohl es nicht so weit weg war. 520 01:25:19,300 --> 01:25:27,866 Er schreit zum Kapo: „Schreib ihre Nummer“. In diesem Moment hinter meinem Rücken, was ich nicht bemerkte, 521 01:25:27,867 --> 01:25:38,932 standen zwei Deutschen und ich hörte den Aufruf zum Appell: "Alle Kapo na Appellplatz!" Alle Fachleute zum Appell. 522 01:25:38,933 --> 01:25:49,366 Ich lief also nicht mehr zur Hütte 17 sondern positionierte mich sofort auf dem Appellplatz. Wir standen in zwei Reihen, etwa 500 Häftlinge. 523 01:25:49,367 --> 01:26:03,066 Der Deutsche hatte einen Assistenten, der über ein Notizblock und einen Bleistift verfügte. Er schaute sich jeden Gefangenen genau an. 524 01:26:03,067 --> 01:26:13,099 Und fragte eventuell nach dem Beruf. Ich weiß nicht, was. Er stand eine Weile vor dem Häftling bevor er seine Nummer aufschrieb. 525 01:26:13,100 --> 01:26:24,599 Er blickte mich an und ging vorbei. Ich war wie versteinert. Das bedeutete, dass ich hier bleiben würde, in der Baracke Nr. 17. 526 01:26:24,600 --> 01:26:38,232 Bei der nächsten Selektion bekomme ich vielleicht eine 2,5 oder sogar eine 3. Das wäre mein Ende. Ich duckte mich und lief hinter der letzten Reihe zum Ende der Gruppe, 527 01:26:38,233 --> 01:26:46,399 Ich warte bis er zu mir kommt. Er kam und fragte mich: „Warum du zwei Mal stehen?“ Warum stehst du hier ein zweites Mal? 528 01:26:46,400 --> 01:26:58,099 Ich antwortete: „Hier ist keine Arbeit, sie suchen doch Arbeiter. Ich bin Schlosser, Schweißer, Schmied, habe verschiedene Berufe“. 529 01:26:58,100 --> 01:27:07,766 Ich sagte: „Schreien sie doch nach einem Schweißer, mal sehen ob sich einer meldet.“. Ich sprach Deutsch zu ihm. 530 01:27:07,767 --> 01:27:17,499 Er fragte: „Woher kannst du Deutsch?“ Ich sagte, dass ich 5 Jahre eine Berufsschule besucht hatte. Im Generalgouvernement. 531 01:27:17,500 --> 01:27:31,866 "Von wo ist?" „Warschau.“ „Wie alt bist du?“ Ich war 18 Jahre alt aber behauptete, dass ich 19 wäre. 532 01:27:31,867 --> 01:27:45,199 Ich sagte auch nicht, dass ich aus Bydgoszcz bin. Die Deutschen suchten überall nach den Einwohnern und töteten sie aus Rache für den blutigen Sonntag. 533 01:27:45,200 --> 01:27:53,566 Wie ich schon sagte, Warschau hat ihn nicht besonders berührt und befahl seinem Assistenten "Schreib seine Nummer auf". 534 01:27:53,567 --> 01:28:00,966 Ich dachte, dass ich aus der Reihe springen und ihn küssen würde. 535 01:28:00,967 --> 01:28:13,399 Dies war mein Kampf. Ich bin irgendwie von einem unerfahrenen Jüngling zu einem reifen Mann geworden und meine Intuition sagte mir: Rette dich. 536 01:28:13,400 --> 01:28:25,799 Dieser Moment entschied darüber, dass ich nach Regensburg kam. Wir arbeiteten eineinhalb Wochen. Für das Auge eines Polen ein schöner Anblick.. 537 01:28:25,800 --> 01:28:33,499 Das heißt furchtbar zerstörte Eisenbahnschienen, Bombentrichter und verschlungene Eisenbahnschienen. Ein surreales Bild. 538 01:28:33,500 --> 01:28:45,532 Für uns ein schöner Anblick. Für sie dagegen war es Entsetzen. Wir mussten alles in Stücke schneiden. Zuerst hoben wir eine Eisenbahnunterlage mit einer Schaufel zu viert. 539 01:28:45,533 --> 01:28:56,232 Später kamen die Deutschen auf die Idee, das wäre zu leicht für uns und wir mussten das zu zweit schaffen. Das Gewicht war enorm: 80 bis 100 Kg. 540 01:28:56,233 --> 01:29:08,566 Manchmal durften wir sogar noch schwerere Lasten tragen. Die Eisenbahnunterlagen auf den Stellgleisen hatten eine Länge von 4 bis 5 Meter. 541 01:29:08,567 --> 01:29:18,166 Diese Umstände dauerten eineinhalb Monate an. Dies passierte in einem Vorort zwischen der Steinernen Brücke, 542 01:29:18,167 --> 01:29:23,199 einer Brücke, die noch von den Römern gebaut wurde, 543 01:29:23,200 --> 01:29:33,832 und der Eisenbrücke nach rechts. Jeden Tag marschierten wir vom Kolosseum weg, wo wir einquartiert wurden. 544 01:29:33,833 --> 01:29:40,532 Das war im Landestheater Regensburg, bayerisches Volkstheater. 545 01:29:40,533 --> 01:29:47,499 Im Zuschauerraum hatten wir unsere Schlafstätte. Der Boden war aus Holzwolle, 546 01:29:47,500 --> 01:29:53,966 auf der rechten Seite führte eine Treppe zu einer Galerie nach oben. Dort verbrachten die SS-Männer die Nacht und auch noch woanders. 547 01:29:53,967 --> 01:30:10,232 An der Tür stand immer ein Wachmann, ein Deutscher mit Maschinengewehr. Warum? Im WC lief ständig das Wasser die Wände hinunter. 548 01:30:10,233 --> 01:30:23,066 Der Wachmann, der nur vier oder fünf Meter von dem Ort entfernt saß, hörte das Wasser fließen. 549 01:30:23,067 --> 01:30:33,666 Wenn jemand die Toiletten benutzen wollte und der Wasserstrahl unterbrochen wurde, und der Wachmann hörte dies, schlug er auf ihn ein. 550 01:30:33,667 --> 01:30:45,466 Zum einen war das ein psychisches Morden, da wir Durst hatten. Gott bewahre, die Hand unter Wasser zu halten und es zu trinken. 551 01:30:45,467 --> 01:30:56,299 Hast du das doch gemacht, änderte der Wasserstrahl sein Geräusch und der Wachmann merkte, dass der Häftling vom Wasser trinkt, dann bekam er Schläge. 552 01:30:56,300 --> 01:31:10,799 Jeden Tag gingen wir zur Arbeit. Wir bekamen Schüsseln aus einem schweren niederländischen Porzellan. Diese Schüsseln trugen wir am Bauch unter unseren Hemden. 553 01:31:10,800 --> 01:31:19,599 Wir marschierten durch die ganze Stadt vom Kolosseum rechts ab Richtung Stahlbrücke zu dem zuvor zerbombten Ort. 554 01:31:19,600 --> 01:31:31,032 Dort schnitten wir diese Eisenteile in Stücke. Andere sammelten den Verschnitt und räumten alles auf, damit die Züge so schnell wie möglich fahren konnten. 555 01:31:31,033 --> 01:31:50,432 Die Arbeitszeit dauerte von 9 Uhr bis zu einer Mittagspause um 13 Uhr. Warum? In dieser Zeit flogen regelmäßig die Flugzeuge der Aliierten. 500, 600, 700. 556 01:31:50,433 --> 01:32:04,166 Sie flogen, schwer mit Bomben beladen, in den Süden und kehrten sehr niedrig zurück. Die Abwehr war leise und hatte Angst, Feuer zu eröffnen. 557 01:32:04,167 --> 01:32:14,132 Nach einiger Zeit flogen sie zurück, aber jetzt sehr hoch mit dem Klang von Leichtflugzeugen. Das dauerte eineinhalb Monate. 558 01:32:14,133 --> 01:32:31,632 Es ist der 20. April. Ich unterbreche aber jetzt. Die Deutschen beobachteten uns, wie wir vom Landestheater zur Arbeit marschierten. 559 01:32:31,633 --> 01:32:43,232 Sie merkten, dass die Gruppe seit unserer Ankunft vor eineinhalb Monaten kleiner wurde und sehr erschöpft wirkte. 560 01:32:43,233 --> 01:32:53,366 Und so fanden wir von diesem Zeitpunkt an auf unserem Weg entweder eine Zigarette oder ein Stück Brot. Und es gab noch eine Überraschung. 561 01:32:53,367 --> 01:33:05,766 Und kurz vor dem 20. April kam noch eine weitere Überraschung dazu. Eines Tages kam eine Gruppe Zivilisten mit 2 Körben zu uns in den Saal. 562 01:33:05,767 --> 01:33:20,466 Der Kommandant sprach zu uns: "Die Einwohner von Regensburg haben euch aus Dankbarkeit für das Aufräumen von zerbombten Gleisen 563 01:33:20,467 --> 01:33:24,999 einen Teil ihres Brotes abgegeben.“ 564 01:33:25,000 --> 01:33:38,099 {kämpft mit Tränen}. Und wir bekamen zusätzliche Portionen Brot. Wir waren schockiert. 565 01:33:38,100 --> 01:33:47,932 Zwei Tage oder drei Tage später, als wir bei der Arbeit waren, flogen wie gewohnt die Flugzeuge. 566 01:33:47,933 --> 01:33:56,266 Es waren drei Staffeln, eine zählte jeweils 37 Flugzeuge. 567 01:33:56,267 --> 01:34:04,899 Sie machten einen Kreis, flogen an uns vorbei und der Rest flog in den Süden. 568 01:34:04,900 --> 01:34:16,266 Wir dachten, dass sie nach einem Halbkreis den Hauptbahnhof in Dresden bombardieren würden. 569 01:34:16,267 --> 01:34:27,432 Sie flogen an Dresden vorbei, sie werden Bomben auf Dresden abwerfen. Auf den Hauptbahnhof. Nein, sie fliegen vorbei. Sie schlossen den Kreis und flogen zurück. 570 01:34:27,433 --> 01:34:35,666 Und in diesem Moment verstand ich, dass sie uns bombardieren würden. Unsere Arbeit wäre praktisch in zwei Tagen abgeschlossen. 571 01:34:35,667 --> 01:34:43,832 Die Bahngleise waren fast fertig. Die Waggons und andere Züge standen schon bereit zur Abfahrt hinter der Eisernen Brücke. 572 01:34:43,833 --> 01:34:51,566 Die Alliierten flogen tagtäglich und beobachteten uns aus niedriger Höhe. Wir beobachteten auch sie. Sie waren ganz niedrig. 573 01:34:51,567 --> 01:34:57,532 ich wusste, dass sie uns bestimmt angreifen werden. Anders geht es nicht. 574 01:34:57,533 --> 01:35:05,832 Und ich schrie... Obwohl die Deutschen an dem Tag wie beschwipst wirkten. Das konnte man erkennen, dass da etwas... 575 01:35:05,833 --> 01:35:14,632 Man versteht einen Betrunkenen. Trotz Angst, einen SS-Mann anzusprechen, schrie ich zu ihnen: 576 01:35:14,633 --> 01:35:26,332 „Die SS, Soldaten passt auf, die Amerikaner Bomben schiessen hier.“ “Alles weg nach hoch.” "Alles weg nach hoch." 577 01:35:26,333 --> 01:35:33,932 Jeder floh nach vorne. Wir hatten keine Zeit. Die Bomben wurden abgeworfen und wieder: Wie in Dresden Brand- und Abbruchbomben. 578 01:35:33,933 --> 01:35:44,432 Der Himmel war schön wolkenlos und auf einmal wurde es Nacht. Warum? Weil auf der rechten Seite des Hangs Kleingärten waren, deren Bedachung aus Pappe war. 579 01:35:44,433 --> 01:35:49,799 Diese begannen zu brennen. Gestank und Rauch, man konnte die Sonne nicht mehr sehen. 580 01:35:49,800 --> 01:35:55,032 Nach der Bombardierung, erinnere ich mich, wurde ich irgendwo etwa 2 km von dem Ort entfernt gefunden. 581 01:35:55,033 --> 01:36:07,266 Ich wurde von harten Erdbrocken verletzt. Man las uns wieder auf. Es fehlten 50 von uns. Wir mussten zurückgehen und nach ihnen suchen. 582 01:36:07,267 --> 01:36:18,766 An einer Stelle ragte ein Bein hervor, wir mussten der Ordnung wegen, die Leiche ausgraben und identifizieren. Wir buddelten mit Händen, und da war ein Kopf. 583 01:36:18,767 --> 01:36:30,099 Eine Gruppe von tschechischen Häftlingen versteckte sich in einem riesigen Trichter. Zufällig schlug eine Bombe am Rande des Trichters ein und die Erde bedeckte sie. 584 01:36:30,100 --> 01:36:34,066 Sie waren nicht zerstückelt. Nur vom Boden zugeschüttet. 585 01:36:34,067 --> 01:36:46,599 Das waren die fünfzig, die fehlten. Während dieser Aktion hörten wir allerlei enorme Kanonaden, verschiedene Waffen. Der erste Gedanke war: Die Front naht. 586 01:36:46,600 --> 01:36:53,766 Lieber Jesus, die Amerikaner sind schon nahe. Verschiedene Maschinengewehre, Kanonenschüsse. 587 01:36:53,767 --> 01:37:03,299 Es stellte sich aber heraus, dass die Bomben auf einen gepanzerten Zug und einen Fuhrpark fielen. Die Waffen feuerten in einem Feuerwerk. 588 01:37:03,300 --> 01:37:10,699 Zuerst dachten wir, die Amerikaner wären es, die diesen Munitionstransport bombardierten. 589 01:37:10,700 --> 01:37:22,766 Wir gingen verwundet und verletzt zurück zum Kolosseum. Es war Morgenappell, ich weiß nicht mehr, auf jeden Fall war es dunkel. 590 01:37:22,767 --> 01:37:31,666 Wir gehen über die Steinerne Brücke, und auf der anderen Seite der Brücke sah ich 591 01:37:31,667 --> 01:37:40,166 Kisten mit Dynamit und Drähte zur Sprengung, wie man sie bei elektrischem Licht verlegte. 592 01:37:40,167 --> 01:37:50,966 Ich dachte mir, vor 1200 Jahren wurde sie von den Römern gebaut, und ihr wollt sie sprengen? Später beschrieb ich es in meinem Buch. 593 01:37:50,967 --> 01:37:57,332 Nun, gingen wir weiter nach links. Wohin? Ich wusste es nicht. 594 01:37:57,333 --> 01:38:04,599 Auf einmal hörten wir eine riesige Explosion. Ein Brückenträger wurde gesprengt. 595 01:38:04,600 --> 01:38:13,299 Doch nicht nur die Steinerne Brücke, sondern auch die Stahlbrücke und sogar noch andere gingen in die Luft. Aber ich erfuhr erst nach dem Krieg davon. 596 01:38:13,300 --> 01:38:23,766 Wir marschierten in einer Kolonne eine, vielleicht auch eineinhalb Stunden. So würde ich es beschreiben. 597 01:38:23,767 --> 01:38:37,166 Der Kommandant fuhr vorne an der Spitze der Kolonne. Dort waren die Wägen, mit Rucksäcken und Lebensmitteln beladen. Die Häftlinge schoben die Wägen. 598 01:38:37,167 --> 01:38:45,599 Es gab einen Befehl von den Deutschen, diese Wägen zu schieben. 599 01:38:45,600 --> 01:39:00,032 Es ist Bayern, die Gegend ist hügelig und keiner wollte freiwillig die Wägen schieben. 600 01:39:00,033 --> 01:39:15,632 Der Kommandant war über das langsame Tempo des Marsches verärgert. Er ritt auf seinem Pferd nach vorne und ich merkte, dass er etwas im Schilde führte. 601 01:39:15,633 --> 01:39:21,299 Das Pferd reisst sich nach vorne und tritt aus. Der Kommandant versucht, das Pferd in die Gruppe hinein zu reiten. 602 01:39:21,300 --> 01:39:27,466 Ich weiß nicht warum, aber ich hatte Angst, dass er zwei Gruppen machen möchte und wer weiß, was dann kommt. 603 01:39:27,467 --> 01:39:32,966 Ich sprang noch vor der Nase des Pferdes auf die andere Seite hinüber. 604 01:39:32,967 --> 01:39:37,599 Plötzlich trennte das Pferd die Gruppe: "Halt!" Die Gruppe blieb stehen. 605 01:39:37,600 --> 01:39:41,466 Wir marschierten weiter und drehen uns immer wieder um, was kommt. 606 01:39:41,467 --> 01:39:47,799 Als der Abstand zum anderen Teil der Gruppe größer wurde, hörten wir Schüsse. 607 01:39:47,800 --> 01:40:05,066 Die Gruppe wurde erschossen. Ich weiß nicht, wie viele. Die Angst trieb uns an und wir kamen in dieser Nacht in Straubing an. Das waren 60 km. 608 01:40:05,067 --> 01:40:11,766 Es ist kaum zu glauben, was Angst bewirken kann. 609 01:40:11,767 --> 01:40:28,699 Und nun die nächsten Etappen. Mein Todesmarsch, wie ich später erfuhr, ging von Regensburg nach Straubing, Deggendorf, weiter nach Altötting, Neuötting und nach Landshut; 610 01:40:28,700 --> 01:40:37,466 Von Landshut zurück nach Altötting, Neuötting, Burghausen und Richtung Tittmoning. Das war mein Todesmarsch. 611 01:40:37,467 --> 01:40:50,199 Ich erfuhr das aber erst nach dem Krieg, als ich anfing, mich für Todesmärsche zu interessieren. Ich habe diesen Marsch überlebt. Wir marschierten sieben Nächte. 612 01:40:50,200 --> 01:40:58,466 Unsere ganze Essensration pro Tag waren drei Kartoffeln. Man erwischte einmal eine größere oder eine kleinere. Das hing vom Zufall ab. 613 01:40:58,467 --> 01:41:03,932 Und Gott bewahre krank zu werden, jetzt noch Durchfall im Lager zu bekommen, das war ein Todesurteil. 614 01:41:03,933 --> 01:41:20,132 Und noch eine weitere Sache, die ich vergaß, früher zu erwähnen. Am schnellsten starben diejenigen im Lager, die vorher im Wohlstand lebten. 615 01:41:20,133 --> 01:41:32,599 Der Körper bekam nicht das, woran er gewöhnt war. Die zweite Sache war: Intelligenz, Nervenzusammenbruch, Besorgnis um die Familie. 616 01:41:32,600 --> 01:41:45,866 Und so tat die Psychologie ihr Werk. Sie verloren das Bewusstsein für das, was sie taten. Sie wurden im Lager Muselmänner genannt. 617 01:41:45,867 --> 01:41:55,199 Es hatte nichts mit dem Islam zu tun. Es bedeutete ein stumpfer Mensch, gleichgültig für Situationen, die nebenher passierten. 618 01:41:55,200 --> 01:42:03,499 Erstaunlicherweise waren die Deutschen an ihnen nicht interessiert. 619 01:42:03,500 --> 01:42:11,332 Sie gingen wohin sie wollten, auch in die Drähte. Kein Problem. Eine seltsame Situation. 620 01:42:11,333 --> 01:42:19,932 Und vielleicht noch eine Sache. Im Lager erhielten die Baptisten, die mit den lila Kennzeichen, die leichteste Arbeit. 621 01:42:19,933 --> 01:42:27,399 Diese bekamen einen Besen und durften fegen. Sie wurden in Ruhe gelassen. Am schlimmsten hatten es Russen und Italiener. 622 01:42:27,400 --> 01:42:44,032 Nun, zurück zum Todesmarsch. Wir kamen in einem Dorf an. Unterwegs schliefen wir immer in Scheunen, mit oder ohne Tiere. 623 01:42:44,033 --> 01:42:57,232 Wir kamen... Es gab einen Fluchtversuch. Wir gingen in eine Scheune hinein. 624 01:42:57,233 --> 01:43:02,099 In dieser Nacht schliefen wir in einer Scheune, in der beim Eingang eine Kiste voller Getreide stand. 625 01:43:02,100 --> 01:43:08,499 Das war Futter für die Hühner oder Schafe. Ich weiß es nicht. 626 01:43:08,500 --> 01:43:15,599 Auf jeden Fall, als die Häftlinge diese Kiste erblickten, ein riesiger Kasten voll mit Getreide. 627 01:43:15,600 --> 01:43:19,599 Jeder versuchte natürlich eine Hand voll davon zu kriegen und in die Hosentasche zu stopfen. 628 01:43:19,600 --> 01:43:29,399 Eine Deutsche, die Tochter des Besitzers beobachtete dies. Und natürlich sprang sie auf die Gefangenen zu und diskutierte mit ihnen: 629 01:43:29,400 --> 01:43:35,132 "Lass das, das ist meins. Ich muss doch Futter für die Tiere haben!“. 630 01:43:35,133 --> 01:43:47,732 Sie stritt mit einem Belgier. Das war ein Arzt, belgischer Aufständischer. Er riß einen Ärmel von seinem Hemd ab, verknotete ihn und füllte ihn voll mit Korn. 631 01:43:47,733 --> 01:44:02,332 Ein Moment der Dummheit, der unnötigen Gier. Die Deutsche, verärgert über diese Situation - Der Rest flüchtete, wie ein Schwarm Spatzen, vom Getreide weg 632 01:44:02,333 --> 01:44:08,599 Die Deutsche, verärgert durch seine Tat beschwerte sich beim SS-Mann. 633 01:44:08,600 --> 01:44:20,466 Als der SS-Mann kam, fragte er: „Wer war das? Dieser. Hose runter und über den Balken so. Du und du, zwei Stöcke in die Hand und 50 Hiebe auf den Hintern.“ 634 01:44:20,467 --> 01:44:35,132 Sein Körper wurde zu einem Massaker, einer Masse mit Kot vermischt. Die Haut war aufgeplatzt, der Mann schien tot zu sein. Doch er lebte. 635 01:44:35,133 --> 01:44:46,266 Das war der Kommandant der belgischen Aufständischen. Seine Freunde nahmen ihn für den Rest des Marsches auf die Schultern {weint}. 636 01:44:46,267 --> 01:44:55,532 Dieser Vorfall fand zwei Tage vor dem Ende des Marsches statt. 637 01:44:55,533 --> 01:45:15,832 Er überlebte. Als man ihn auf die Pritsche in Lebenau warf, machten Amerikaner Fotos von ihm. Ich sah sie irgendwo in der amerikanischen Presse, in einer Broschüre. 638 01:45:15,833 --> 01:45:21,699 Als ich mein Buch schrieb, konnte ich die Fotos leider nicht auftreiben. 639 01:45:21,700 --> 01:45:39,632 Zurück zu einer früheren Situation. Wir verbrachten die Nacht in einem Lager im Dorf Haag. Man weckte uns um die Mittagszeit und befahl, rechts zu gehen. 640 01:45:39,633 --> 01:45:46,066 Man hat uns abgezählt, 50 Gefangene. Wir standen auf einem mit Steinen gepflasterten Hof. 641 01:45:46,067 --> 01:45:54,566 Mir fiel es ein... Ich sah keine SS-Männer mehr, es waren neue – bewaffnete Kroaten. 642 01:45:54,567 --> 01:46:03,199 Es gab keine Hunde, die Bahnwagen standen an der Wand, es gab keine militärischen Rucksäcke, keine SS-Leute. 643 01:46:03,200 --> 01:46:10,099 Diese Gruppe wird uns wahrscheinlich erschießen, kam mir in den Sinn. Aber sie sind zu siebt und wir immer noch 50. 644 01:46:10,100 --> 01:46:20,199 Ich animierte die Männer zum Steinesammeln. Wenn sie versuchen, uns zu töten, werden wir uns wehren, eine Menge von uns wird womöglich überleben. 645 01:46:20,200 --> 01:46:24,532 So hatte jeder ein paar Steine bei sich. 646 01:46:24,533 --> 01:46:36,899 Wir wurden auf die Straße geführt, bogen nach rechts ab und sahen eine Art Straße rechts abgehend, Wald auf der linken Seite und vier Gebäude. 647 01:46:36,900 --> 01:46:48,166 Als wir etwa 50 bis 100 Meter auf der Höhe des Waldes waren, begann eine Gruppe von Gefangenen, sich zwischen uns zu zwängen und vorwärts zu bewegen. 648 01:46:48,167 --> 01:46:59,666 Wir wurden ein wenig nervös, dass sie sich irgendwie so aggressiv nach vorne zwängten. Es waren russische Kriegsgefangene, aus dem Lager. 649 01:46:59,667 --> 01:47:14,499 Sie kamen auf die Idee, sich zu retten. Sie versuchten zu fliehen. Wir waren schockiert und überzeugt davon, dass die Deutschen zu schießen anfangen würden. 650 01:47:14,500 --> 01:47:20,899 Aber: Ein Überraschungsmoment. Die Gruppe blieb wie versteinert stehen. 651 01:47:20,900 --> 01:47:25,599 Ich hatte einen Stein in der Hand und hielt ihn fest, aber ich war wie betäubt. 652 01:47:25,600 --> 01:47:41,366 Ein Soldat nahm sein Gewehr vom Rücken, packte den Lauf, schlug mit dem Gewehr gegen den Boden und rief: "Krieg ist Ende, Hitler kaputt, gehen Sie weiter!". 653 01:47:41,367 --> 01:47:51,732 Sie drehten sich um und gingen weiter nach oben. Schock und Angst. Diese Angst bewirkte, dass wir liefen. 654 01:47:51,733 --> 01:48:01,632 Erst jetzt als ich erfuhr, dass der Krieg beendet, Hitler tot und ich frei war, ist die Angst von mir gewichen und ich fiel auf die Straße. Ich konnte nicht aufstehen. 655 01:48:01,633 --> 01:48:08,766 Kameraden standen auf und gingen in die Gebäude. Ich sah aus der Ferne, wie deutsche Frauen etwas Weißes herausbrachten und ihnen zum Essen gaben. 656 01:48:08,767 --> 01:48:12,632 Sie aßen etwas. Ich versuchte aufzustehen, aber ich konnte nicht. Ich lag nur da. 657 01:48:12,633 --> 01:48:23,766 Kurz danach kam eine Deutsche aus dem Gebäude. Später erfuhr ich, dass sie aus der Küche zu mir rausschaute, als ich auf der Straße lag. 658 01:48:23,767 --> 01:48:29,766 Beim zweiten Mal kam sie aufgeregt zu mir und holte mich schließlich von der Straße. Ich sagte, dass ich Läuse habe. 659 01:48:29,767 --> 01:48:37,232 Und dass ich mit Sicherheit an Typhus erkrankt bin und außerdem Durchfall hätte. Ich stritt mit ihr darüber, aber am Ende ging ich mit. 660 01:48:37,233 --> 01:48:48,866 Der Hunger trieb mich in das Haus. Als ich die Wohnung betrat, sah ich in der Ecke, zu meiner Rechten, das Bild der heiligen Madonna und bekreuzigte mich unbewusst. 661 01:48:48,867 --> 01:48:57,132 Ich war zum ersten Mal in einer zivilen Wohnung. Sie hatte das bemerkt und fragte: 662 01:48:57,133 --> 01:49:12,266 „Sind Sie katholisch?“ „Ja, ich wohne in Warschau und meine Familie auch. Ein Moment kommt SS, 5 Minuten in Zimmer (???) 663 01:49:12,267 --> 01:49:24,732 Ich war jetzt im Lager, aber ich bin kein Verbrecher.“ „Ich verstehe alles.“ - antwortete sie – das habe ich verstanden. 664 01:49:24,733 --> 01:49:33,266 Sie setzte mich an den Tisch und gab mir einen Teller Suppe. Ich bemerkte, dass in der Suppe Fettaugen schwammen. 665 01:49:33,267 --> 01:49:37,399 Und ich sagte, dass ich Durchfall hätte und so was nicht essen dürfte. 666 01:49:37,400 --> 01:49:50,566 Ich wusste noch von früher, als ich noch ein Kind war, hatte mich meine Mutter bei empfindlichem Magen mit schwarzen Pillen geheilt. 667 01:49:50,567 --> 01:50:00,599 Es waren Pillen zum Stoppen von Durchfall. Ich kam auf die Idee, in die Militärküche zu gehen und dem Kollegen zu sagen, 668 01:50:00,600 --> 01:50:07,366 "gib mir ein Stück Holz, ich möchte dieses verkohlte Stück Holz essen, damit ich den Magen stopfe." 669 01:50:07,367 --> 01:50:17,966 Er hatte Angst und sagte: "Frag den Deutschen." Er ging zum Koch und fragte ihn. Das faszinierte ihn: „Was? Er will ein Stück von dem Holz essen? Dann gib ihm.“ 670 01:50:17,967 --> 01:50:21,999 Er nahm einen Fotoapparat und machte Bilder davon, wie ich das verkohlte Holzstück verzehrte. 671 01:50:22,000 --> 01:50:35,599 Hätte er gewusst, warum ich das tat, vielleicht hätte er mir das Stück Holz nicht gegeben. In jedem Fall hatte er ein Souvenir und ich beruhigte meinen Magen. 672 01:50:35,600 --> 01:50:49,666 Die deutsche Frau bot mir diese Suppe an und nahm sie wieder weg. Ich bekam ein Stück Brot mit Wasser und beim Essen schlief ich am Tisch ein. 673 01:50:49,667 --> 01:51:05,899 Als ich erwachte, sah ich, dass sie auf der heißen Offenplatte kleine Kuchen aus Mehl backte. Ich schlief sofort wieder ein. 674 01:51:05,900 --> 01:51:12,532 Ich wachte wieder auf und der Kuchen stand direkt vor mir. Und sofort stopfte ich einen in den Mund und einen anderen in die Tasche. 675 01:51:12,533 --> 01:51:19,566 Sie sagte, ich solle das lassen, weil ich ab jetzt immer alles haben würde. Ich solle keine Angst haben. 676 01:51:19,567 --> 01:51:27,399 „Ich bereite dir ein Bad vor, gebe dir neue Kleidung und Medikamente, du bleibst bei mir, ich werde dich nicht hergeben.“ 677 01:51:27,400 --> 01:51:39,899 Während das passierte, sah ich durch das Fenster einen Feldpolizisten mit einem Häftling auf das Haus zusteuern. 678 01:51:39,900 --> 01:51:55,132 Ich sagte zu ihr: „Sehen Sie bitte, ein Häftling mit Feldpolizei kommt her.“ Sie blickte durchs Fenster und sagte: "Moment, bleib hier!" Sie verließ das Haus und sprach mit dem Polizisten: 679 01:51:55,133 --> 01:52:02,666 „Was willst du?“ Er antwortete: "Zu dir ist ein Häftling gekommen, wo ist er?". Sie antwortete: "Er hat zu essen bekommen und ist gegangen." 680 01:52:02,667 --> 01:52:10,199 Daraufhin der Deutsche: "Gib mir Wasser für meinen Gefangenen! Gib ihm etwas zu trinken!“. 681 01:52:10,200 --> 01:52:16,632 Sie sagte: „Nun warte.“ Sie kam in die Küche, um Wasser zu holen und der Deutsche folgte ihr. 682 01:52:16,633 --> 01:52:26,766 Er ging in die Küche, sah mich und fing an, die Frau zu beschimpfen: „Warum du falsch Information? Warum lügst du?“ 683 01:52:26,767 --> 01:52:37,599 Es war unvorstellbar, einen deutschen Polizisten zu belügen. Das Verhalten der Frau war für mich schockierend und überraschend zugleich. 684 01:52:37,600 --> 01:52:51,432 Diese Frau, die die Tragödie des Krieges und das Ende des Krieges ertragen musste, hatte, was ich später erfahren habe, ihren Mann in französischer Gefangenschaft. 685 01:52:51,433 --> 01:53:03,099 Sie hatte ihre ganze Wut und ihre Emotionen an dem Deutschen ausgelassen. 686 01:53:03,100 --> 01:53:07,466 Sie schimpfte längere Zeit mit ihm: „Ihr seid doch Banditen!“ Und so weiter. 687 01:53:07,467 --> 01:53:15,266 Schließlich versuchte er sie zu beruhigen, dass er mich nur ins Krankenhaus bringen wolle, dass hier in Lebenau ein Krankenhaus eingerichtet werden würde. 688 01:53:15,267 --> 01:53:19,232 Dort war ein Frauenlager. Dort eröffnete man den ersten Rettungsdienst. 689 01:53:19,233 --> 01:53:27,632 "Wir bringen sie nur dorthin", denn er hat Angst vor der Typhus-Epidemie, weil bereits viele erkrankt seien. Sie solle keine Angst haben. 690 01:53:27,633 --> 01:53:37,166 Sie lies ihn auf das Bild der Heiligen Jungfrau Maria schwören {weint}, dass er mich nicht erschießen werde und erst dann ließ sie mich mit ihm gehen. 691 01:53:37,167 --> 01:53:46,332 Ich nahm das Messer, mit dem sie die Fladen auf dem Herd umdrehte und steckte ihn in meinen Ärmel. Sie sah das, aber sagte nichts {weint}. 692 01:53:46,333 --> 01:54:01,699 Es stieß noch ein Deutscher dazu. Er hatte drei weitere Gefangene bei sich. Wir waren dann also 5 Häftlinge und zwei deutsche Feldpolizisten. 693 01:54:01,700 --> 01:54:09,332 Wir gingen zu Fuß etwa 3 Kilometer. Wir gingen in den Wald. Es war uns schon ein wenig mulmig. Vielleicht täuschten sie uns, sagten die Unwahrheit? 694 01:54:09,333 --> 01:54:18,499 Jedenfalls waren sie in der Mitte und wir an den Seiten. Falls sie versuchen, uns zu erschießen. Aber sie waren nicht bewaffnet, hatten nur Bajonette. 695 01:54:18,500 --> 01:54:32,032 Auf einmal sahen wir einen geraden Weg und in der Ferne eine Mauer und viele Häftlinge. Sie liefen frei herum. Sie sahen uns und gingen auf uns zu. 696 01:54:32,033 --> 01:54:45,232 Diese sagten, dass der Krieg zu Ende ist. Als wir auf sie zugingen, begrüßten sie uns und und wir tauschten Informationen aus. Ich erfuhr etwas Erstaunliches. 697 01:54:45,233 --> 01:54:57,066 Einen Tag vor uns war eine Gruppe aus Buchenwald - 1200 Menschen - angekommen. Aus Buchenwald sind 3000 los marschiert, es kamen nur 120 an. 698 01:54:57,067 --> 01:55:10,999 Zwei Brüder - Rosenberg, glaube ich, hießen sie - machten aus: einer geht ins Lager, der andere läuft in den Wald – einer von ihnen wird überleben. Deutsche Disziplin. 699 01:55:11,000 --> 01:55:24,466 Wie viel? Vielleicht 10, 15 Meter vor dem Tor? Ein Junge sprang in den Wald und ein Deutscher eröffnete das Feuer – er war tot. Der andere Junge ist ins Lager hineingegangen. 700 01:55:24,467 --> 01:55:34,766 Die Deutschen kehrten um und gingen. Eine schreckliche Tragödie. 701 01:55:34,767 --> 01:55:53,099 Jetzt, die erste Hilfe. Nachts kamen einige Zivilisten an. Es stellte sich heraus, dass sie bereits befreite Zwangsarbeiter aus Laufen waren, verschiedener Nationalitäten, unter anderem auch Polen. 702 01:55:53,100 --> 01:56:00,966 Sie brachten uns Essen. Und auch hier spielte sich wieder eine Tragödie ab. Wir bekamen Essenspakete. 703 01:56:00,967 --> 01:56:08,499 Mir war es bewusst, dass ich bei Durchfall nichts Fettiges essen soll. 704 01:56:08,500 --> 01:56:17,866 Ich nahm nur etwas Kekse und eine Tafel Schokolade. Ich brach ein Stück ab und aß. Danach musste ich mich aber übergeben. 705 01:56:17,867 --> 01:56:41,866 Zwei von uns weckten uns nachts mit ihrem plötzlichen Geschrei auf. Sie aßen löffelweise gesalzene Butter, Fleisch- oder Fischkonserven. Sie starben mit Schaum vor dem Mund. 706 01:56:41,867 --> 01:56:46,832 Als das bekannt wurde, nahmen sie uns sofort das ganze Essen weg. 707 01:56:46,833 --> 01:56:58,432 Wir bekamen nur Schüsseln mit Grieß und jede Menge Brot auf den Tisch. „Fürchtet euch nicht, der Krieg ist zu Ende und ihr bekommt jetzt alles.“ 708 01:56:58,433 --> 01:57:09,666 „Die Amerikaner werden jeden Moment kommen. Die Amerikaner wissen bereits, dass hier ein Krankenhaus ist usw. und kommen morgen früh mit einer Einheit.“ 709 01:57:09,667 --> 01:57:18,466 Natürlich kamen zuerst die Fotografen. Sie machten Bilder, auch von dem belgischen Partisanen und von allen anderen. 710 01:57:18,467 --> 01:57:26,732 Die Zivilisten begannen uns beizubringen, wie wir die Amerikaner zu begrüßen haben und wie wir uns bedanken sollten. 711 01:57:26,733 --> 01:57:33,799 Ich winkte mit der Hand ab - zur Hölle mit euch - und ging schlafen. Noch ein solcher Moment. 712 01:57:33,800 --> 01:57:40,566 Auf einmal weckte mich ein Gepolter, etwas schlug gegen die Wände. 713 01:57:40,567 --> 01:57:48,232 Die Amerikaner kamen mit Autos, an denen die Vorderräder aus Gummi waren und die hintere Achse aus Stahlraupen. 714 01:57:48,233 --> 01:57:56,632 Als ein Auto in der Nähe des Brunnens wendete, riss es die Pflastersteine aus dem Boden und schleuderte sie gegen die Wände. 715 01:57:56,633 --> 01:58:09,832 Und wieder kam eine Gruppe von Fotografen. Und von diesem Moment an begann alles. Die Rettungsteams. Frauen, die kriminelle Häftlinge waren, flohen. 716 01:58:09,833 --> 01:58:16,866 Und die politischen weiblichen Häftlinge, verschiedener Nationalitäten, wurden im Lager zu Krankenschwestern. 717 01:58:16,867 --> 01:58:24,432 Mich schnappte eine dicke deutsche Frau und trug eine Badewanne, legte mich hinein und ging einen anderen holen. 718 01:58:24,433 --> 01:58:31,866 In dem Moment hörte sie nur blub, blub, blub, als ich ins warme Wasser stieg.. blub blub blub. 719 01:58:31,867 --> 01:58:43,966 Ich fiel in Ohnmacht und ertrank fast. Sie zog mich wieder aus der Wanne, dann wusch sie mich, passte auf und steckte mich in ein Auto. 720 01:58:43,967 --> 01:59:02,566 Wir fuhren nach Freilassing in ein normales Krankenhaus. Ich war ein halbes Jahr in Behandlung und hatte all diese Lagerkrankheiten. Zwei Mal Bauchtyphus. 721 01:59:02,567 --> 01:59:13,966 Es kam der Moment, als ich den ersten Tag im Lager liege und ahnungslos bin, was geschieht. Drei Tage war ich bewusstlos. 722 01:59:13,967 --> 01:59:24,732 Die Deutschen kündigten den deutschen Ärzten an, dass wenn einer von uns sterben sollte und sie ihre Schuld nachweisen könnten, ein Arzt erschossen wird. 723 01:59:24,733 --> 01:59:30,699 Und schon saß eine deutsche Frau, eine Krankenschwester, an meinem Bett. Sie pflegte mich. 724 01:59:30,700 --> 01:59:35,332 Das war ein Wendepunkt: Wird er überleben, wird er nicht überleben? Drei Tage lang. 725 01:59:35,333 --> 01:59:44,266 Auf einmal öffnete ich meine Augen: Weiße Decke, blonde Frau, weißer Kittel. Und ich frage: „Was ist los? Bin ich im Himmel?“ 726 01:59:44,267 --> 01:59:55,932 Ich schloss meine Augen, öffnete sie wieder und sah zwei Männer und ein Mädchen. Von diesem Moment an begann der Kampf um mein Leben. 727 01:59:55,933 --> 02:00:06,166 Traubenzucker, Glukose, etc. Aus einem Jungen der 32 Kilo wog, wurde nach 6 Monaten ein 75 Kilo schwerer Mann. 728 02:00:06,167 --> 02:00:22,266 Dazwischen gab es eine Pause. Man hatte mich wieder nach Laufen zur Rekonvaleszenz geschickt. 729 02:00:22,267 --> 02:00:32,466 Nach dem Essen dort, bekam ich ein hohes Fieber und kehrte nach Freilassing in mein altes Bett zurück. Das zweite Mal für drei Monate. 730 02:00:32,467 --> 02:00:36,432 Ich bekam Flecktyphus und noch irgendeine andere Krankheit. 731 02:00:36,433 --> 02:00:51,132 Jetzt noch etwas Interessantes aus menem Nachkriegsprivatleben. Die Deutsche an meinem Bett, Anna Luisa, war ein junges Mädchen; ich war ja auch kein Greis. 732 02:00:51,133 --> 02:00:59,632 Zwischen uns bestand eine gewisse Zuneigung. Oh, durch den direkten Kontakt während des halben Jahres verliebten wir uns ineinander. 733 02:00:59,633 --> 02:01:06,166 Wir beschlossen, dass ich jetzt, nachdem der Krieg vorbei war, Briefe nach Polen schicken würde. 734 02:01:06,167 --> 02:01:11,999 Die Juden betrieben Handel. Sie verkauften Schreibmaschinen und noch Weiteres. 735 02:01:12,000 --> 02:01:24,099 Ich schickte also Briefe nach Polen, aber bekam keine Antwort. Als sie zurückkamen, fragte ich: „Wie steht es um den Stadtteil Prag in Warschau – Szwedzka und Listopada Straße?“ 736 02:01:24,100 --> 02:01:27,866 Sie sagten: „Dort gab es keine Verwüstungen.“ Diese Informationen hatte ich. 737 02:01:27,867 --> 02:01:35,399 Wir hatten mit Anna Luisa die Vereinbarung getroffen, dass ich nach Polen fahren würde und wenn meine Familie lebt, würde ich zurückkommen und wir würden heiraten. 738 02:01:35,400 --> 02:01:41,266 Leider kam es anders. Wir warteten auf den Transport nach Polen. Es gab keinen Transport. 739 02:01:41,267 --> 02:01:51,266 Wir wurden in ein Lager in Chamerau verlegt, ein großes Lager. Hier fanden sich Menschen aus verschiedenen Orten Bayerns zusammen. 740 02:01:51,267 --> 02:01:55,566 Wir warteten auf einen Transport, aber es gab keinen. 741 02:01:55,567 --> 02:02:02,766 Irgendwann kam schließlich die Nachricht, dass wahrscheinlich in diesem Monat ein Transport nach Polen organisiert würde. 742 02:02:02,767 --> 02:02:15,132 Und zur gleichen Zeit bekamen wir die Nachricht: „Geht nicht nach Polen zurück, alle AK-Angehörigen werden abgeholt und nach Sibirien verbannt.“ 743 02:02:15,133 --> 02:02:26,099 O Gott, war das die Wahrheit oder Propaganda? Mein Vater war in der AK-Armee. Ich wollte auch in die AK-Armee aber ich war zu jung. 744 02:02:26,100 --> 02:02:36,132 In meinem Haus wohnte ein „Schmuggler“, ein älterer Kollege von mir, der einer Organisation, die AE hieß, angehörte. Was das für eine Organisation war, wusste ich nicht. 745 02:02:36,133 --> 02:02:43,599 Ich interessierte mich nicht für die Politik, ich wusste nicht, was das ist. Das Wichtigste war, gegen die Deutschen zu kämpfen. Also sabotieren wir. 746 02:02:43,600 --> 02:02:50,432 Ich hatte die Idee, einen Ball zu nehmen und auf der Straße zu kicken. Wir nahmen eine Bierflasche oder eine Weinflasche 747 02:02:50,433 --> 02:03:01,132 ohne Unterboden und legten sie unter die Räder der Fahrzeuge. Ein Fahrzeug fuhr drauf und die Reifen zerplatzten. Keiner wurde zur Rechenschaft gezogen. 748 02:03:01,133 --> 02:03:21,099 Die zweite Sabotage war: Es gab ein Gelände eines Maschinenparks, das sich neben der Eisenbahn Praga-Nord in der Nähe der Stalowa Straße befand. 749 02:03:21,100 --> 02:03:37,532 Wir kletterten über den Zaun auf dieses Gelände. Mit Zangen in der Hand schnitten wir die Einspritzpumpen für Dieselmotoren durch. Dies war unsere Sabotage. 750 02:03:37,533 --> 02:03:52,099 Ein Mal mussten wir sogar davonlaufen. Es ist aber gut ausgegangen. Danach haben wir das nicht mehr gemacht. 751 02:03:52,100 --> 02:03:59,532 Pause. 752 02:03:59,533 --> 02:04:27,367 MA: Vielen Dank. (???)